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Deutlich weniger Geburten im Rödertal?

Im Rödertal kommen laut Statistik immer weniger Babys zur Welt. Die Kliniken können allerdings keinen Geburtenrückgang feststellen.

Von Siri Rokosch
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Symbolbild. Gibt es im Landkreis Bautzen immer weniger Babys?
Symbolbild. Gibt es im Landkreis Bautzen immer weniger Babys? © Dietmar Thomas (Symbolbild)

Rödertal. Lockdown und Homeoffice prägten die vergangenen Monate und Jahre - doch ein Babyboom ist dadurch offensichtlich nicht entstanden. In den Städten und Gemeinden des Rödertals sind in den vergangenen beiden Jahren sogar weniger Kinder zur Welt gekommen als in den Vorjahren. In der Uniklinik Dresden, wo auch Frauen aus dem Rödertal behandelt werden, und im St. Johannes Krankenhaus Kamenz sei aber kein Geburtenrückgang zu sehen, teilen die Krankenhäuser mit.

Was sagen die Geburtszahlen im Rödertal genau?

In Radeberg wurden im gesamten Jahr 2017 noch 212 Kinder geboren, 2020 waren es nur noch 158. Von Januar 2021 bis zum 31. Juli 2021 kamen 102 Kinder in Radeberg zur Welt, im Vergleichszeitraum 2022 bis zum 31. Juli nur noch 72.

In der Gemeinde Ottendorf-Okrilla sind 2017 noch 89 Kinder geboren worden. Im gesamten Jahr 2021 erblickten 42 Babys das Licht der Welt.

In der Gemeinde Arnsdorf ergibt sich ein ähnliches Bild. So kamen 2017 61 Babys zur Welt. 2021 wurden nur noch 40 Kinder geboren.

In der Gemeinde Wachau gibt es noch relative viele Eltern mit Babyglück. So sind bis zum 30. Juni dieses Jahr 15 Kinder geboren worden, 2021 waren es im gesamten Jahr 20 Kinder. 2017 kamen allerdings 45 Kinder zur Welt.

Setzt sich der Trend zu weniger Geburten im Landkreis fort?

Der Trend zu weniger Geburten ist im gesamten Landkreis Bautzen und sogar deutschlandweit zu beobachten. Laut des Statistischen Landesamtes in Kamenz ist gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 in diesem Jahr im Kreis Bautzen ein Geburtenrückgang um minus 12,6 Prozent zu sehen. 2015 wurden im Landkreis Bautzen noch 2.517 Kinder geboren, 2.189 Kinder waren es im vergangenen Jahr.

Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Geburtenzahl auch deutschlandweit von Januar bis April 2022 - nach vorläufigen Ergebnissen - auf rund 222.000 neugeborene Kinder zurückgegangen. Im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2021 betrug der Rückgang damit 10,8 Prozent. In Westdeutschland nahm die Geburtenzahl um genau zehn Prozent ab, in Ostdeutschland, einschließlich Berlin, um knapp 14,6 Prozent.

Zuletzt wurde eine ähnliche Geburtenzahl im Jahr 2014 mit 223.240 Babys registriert.

Kein Geburtenrückgang in den Krankenhäusern?

Vom St. Johannes Krankenhaus Kamenz könne ein Rückgang an Geburten nicht bestätigt werden, sagt die Pressesprecherin Stephanie Hänsch auf Anfrage: "Die aktuellen Geburtenzahlen befinden sich auf dem Vorjahresniveau", erklärt sie. Falls es einen Geburtenrückgang gäbe, dann läge das nach Einschätzung des Krankenhauses an der "allgemeinen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Unsicherheit sowie dem 'Demografischen Wandel' durch geburtenschwache Jahrgänge, zum Beispiel für Erstgebärende, die zwischen 1990 und 1993 selbst geboren wurden". Auch Corona und der Krieg könnten Ursachen dafür sein, dass weniger Kinder geboren werden.

Vermehrt auftretende Fehlgeburten gäbe es im St. Johannes Krankenhaus Kamenz nicht, betont die Sprecherin: "Das ist uns nicht bekannt. Die Mitarbeiter der Geburtsstation werden regelmäßig geschult." So findet am 7. September wieder der jährliche Kurs in Neugeborenenreanimation statt. "Dann kommen Ärzte der Neonatologie des Städtischen Klinikums Dresden, um das gesamte Team der Geburtsstation zu schulen", erklärt sie. Genaue Angaben zur Geburtenzahl macht Stephanie Hänsch nicht.

