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Wegen Geburtenrückgangs: In Radebeul schließt die erste Kita

Am 5. August dieses Jahres endet die Geschichte der Kita" Harmoniestraße". Das Gebäude weicht einem Schulneubau. Doch der Abriss hat einen weiteren Hintergrund.

Von Silvio Kuhnert
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In dem Gebäude mit der Hausnummer 11 ist die Kita "Harmoniestraße" untergebracht. An diesem Freitag schließt die Tür der städtischen Einrichtung für immer.
In dem Gebäude mit der Hausnummer 11 ist die Kita "Harmoniestraße" untergebracht. An diesem Freitag schließt die Tür der städtischen Einrichtung für immer. © Norbert Millauer

Radebeul. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Stadt Radebeul Kita-Plätze aufgebaut. Seit 2001 hat sich die Kapazität in Krippen, Kindergärten und Horten von rund 1.500 auf über 3.000 Plätze verdoppelt. Die Betreuungsplätze wurden auch benötigt, denn pro Jahr gab es zwischen 290 und 320 Geburten in Radebeul. Doch im Jahr 2019 setzte eine Wende ein. Die Geburtenzahlen sind auf rund 260 pro Jahr gesunken.

Die Stadt reagiert auf diesen Trend mit der Schließung der ersten Kindertagesstätte. An diesem Freitag öffnet die städtische Kita "Harmoniestraße" zum letzten Mal ihre Pforten. In der kleinen familiären Einrichtung konnten maximal 56 Kinnings betreut werden. Das Aus war mit dem Grundsatzbeschluss zum Neubau der Oberschule Kötzschenbroda schon seit einiger Zeit beschlossen. Denn das Gebäude muss dem neuen Schulhaus Platz machen und abgerissen werden. Zunächst plante die Stadtverwaltung einen Umzug der "Harmoniestraßen"-Kinder in die Kita "Thomas Müntzer" an der Meißner Straße. Dafür war eine Erweiterung durch einen Anbau geplant, was im Jahr 2019 in der Elternschaft und im Stadtrat für hitzige Diskussionen sorgte. Denn für die Erweiterung der Thomas-Müntzer-Kita sollten mehrere große Bäume gefällt werden.

Kita im Jahr 1990 eröffnet

Doch als die Geburtenzahlen zurückgingen, entschied die Verwaltung, auf den Anbau zu verzichten und die Kita "Harmoniestraße" für immer zu schließen. Bereits im letzten Kita-Jahr wurden nur noch wenige Mädchen und Jungen aufgenommen. Zuletzt besuchten 19 Kinder die Einrichtung. Seit 1973 wurde das Gebäude vielseitig genutzt. Im Jahr 1990 zog die Kita ein, die nach der Straße, an der sie liegt, benannt wurde. Hier wurden über 30 Jahre lang Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren betreut.

Mit der Schließung an diesem Freitag rückt noch nicht der Abrissbagger an. Denn ab Mitte August dient das Haus für rund ein halbes Jahr als Ausweichquartier für den Radebeuler Waldorfkindergarten, weil in dessen Domizil, Horst-Viedt-Straße 1, eine neue Heizung eingebaut wird. Der Abriss des Gebäudes an der Harmoniestraße soll danach im Laufe des Jahres 2023 erfolgen.

Weniger potenzielle Mütter

Warum in Radebeul weniger Babys das Licht der Welt erblicken, erklärt Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) mit Geburtenknick nach Wende und Deutscher Wiedervereinigung. Anfang der 1990er-Jahre wurden weniger Kinder geboren als in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Und jene Generation, die im wiedervereinten Deutschland das Licht der Welt erblickte, ist jetzt in dem Alter, in dem sie Familien gründen. Dies verdeutlicht die Zahl der potenziellen Mütter, also Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahre. Im Jahr 2009 waren das 4.162 Radebeulerinnen. 2020 gibt es nur noch 3.454 Frauen, bei denen eine Geburt zu erwarten ist. Und in sieben Jahren verkleinert sich ihre Anzahl auf 3.074. Das ist eine Reduzierung um mehr als 25 Prozent. Damit verringert sich laut OB Wendsche auch die Zahl der Geburten um mehr als ein Viertel.

Auf der Basis der jüngsten Einwohnerprognose des Statistischen Landesamtes in Kamenz hat das Stadtoberhaupt zwei Szenarien für den Kita-Bereich erstellt. Wenn die Lößnitzstadt weiterhin einen Zuzug junger Familien mit kleinen Kindern verbuchen kann, reduziert sich der Bedarf an Kita-Plätze um rund 200 bis zum Jahr 2035. Ohne Zuzug sinkt dieser um über 300 Plätze.