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Budenabbau, viele Einbußen, Wut und kleine Hoffnungen

Einige Winzer machen hier ein Drittel ihres Umsatzes. Jetzt suchen sie nach Auswegen für den Glühwein. Die Lichter bleiben aber vielfach an.

Von Peter Redlich & Christoph Scharf & Marvin Graewert
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Meißen: Nach dem Verbot für ganz Sachsen wird auch der Meißner Weihnachtsmarkt abgebaut. In der Porzellanstadt hatte der Oberbürgermeister bis zuletzt dagegen protestiert.
Meißen: Nach dem Verbot für ganz Sachsen wird auch der Meißner Weihnachtsmarkt abgebaut. In der Porzellanstadt hatte der Oberbürgermeister bis zuletzt dagegen protestiert. © Claudia Hübschmann

Meißen/Radebeul/Coswig/Riesa. Es ist ein trauriges Bild - erst mit viel Mühe die Buden aufgebaut und aufwendig geschmückt. Jetzt muss alles wieder weg. In Meißen hatten die Händler und Gewerbetreibenden noch bis Freitagabend gehofft, dass sie - auch unter sehr strengen Hygieneauflagen - bleiben dürfen. Nichts davon. Für Sachsen gilt Weihnachtsmarktverbot.

Radebeul: Die Lichter im Areal von Schloss Wackerbarth sollen weiter angeschaltet werden.
Radebeul: Die Lichter im Areal von Schloss Wackerbarth sollen weiter angeschaltet werden. © Landratsamt

Meißen: Jetzt muss doch abgebaut werden

Am Montagmorgen ist die Lage auf dem Meißner Weihnachtsmarkt offenbar noch nicht vollends geklärt. Die Buden werden erst mal nur ausgeräumt. Gegen halb zehn haben die Händler noch keine endgültige Ansage vom Gewerbeverein erhalten. Dass der Weihnachtsmarkt abgesagt wird, haben viele Händler über Facebook erfahren. Doch sollen die Buden abgebaut werden, bekommen sie ihre Standgebühren zurück? Was passiert mit der Stand-Versicherung, die bereits angelaufen ist?

Zwischen den vielen Fragen dringt auf dem Marktplatz die leise Hoffnung durch, die Buden einfach zwei Wochen stehenzulassen und ab dem 12. Dezember mit einem neuen Konzept zu starten. Vielleicht ist auch ein Wintermarkt nach Weihnachten möglich. Schließlich sind die Waren alle eingekauft. Teilweise verderblich. Annekatrin Rades, Marketing-Chefin des Weinguts Tim Strasser berichtet, dass sie auf knapp 5.000 Litern selbstgemachtem Glühwein sitzt.

Ein Anruf beim Pressesprecher des Gewerbevereins Meißen, Andreas Krause, erstickt diese Hoffnung: „Die Buden werden wieder abgebaut.“ Zwei Wochen zu warten hätte keinen Sinn, schließlich habe die Historie gelehrt, dass sich die Verordnungen eher noch verschärfen. Mit einem Wintermarkt in diesem Jahr rechnet Krause nicht mehr. Auf dem Marktplatz nehmen die Händler eine Absage routiniert, resigniert hin: „Es geht jetzt ja seit zwei Jahren so, dass einem von einem auf den anderen Tag die Existenz genommen werden könnte“, erzählt ein Glühweinverkäufer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Jetzt haben wir ein halbes Jahr arbeiten dürfen und jetzt wieder Arbeitsverbot. Für mich ist das schon gar nichts mehr Neues.“

Annekatrin Rades möchte lieber in die Zukunft schauen: „Wir schauen, dass wir den Glühwein jetzt schnellstmöglich in Flaschen bekommen. Ausschenken ist sowieso nicht mehr möglich. Auch außerhalb des Weihnachtsmarkts.“

