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In Radeberg gibt es künftig eine "Gemeinsam-statt-einsam-Bank"

Hartmut Kirschner, Radeberger Arzt im Ruhestand, bietet mit Mitstreitern Menschen ganz formlos ein Gespräch an. Auf einer Bank im Grünen Band. Was Corona und Leistungsdruck damit zu tun haben.

Von Verena Belzer
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Hartmut Kirschner bietet ab dem 5. April Radebergern ein Gespräch auf der "Gemeinsam-statt-einsam-Bank" an.
Hartmut Kirschner bietet ab dem 5. April Radebergern ein Gespräch auf der "Gemeinsam-statt-einsam-Bank" an. © Christian Juppe

Radeberg. Es war ein Buch, das Hartmut Kirschner sehr bewegt und ihn zu seinem jetzigen Engagement gebracht hat: "Einsamkeit. Die unerkannte Krankheit. Schmerzhaft, ansteckend, tödlich", geschrieben vom Neurowissenschaftler und Psychiater Manfred Spitzer. "Das hat mich wirklich sehr berührt", erzählt Kirschner. "So sehr, dass ich es gleich dreimal gelesen habe."

Hartmut Kirschner ist in Radeberg kein Unbekannter, in den 1970er-Jahren ist er mit seiner Familie hierhergezogen und hat jahrzehntelang als Internist und als Psychotherapeut gearbeitet. 2016 verabschiedete er sich in die Rente. Auch seine Frau war hier als Hausärztin tätig. Und von den drei Söhnen ist ebenfalls einer Arzt geworden.

Eine Bank zum Reden

Seitdem hat sich Hartmut Kirschner in verschiedenen Projekten in der Stadt engagiert - nun widmet er sich mit Mitstreitern aus der Radeberger Gesellschaft dem Thema Einsamkeit. "In England gibt es seit 2018 sogar ein Ministerium für Einsamkeit", sagt er. "Da sieht man mal, wie wichtig manchen dieses Thema ist."

Entstanden ist die "Gemeinsam-statt-einsam-Bank": Im Grünen Band an der August-Bebel-Straße, gegenüber des Kaiserhofs, sitzen ab April immer mittwochs von 16 bis 17 Uhr abwechselnd Hartmut Kirschner oder einer seiner Mitstreiter und bieten einsamen Radebergern ein Gespräch an. Ganz formlos, ganz locker. Einfach ein bisschen plaudern. "Wir sind keine Therapiebank", sagt Hartmut Kirschner. "Aber wir können im Gespräch vielleicht die eine oder andere Hilfe anbieten."

Das neunköpfige Team - zwei Männer und sieben Frauen im Alter zwischen 21 und 83 Jahren - kennt sich aus in Radeberg. Weiß, welche Angebote es gibt. "Im Gespräch erfährt man vielleicht Anekdoten aus dem Leben des Gegenübers, an die man anknüpfen und den Menschen so eine Hand reichen kann, aus seiner Einsamkeit zu entfliehen."

Corona hat Einsamkeit verstärkt

Hartmut Kirschner weiß, dass der erste Schritt der schwerste ist. "Der schwierigste Weg, den der Mensch zurückzulegen hat, ist der zwischen Vorsatz und Ausführung. Das hat schon Wilhelm Raabe gesagt." Es werde nun ein Experiment, "wir werden sehen, wer sich zu uns setzt".

Seinen Mitstreiterinnen und ihm gehe es darum, Betroffene aus der "Hölle der Einsamkeit" zu helfen - dabei spiele das Alter keine Rolle. "Einsamkeit kann alle treffen", sagt Hartmut Kirschner. Gerade während seiner Arbeit als Psychotherapeut habe er oft erleben müssen, dass Einsamkeit nicht selten mit einer depressiven Entwicklung einhergeht.

"Corona hat sicher dazu beigetragen, dass viele Menschen einsam wurden", sagt Kirschner. "Bei anderen ist es der Leistungsdruck, der dazu führt, dass man sich zur Erholung zurückzieht. Doch aus dieser erst einmal sinnvollen Pause muss man auch wieder herauskommen, wieder aktiv werden. Manche richten sich in diesem Abstand ein." Daraus resultiere nicht selten eine profunde Einsamkeit.

Auch OB Frank Höhme unterstützt das Projekt

Wer das Engagement von Hartmut Kirschner ebenfalls unterstützt, ist Radebergs Oberbürgermeister Frank Höhme (parteilos). "Einsamkeit gibt es in allen Altersgruppen und Schichten der Gesellschaft und somit auch in Radeberg. In einer lebens- und liebenswerten Wohnstadt müssen wir daher auch an diese Menschen denken und Möglichkeiten aufzeigen, einer dauerhaften Einsamkeit zu entgehen."

Bei Frank Höhme rannte Hartmut Kirschner mit der Idee einer "Gemeinsam-statt-einsam-Bank" auch deshalb offene Türen ein, weil auch er sich das Thema "Gemeinsam" auf die Fahnen geschrieben hat - es war sein zentrales Motto im Oberbürgermeister-Wahlkampf.

Die "Gemeinsam-statt-einsam-Bank" steht im Grünen Band an der August-Bebel-Straße. Ab dem 5. April sitzt dort immer mittwochs von 16 bis 17 Uhr ein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft und bietet formlose Gespräche an.