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"Unsere Heimat ist bunt": Radeberg demonstriert erneut gegen Rechts

Erneut haben am Sonntag zahlreiche Radeberger auf dem Markt unter dem Motto "Wir sind die Brandmauer" gegen Rechts demonstriert. Wieso die beeindruckendste Rede von einem 19-Jährigen kam.

Von Verena Belzer
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trotz des Regens waren zahlreiche Menschen auf den Markt nach Radeberg geströmt.
trotz des Regens waren zahlreiche Menschen auf den Markt nach Radeberg geströmt. © Marion Doering

Radeberg. Starkes Zeichen gegen Rechts: Zum zweiten Mal binnen drei Wochen haben zahlreiche Menschen gegen Rechts und für Offenheit und Vielfalt demonstriert. Während vor drei Wochen eine Gruppe junger Leute unter dem Namen "Zusammen gegen Rechts" die Demo angemeldet hatte, war es dieses Mal eine bunte Truppe rund um Radeberges Pfarrer Johannes Schreiner, die für die Veranstaltung verantwortlich zeichnete.

Hörte man sich in der Menge um, warum die Menschen wieder zum Markt gekommen waren, fiel die Antwort immer ähnlich aus: Sie alle wollten ein Zeichen setzen.

Finzel: "Die AfD ist die größte Bedrohung für unser System"

Und erneut waren viele jüngere und ältere Menschen, Familien und Rentner dabei - und die eindrücklichste Rede kam vom 19-jährigen Radeberger David Finzel, Abiturient am Humboldt-Gymnasium.

"Als wir Kinder waren, war die Welt noch in Ordnung." Doch nicht nur durch den Verlust der kindlichen Naivität habe sich das in den letzten Jahren geändert. Er zählte globale Krisen wie Covid 19, den Angriffskrieg auf die Ukraine und den Klimawandel auf. "Auf einmal kam mir die Welt ziemlich beängstigend vor." Das sei anderen Generationen, die die Wende oder die globale Finanzkrise erlebt hatten, sicherlich ähnlich gegangen.

"Nur der Umgang mit dieser Krise hat zu einer neuen, drängenden Krise geführt." Menschen hätten sich ausnutzen lassen und sich falschen Hoffnungsträgern hingegeben. "Die AfD ist zur größten Bedrohung für unser demokratisches System geworden. Dabei stets mit der Begründung, Deutschland, unsere Heimat, nach außen verteidigen zu wollen." Aber was verteidige die AfD da eigentlich? "Meine Heimat besteht aus Vielfalt und unterschiedlichen Perspektiven, aus Offenheit und Neugier. Aus Menschen unterschiedlicher Herkunft, mit verschiedenen Lebensentwürfen."

Und unter dem Applaus der im Regen stehenden Menge rief David Finzel: "Meine Heimat, Sachsen, war zumindest für mich immer schon bunt. Unsere Heimat ist bunt!"

Schreiner: "Die Menschen, die deportiert werden sollen, sind auch Landsleute"

Auch Pfarrer Johannes Schreiner gehörte zu den Rednern und verwies auf christliche Werte: "Gesellschaftlicher und politischer Rechtsextremismus widerspricht fundamental den christlichen Grundüberzeugungen und Maßstäben." Christen setzten sich genau dafür ein: "Für Menschenfreundlichkeit und Weltoffenheit, für Toleranz und eine freie Gesellschaft, für Respekt. Liebe, Achtung."

Pfarrer Schreiner verwies auf das konspirative Treffen von Rechten und Rechtsextremen in Potsdam, dessen Aufdeckung durch das Recherchenetzwerk "Correctiv" die Massendemonstrationen im ganzen Land ausgelöst hatte. "Mit den Protokollen von Potsdam wurde uns ein Einblick gewährt in das, was kommen wird. Ein Ausblick auf das, was geschehen kann", sagte er. "Die Menschen, um die es geht, die deportiert und beseitigt werden sollen, sind auch Landsleute, sind Bekannte, sind Freunde. Kinder, die mit unsern Kindern und Enkeln in die Kita-Gruppe gehen, Männer, denen wir im Dönerladen um die Ecke oder Frauen, denen wir beim Einkaufen begegnen."

Wieder hatten die Radeberger kreative und vielfältige Plakate mitgebracht.
Wieder hatten die Radeberger kreative und vielfältige Plakate mitgebracht. © Marion Doering
"Nie wieder ist jetzt": Diesen Slogan las und hörte man viel.
"Nie wieder ist jetzt": Diesen Slogan las und hörte man viel. © Marion Doering
Auch viele junge Leute waren dem Aufruf der Initiatoren gefolgt.
Auch viele junge Leute waren dem Aufruf der Initiatoren gefolgt. © Marion Doering

"Wir weichen nicht zurück"

Aus der Stadtpolitik waren am Sonntag die Stadträte Ronny König (Wir für Radeberg), Frank-Peter Wieth, Ingrid Petzold und ihr Mann, Alt-OB Frank Petzold, Andreas Känner, Holger Wedemeyer, Matthias Hänsel (alle CDU) und Ulrich Hensel (Grüne/SPD) vertreten. CDU-Fraktionschef Wieth hielt ein Plädoyer aufs Grundgesetz. "Die Würde des Menschen ist unantastbar", sagte er. "Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen. Das Grundgesetz schützt uns alle, das dürfen wir auf keinen Preis aufgeben."

Maria Untch, Landtagskandidatin der Grünen im Landkreis, erzählte bei ihrer Rede, wie sie selbst schon angefeindet worden sei, weil sie mit ihren Kindern sorbisch gesprochen habe. Das sei beklemmend gewesen - und gerade deshalb fordere sie: "Wie weichen nicht zurück! Wir stehen ein für unsere Heimat."

Alt-OB Gerhard Lemm mit historischem Vergleich

Wie schon zur Demo vor drei Wochen war Oberbürgermeister Frank Höhme (parteilos) im Urlaub. Beim ersten Mal ebenfalls wegen eines Urlaubs nicht vor Ort, dieses Mal aber mit dabei: Alt-Oberbürgermeister Gerhard Lemm (SPD).

Auch er sprach öffentlich auf der Kundgebung und zog den Vergleich zum Jahr 1933. Zwei Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sei Radebergs erster demokratisch gewählter Bürgermeister Otto Uhlig aus dem Rathaus gejagt worden. "Es ist fünf vor '33", sagte Gerhard Lemm. "Das macht mir Angst." Man dürfe nicht den Fehler der Weimarer Republik wiederholen, bei der die demokratischen Kräfte nicht geeint gewesen seien. Und auch er erhielt großen Applaus für seine Rede: "Das darf uns nicht noch einmal passieren!"