Am Uniklinikum Dresden wurden 2019 2.708 Babys geboren und 2021 kamen 2.613 Kinder zur Welt. "Die konstanten Geburtszahlen belegen, dass das Vertrauen der werdenden Eltern in das Uniklinikum auch in dieser schwierigen Zeit unverändert hoch bleibt. Das freut uns sehr!“, sagt Pauline Wimberger, Direktorin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Mitte Juni 2022 sei zudem das 1.000. Kind in der Klinik zur Welt gekommen. Daraus ließe sich bereits ein Trend ersehen, so der Pressesprecher Holger Ostermeyer.

Da sich die Klinikdirektorin und auch der Leiter der Geburtshilfe derzeit nicht im Klinikum befänden, könnten aktuell keine fachlich fundierten Auskünfte zu Fehl- oder Totgeburten der vergangenen Jahre gegeben werden. "Ich bin mir jedoch sicher, dass beide sich nicht an Spekulationen zu den Gründen des Geburtenrückgangs oder einer möglicherweise gestiegenen Zahl an Früh- und Fehlgeburten beteiligen werden", betont Holger Ostermeyer.

Statistisches Bundesamt: Zahl der Totgeburten gestiegen?

Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der Kinder, die tot zur Welt kamen, seit Jahren tendenziell gestiegen. Im Jahr 2021 sind in Deutschland 3.420 Kinder tot geboren worden. Dies entspricht 4,3 Totgeburten je 1.000 Geborenen. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilt, ist die Quote nach einem Tiefstand von 3,5 Totgeburten je 1.000 Geborenen - im Jahr 2007 - seit 2010 tendenziell gestiegen. 2020 und 2019 gab es jeweils 4,1 Totgeburten.

In der Praxis von Professor Sven Hildebrandt, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Grundstraße in Dresden, sei vor allem in diesem Jahr ein "starker Geburtenrückgang" zu sehen. Bei ihm kämen auch viele Frauen aus der Lausitz und dem Raum Radeberg zur Sprechstunde: "Seit diesem Jahr im Januar haben wir in unserer Praxis einen starken Geburtenrückgang. Ich habe rein subjektiv den Eindruck, dass es nicht weniger Schwangerschaften als in den Jahren zuvor gibt. Was ich aber beobachte, ist, dass wir einen starken Anstieg an Todesfällen zwischen der 14. und 18. Schwangerschaftswoche haben und das ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise sind Fehlgeburten wesentlich eher zu verzeichnen."

Die Hebamme Maria Bretschneider aus Radeberg sagt gegenüber Sächsische.de: "Um es kurz und knapp zu beantworten: Ja, es gibt einen deutlichen Geburtenrückgang zu verzeichnen und aus meinem persönlichen Empfinden heraus auch eine Zunahme der Abortrate, also der Fehlgeburten."

Woran der Geburtenrückgang und die vermeintlich höhere Fehlgeburtenraten liegen könnte, ist unklar. Die Hebamme vermutet, dass durch die Pandemie verursachte soziale und finanzielle Unsicherheiten Gründe sein könnten, warum sich Frauen derzeit gegen ein Kind entscheiden. "Systemrelevante Frauen sind auch zum großen Teil Frauen in sozialen Berufen. Gerade medizinisches Personal hatte nicht nur keinen Lockdown, sondern auch ein erheblich höheres Arbeitspensum zu bewerkstelligen. Viele suchten sich neue Jobs, da bleibt wenig Gelegenheit, über Kinder nachzudenken." Zudem könne der Gedanke daran, im nächsten Winter wieder mit Kind und Neugeborenem "eingesperrt daheim zu sitzen", abschreckend sein.

Bei Hebamme Marthe Stein aus Wachau ist der Rückgang an Geburten ebenfalls zu spüren. Sie sagt: "In unserer Gemeinde sind auch weniger Kinder geboren worden. Zudem ist in den vergangenen anderthalb Jahren die Zahl der Fehlgeburten gestiegen." Einen Grund für die vermehrten Abgänge der Babys könne sie bislang nicht finden.

Update, 08. November, 17.31 Uhr: In einer früheren Version dieses Textes haben wir fälschlicherweise berichtet, dass es im Uniklinikum Dresden ebenfalls keinen Rückgang an Neugeborenen gäbe. Das haben wir korrigiert. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.