Radeberg
Merken

Radeberger Kleingärtner: "Ich bekomme täglich Anrufe von Menschen, die eine Parzelle pachten möchten"

Der Radeberger Kleingartenverein "Birkenhain" gehört zu den Preisträgern des Wettbewerbs "Vereine des Jahres 2022". Hier gärtnern immer mehr junge Menschen - und verändern dadurch auch den Verein.

Von Rainer Könen
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Radeberger Kleingartenverein "Birkenhain" gehört zu den Preisträgern des Wettbewerbes "Vereine des Jahres 2022". Vlnr.: der Vorsitzende Klaus Hempel und Kleingartenbesitzerin Monika Hähne.
Der Radeberger Kleingartenverein "Birkenhain" gehört zu den Preisträgern des Wettbewerbes "Vereine des Jahres 2022". Vlnr.: der Vorsitzende Klaus Hempel und Kleingartenbesitzerin Monika Hähne. © René Meinig

Radeberg. Der Radeberger Kleingartenverein (KGV) "Birkenhain", das ist eine kleine, zwischen Heidestraße und Robert-Blum-Weg gelegene Gartenanlage mit 63 Parzellen, 58 Parzelleninhabern und rund 100 Mitgliedern. Der Mitgliedsbeitrag ist erschwinglich, beträgt jährlich 20 Euro pro Parzelle, die Gartengrundstücke sind zwischen 170 und 800 Quadratmeter groß. Einer von 35 Kleingartenvereinen, die es in der Stadt gibt. Und bei dem, wie anderswo auch, in diesen Frühlingstagen Aufbruchsstimmung herrscht, die Vorbereitungen für die Gartensaison begonnen haben.

Da ist die ältere Frau, die seit kurzem dort eine Parzelle hat. Eine, in der es an etlichen Ecken ungeordnet ausschaut, weil das verwilderte Grün zuletzt keinen Pächter hatte. Klaus Hempel ist aber zufrieden mit dem, was er an diesem Nachmittag sieht. "Wir sind froh, dass wir mit ihr jemanden gefunden haben, der so viel Freude an der Gartenarbeit hat." Das werde mal ein schönes Fleckchen, steht für den 64-Jährigen fest.

Ein paar Schritte weiter zeigt er auf einen anderen Garten. Hier ist, kleingartentechnisch gesehen, alles "old school". Beete, Bäume, Hecken, penibel angelegt, ganz im Sinne der klassischen Gartenpflegetradition. "Gehört unserem ältesten Mitglied", erzählt Hempel, ein wenig Stolz schwingt dabei mit. Der Vorzeigegarten wird vom 93-jährigen Gottfried Richter bewirtschaftet.

Wenig später steht man auf einer Grünfläche, die so grün noch gar nicht ist, weil Anfang April, abgesehen von den Forsythien, die wenigen Pflanzen dort erst noch Anlauf nehmen müssen für die bevorstehende blühende Gartensaison. Hier sollen demnächst Kinder der benachbarten DRK-Kita "Max & Moritz" vorbeischauen, wollen die Gartenfreunde den Kids die Natur nahebringen, in der leisen Hoffnung, in ihnen die Freude am Kleingärtnern zu wecken.

1.000 Euro als "Verein des Jahres" gewonnen

Mit diesem Zurück-zur-Natur-Projekt für Kinder - auch Senioren und Behinderte will man künftig mit dem ABC der Kleingartenpflege vertraut machen - hatte man sich im vergangenen Jahr beim von Sächsischer Zeitung und Ostsächsischer Sparkasse initiierten Wettbewerb "Vereine des Jahres 2022" beworben. Über 360 Vereine und Institutionen hatten sich gemeldet. Die Juroren wählten 15 Preisträger aus fünf Kategorien (Umwelt, Kultur, Sport, Soziales und Crowdfunding) aus. Darunter auch der Radeberger Kleingartenverein "Birkenhain", der zum ersten Male an diesem Wettbewerb teilnahm und sich über ein Preisgeld von 1.000 Euro freuen darf.

