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Pfarrer Johannes Schreiner zur Demo gegen Rechts: "Proteste nutzen sich schnell ab"

700 Radeberger haben vor rund einer Woche gegen rechts und für Vielfalt und Offenheit demonstriert - darunter auch Pfarrer Johannes Schreiner. Wie er die Kundgebung erlebt hat und wie es mit dem Protest weitergeht.

Von Verena Belzer
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Radebergs Pfarrer Johannes Schreiner war einer von 700 Teilnehmern auf der Kundgebung gegen rechts.
Radebergs Pfarrer Johannes Schreiner war einer von 700 Teilnehmern auf der Kundgebung gegen rechts. © Christian Juppe

Radeberg. Angemeldet waren 100, gekommen sind nach Polizeischätzungen um die 700 Menschen: Die Kundgebung gegen rechts auf dem Markt in Radeberg vor rund einer Woche hat für viel Gesprächsstoff in der Stadt gesorgt. Einer der Demonstranten war Pfarrer Johannes Schreiner. Im Gespräch erzählt er, warum es ihm wichtig war, ein Zeichen zu setzen und wie er die Energie der Kundgebung in ein anderes Format übertragen möchte.

Herr Schreiner, warum waren Sie auf der Demonstration vor gut einer Woche?

Ich war auf der Demo, weil es mir wichtig war, ein sichtbares Zeichen gegen das zu setzen, was gegenwärtig scheinbar Konsens ist. Die Correctiv-Enthüllungen zum Treffen in Potsdam waren für viele ein Punkt, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Es ist wichtig zu zeigen, dass dieses Gedankengut nicht von allen geteilt wird, sondern dass es Menschen gibt, die anders denken und sich eine Gesellschaft wünschen, die zusammenhält und sich nicht radikalisiert.

Wie haben Sie die Kundgebung erlebt?

Als friedlich und als eine relativ spontane Entscheidung. Von der Privatperson, die die Veranstaltung angemeldet hat, gab es einen Rundruf an Vereine und Vereinigungen, auch an uns als Kirchgemeinde. Auch wenn die Menschen technisch bedingt nicht alles verstanden haben, was gesagt wurde, haben sie gewusst: Wir stehen hier gemeinsam für eine Sache ein. Nicht alles, was an Wortmeldungen da war, entspricht unbedingt meinem Denken. Aber an der Stelle, wo es darum geht, sich zu bekennen, dass gerade mit Potsdam eine rote Linie überschritten wurde, war es wichtig, diese Gemeinsamkeit zu zeigen. Was ich auch besonders schön fand, ist, dass Menschen aus allen Generationen auf dem Markt versammelt waren.

Hat Sie die große Anzahl an Menschen überrascht?

Ja, auf jeden Fall. Auch, weil es eine relativ kurzfristige Aktion war und auch grundsätzlich hätte ich nicht damit gerechnet. Es war Sonntagnachmittag, es war kalt. Es war eine schöne Überraschung.

Wie haben Sie den Gegenprotest erlebt?

Ich habe damit gerechnet, dass wir da nicht alleine sind. Wobei das Wort "Gegenprotest" eigentlich schon zu groß ist. In einer Kleinstadt kennt man zum Teil einige Leute davon persönlich, was natürlich schmerzlich, aber leider nicht zu ändern ist. Ich habe das nicht als bedrohlich empfunden, das gehört eben auch dazu. Was ich schade finde, ist, dass es wenig Gesprächsbereitschaft gibt. Es bleibt ein relativ unvereinbares Gegenüber von zwei Fronten.

Haben Sie jemanden auf der Kundgebung vermisst?

Gesehen habe ich die Breite der Bevölkerung. Viele habe ich erwartet, bei anderen habe ich mich sehr gefreut, dass ich sie gesehen habe. Wenn ich jemanden vermisst habe, dann eher aus der politischen Ebene. Vielleicht hätte sich ein Oberbürgermeister dort zeigen können.

Was bedeutet diese Kundgebung für Radeberg?

Für Radeberg ist das ein Hoffnungszeichen, dass Menschen wach und bewusst die Situation in der Gesellschaft und Politik verfolgen. Und eine Vergewisserung der Einzelnen, dass man nicht alleine ist. Für die Bevölkerung heißt es etwas. Und zwar auf beiden Seiten. Für den einzelnen, aber auch für die, die am Rand standen und vielleicht auch von der Menge überrascht waren.

Wie groß kann der Einfluss dieser Demo auf Radeberg sein?

Das kommt jetzt darauf an, was aus diesen Energien entsteht.

Was kann denn aus dieser Energie entstehen?

Neben dem Protest ist es wichtig, ein Format zu finden, in dem es inhaltlich eine Diskursmöglichkeit gibt. Proteste nutzen sich schnell ab und es gilt auch zu differenzieren, ob man nun gegen etwas ist oder für etwas. Da geht es um die Wortwahl. Wir müssen uns fragen, welche Art von Gesellschaft wir sein wollen. Eine, die sich abschottet und in der jeder an sich denkt? Oder eine, in der Schwache eine Chance haben? Eine, die auch für Menschen ist, die hierher kommen, um hier leben zu wollen? Das gelingt am ehesten nachhaltig, wenn wir gemeinsam ins Gespräch kommen und die Menschen mitnehmen. Leider gelingt das der Politik momentan sehr schlecht. Es gibt keine Strategie und das verunsichert die Menschen. Wir wollen Menschen ins Gespräch bringen, wo sie auch etwas erfahren können.

Wie kann das konkret aussehen?

Wir wollen uns mit einem kleinen Kreis eine Strategie und ein Format überlegen, mit dem wir dann in die Öffentlichkeit gehen. Stadtgespräche, Kneipengespräche, Podiumsdiskussionen, das sind alles denkbare Formate. Wir sind da verschiedene Akteure und Mitdenkende und breit aufgestellt. Auf der Kundgebung habe ich von vielen gehört, dass sie die Energie nutzen möchten, die jetzt da ist und das nicht verstreichen lassen wollen. Die Hardliner wird man nicht bekehren, aber ich glaube auch, dass es viele sind, die unsicher sind. Mit denen wollen wir ins Gespräch kommen und aufzeigen, ob es vielleicht eine Alternative zur Alternative gibt.

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