Unter dem abgesagten Weihnachtsmarkt leiden auch die angrenzenden Händler, wenn die Innenstadt statt dem üblichen Weihnachtstrubel völlig ausgestorben ist. Thomas Margenberg, Inhaber des Pelzhauses Hempel auf der Burgstraße, würde sich deshalb freuen, wenn ein paar Stände des Weihnachtsmarkts entzerrt über die ganze Stadt verteilt werden würde: „Das würde zumindest ein bisschen weihnachtliches Flair nach Meißen bringen und den Händlern helfen, nicht auf ihrer Ware sitzen zu bleiben und das Geschäft in der ganzen Stadt beleben.“

Bis jetzt bleibt es bei einer digitalen Variante des Weihnachtsmarkts. Um 16 Uhr gab es eine kleine digitale Eröffnung im Theater Meißen. Fortan soll dort jeden Tag eine Ziehung stattfinden, da Theatervorstellungen unter der neuen Corona-Schutzverordnung ebenso nicht mehr möglich sind. Die Gewinner werden einmal pro Woche in der Sächsischen Zeitung veröffentlicht.

Radebeul: Der Lichterpfad auf dem Dorfanger Kötzschenbroda wird aufgebaut und in der Adventszeit bleiben.
Radebeul: Der Lichterpfad auf dem Dorfanger Kötzschenbroda wird aufgebaut und in der Adventszeit bleiben. © Norbert Millauer

Radebeul und Coswig: Der Glühwein wird jetzt in Flaschen gefüllt

In Radebeul und Coswig sind erst gar keine Buden aufgebaut worden. Allerdings hatten die meisten ihre Waren schon geordert. In jedem Fall bauen die Winzer mit ihrem Glühweinangebot auf die weihnachtlichen Umsätze.

Heftig treffen die Absagen hier und in Dresden das Radebeuler Stadtweingut Hoflößnitz. Geschäftsführer Jörg Hahn sagt, dass sie eigentlich an fünf Standorten mit ihren Buden vertreten gewesen wären - auf dem Striezelmarkt, auf der Hauptstraße in Dresden, auf dem Dorfanger in Kötzschenbroda und natürlich beim viertägigen Weihnachtsmarkt auf dem Weingut Hoflößnitz in Radebeul selbst. "Das bedeutet jetzt für uns eine Umsatzeinbuße in sechsstelliger Höhe", so Hahn. Hinzu komme, dass die Standgebühren in Dresden bereits bezahlt sind und etwa 20 weitere Mitarbeiter für die Weihnachtssaison verpflichtet waren. Die Weihnachtszeit mache etwa ein Fünftel des Jahresumsatzes der Hoflößnitz aus.

Allerdings wollen die Hoflößnitz-Leute gerade jetzt auch nicht den Kopf in den Sand stecken. "Wir werden unsere Lichter anschalten, auch den Märchenwald und die Sterne aufbauen. Gerade jetzt wollen wir das Signal setzen: Es geht weiter. Lichter aus, wäre das falsche Zeichen", sagt Hahn.

Ein Hauch Optimismus ist auch beim Radebeuler Winzer Friedrich Aust noch geblieben. Keine Bude auf dem Altkötzschenbrodaer Budenzauber, kein Weihnachtsmarkt auf dem eigenen Weingut, das verursache ein fünfstelliges Minus. Aust: "Wir haben ein kleines Restaurant und versuchen dort mit 2G etwas anzubieten. Glühwein wird in Flaschen gefüllt und hoffentlich gekauft." Und setzt hinzu: "Ich kritisiere nicht, dass jetzt vieles geschlossen werden muss. Aber die Entscheidung kommt viel zu spät."

Auf Schloss Wackerbarth in Radebeul sind die Verantwortlichen vorsichtig, nach dem Menschenansturm am Wochenende. Pressesprecher Martin Junge sagt, dass die über 5.000 Lichter zwar weiter angeschaltet bleiben, aber bis Mittwoch erstmal das Areal des historischen Weingutes abgesperrt bleibe. Lediglich der Zugang bis zum Markt sei mit Hygieneauflage 3G möglich. Mittwoch bis Sonntag solle auch das Gasthaus mit 2G-Zugang öffnen. Und das weihnachtliche Getränk Weiß & Heiß von Wackerbarth, welches nicht Glühwein heißen darf, weil auch Traubensaft drin ist, können die Winzer zumindest noch außerhalb von Sachsen ausschenken - sie sind mit Buden beispielsweise in Erfurt, Rostock und Berlin vertreten.