Geld, das bereits verplant ist. Das Häuschen des Projektgartens soll aufgehübscht, eine Sitzecke eingerichtet und Arbeitsmaterialien gekauft werden. Die Birkenhainer haben aber noch mehr Ideen: So sind Schnuppertage für Menschen geplant, die sich einen Kleingarten weder finanziell noch zeitlich leisten können. Nachwuchsprobleme hat der Verein nicht. "Ich bekomme täglich Anrufe von Menschen, die eine Parzelle pachten möchten", erzählt Hempel.

Bei den Vorstellungsgesprächen bekomme er schnell mit, ob jemand die nötige Garten-Leidenschaft mitbringt, oder nicht. Denn auch in seiner Anlage gibt es Problemfälle. Zeitgenossen, die sich nicht an Arbeitseinsätzen beteiligten, den Garten als Partyzone betrachteten. Das sieht man hier wie anderswo nicht gerne, diese bleiben oft auch nicht lange in der Sparte.

Am Rande der Anlage stößt man auf eine Parzelle, die ebenfalls mit großer Sorgfalt aufwartet. Eine im Blockhaus-Stil errichtete Gartenlaube, ein designter Kurzschnitt-Rasen, Beete, die mehr Zier- denn Nutzgartencharakter haben. Eine junge Familie bewirtschafte diese seit kurzem, erzählt Hempel, der, bevor er vor einem Monat das ehrenamtliche Amt des Vereinschefs übernahm, bei den Birkenhainern für die Vergabe der Grundstücke zuständig war.

Altersdurchschnitt bei den Kleingärtnern auf 50 gesunken

Er spricht vom Generationenwechsel in der Kleingärtner-Zunft, davon, dass es in der heutigen Zeit, vor allem seit der Pandemie, immer mehr junge Menschen in die am Stadtrand gelegenen Gartenanlagen ziehe. Um die Sehnsucht nach einem naturnahen, erdverbundenen und autarken Leben zu verwirklichen. Über diese Verjüngungskur bei den Kleingarten-Pächtern freuen sich die Birkenhainer Gartenfreunde. 2019 habe der Altersdurchschnitt bei den Mitgliedern bei über 60 Jahren gelegen, erzählt die 80-jährige Monika Hähne.

Sie bewirtschaftet mit ihrem Mann Dieter seit mehr als einem halben Jahrhundert einen Garten in der KGV Birkenhain. In den vergangenen drei Jahren haben etliche Parzellen den Besitzer gewechselt. Rund 30 gingen an junge Familien. Der Altersdurchschnitt sei rapide gesunken, liege jetzt bei 50 Jahren, sagt die Radebergerin. In der Anlage gehe es nun lebendiger zu. Das Vereinsleben habe seither mehr Dynamik bekommen, bestätigt auch der Vorsitzende.

Dass mehr junge Menschen im Verein sind, wirkt sich auch auf die Gestaltung der Gärten aus. Mancher der jungen Pächter sieht sich als Gartendesigner, hier und da sehen Gärten wie ein aufgeräumtes Wohnzimmer im Grünen aus. Wesentlich sei aber, dass die Parzellen im Einklang mit den Vereinsstatuten bewirtschaftet werden müssten, betont Hempel. Das heißt: Diese müssen zu je zu einem Drittel aus Laube, Freifläche und Anbau für die Eigenversorgung bestehen, auch sollen Pächter sich mit Gemeinschaftsarbeiten ins Vereinsleben einbringen.

Nicht alle halten sich daran. Aber: Alles brauche seine Zeit, finden etliche der langjährigen Parzelleninhaber. Und Klaus Hempel sagt, man müsse eben etwas Geduld mit der neuen Kleingarten-Generation haben. Der Vereinsvorsitzende freut sich auf den bevorstehenden Sommer, wenn er wieder in seinem Garten die Pflanzen pflegen kann, nach getaner Arbeit unterm Baum sitzt, mit einem kühlen Bier in der Hand, und sich dabei wie im Urlaub wähnt.