Riesa: Der Eisbahn-Aufbau am Riesaer Rathausplatz, wird vorerst gestoppt. Am Sonnabend sollte sie eigentlich geöffnet werden.
Riesa: Der Eisbahn-Aufbau am Riesaer Rathausplatz, wird vorerst gestoppt. Am Sonnabend sollte sie eigentlich geöffnet werden. © Sebastian Schultz

Riesa: Der Eisbahnaufbau ist vorerst gestoppt

In Riesa wird jetzt auch alles gestoppt. Die für die Riesaer Klosterweihnacht geplante Eisbahn war bereits zum großen Teil aufgebaut, als die Veranstaltungs-Verbote aus Dresden kamen. „Die Situation ist gerade sehr chaotisch“, sagt Betreiber Torsten Pilz. Der Inhaber einer Riesaer Veranstaltungsagentur muss den Aufbau der Riesaer Attraktion immer schon Monate vorher planen und buchen. Die angemietete Technik kommt aus Österreich. „Natürlich habe ich dort gleich angerufen – aber zum jetzigen Zeitpunkt werden die Kosten trotzdem fällig, weil es für eine Absage zu spät ist.“ Mehr als 30.000 Euro koste ihn die Installation der Eisbahn. Das ist sonst nur finanzierbar, weil große und kleine Sponsoren sich finanziell beteiligen. „Aber wie soll das dieses Jahr werden?“, fragt der Riesaer.

Es sei eine „Frechheit“ von Ministerpräsident und Sozialministerin, die Veranstalter erst so lange hängen zu lassen, um dann kurz vor knapp eine „Vollbremsung“ hinzulegen. Am Montag sollte es dazu eine Krisensitzung mit Stadtverwaltung und Weihnachtsmarkt-Betreiber geben. Die fast fertig aufgebaute Bahn soll nun erst einmal bis Freitag so stehen bleiben. „Wenn die Eisbahn als Freizeiteinrichtung gilt, darf ich sie gar nicht betreiben. Ist sie aber eine Sporteinrichtung, dürfen Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre sie nutzen“, sagt Torsten Pilz. In so einem Fall dürften also wenigstens Schulklassen – die ohnehin mehrmals pro Woche getestet werden – Runden auf der Eisbahn drehen.

Und: Gibt es eine Chance, eine Entschädigung für die Kosten zu erhalten? „Das würde ich gern Herrn Kretschmer fragen“, gibt Pilz den Ball an den Ministerpräsidenten weiter. Er selbst habe sich immer an die Regeln gehalten, sich informiert und abgestimmt. Nun gehe es um Schadensbegrenzung.

Gleichzeitig geht ein von Pilz betriebenes Corona-Testmobil wieder im Riesaer Ortsteil Weida an den Start. „Aber im Großhandel sind gerade überhaupt keine Test-Kits mehr zu erhalten“, sagt der Riesaer. „Das ist noch chaotischer als vor einem Jahr, für mich nicht nachvollziehbar.“

Die offizielle Antwort von der Stadt lautet: „Es ist bedauerlich, dass durch die Staatsregierung nun doch ganz kurzfristig die Absage erfolgte, nachdem die Weihnachtsmärkte wenige Tage vorher noch für durchführbar erklärt wurden“, so Oberbürgermeister Marco Müller. Da die städtischen FVG Riesa mbH die Verträge mit den Händlern noch nicht abgeschlossen hatte, entstehen der Gesellschaft zumindest finanziell keine Nachteile. „Wir werden aber sämtliche Möglichkeiten prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Eisbahn in den kommenden Wochen vielleicht doch noch eröffnet werden kann“, so Marco Müller.