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Radebeul: "Der verwahrloste Platz würde der Primadonna nicht gefallen"

Der Alvslebenplatz in Radebeul bekommt seinen alten Namen zu Ehren einer Sängerin zurück. Doch der Zustand will zu einer Förderin des Schönen nicht passen.

Von Silvio Kuhnert
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Kein schöner Anblick sind die verschlissene Bank und die beschmierten Kästen zu Füßen des Postaments mit den Bacchanten. Der Platz wird nach einer Förderin des Verschönerungsvereins wieder benannt.
Kein schöner Anblick sind die verschlissene Bank und die beschmierten Kästen zu Füßen des Postaments mit den Bacchanten. Der Platz wird nach einer Förderin des Verschönerungsvereins wieder benannt. © Arvid Müller

Radebeul. Der Kontrast könnte nicht größer sein: Zwei schmucke Säulen säumen die Eduard-Bilz-Straße, wo diese auf Nizza- und Maxim-Gorki-Straße in Radebeul trifft. Auf jeder steht eine Sandsteinskulptur. Sie stellen girlandenwindende Bacchanten dar. Bei Google Maps ist dieser Ort als historische Sehenswürdigkeit markiert. Auch eine Sitzgelegenheit wird erwähnt. Doch vor Ort entpuppt sich diese als eine sehr schiefe Bank, deren Holzlatten auf Sitz und Lehne schon lange keinen frischen Anstrich gesehen haben.

Bunt mit Farbe verziert sind dagegen die zwei großen Verteilerkästen gleich daneben. Was die Graffiti-Sprüher mit den Krakeln sagen wollen, bleibt rätselhaft. Ihre Schmierereien sind kein Schmuckstück, genauso wie diese großen Schränke für Telekommunikation in unmittelbarer Nähe zu den schönen Säulen. Verewigt haben sich die Schmierer auch auf der Westseite des kleinen Platzes, wo Stromkästen sowie ein roter und gelber Postbriefkasten irgendwie platziert, statt wohlgeordnet stehen.

Gefeierte Opernsängerin

Frischer Asphalt täte der Fahrbahn der Nizzastraße auch mal wieder gut. Schon mehrmals wurde die Schwarzdecke geflickt, doch neue Krater haben sich bereits nach den bisherigen Frostperioden in diesem Winter gebildet. Dass die Pflanzen auf der Mittelinsel welk sind, ist der Jahreszeit geschuldet. Doch die Borde ihrer Einfassung haben sich mit den Jahrzehnten verschoben, stehen krumm und schief. Und zu Farbeimer und Pinsel könnten auch Anwohner mal wieder greifen. Die Holzlatten an den Zaunfeldern des Eckgrundstücks Maxim-Gorki-, Eduard-Bilz-Straße hätten schon längst einen Anstrich vertragen. Oder soll die Optik so sein? Die Zaunlatten und die schiefe Bank sehen gleich grau und verwittert aus.

Schlaglöcher zieren die Fahrbahn der Straßen auf dem Platz.
Schlaglöcher zieren die Fahrbahn der Straßen auf dem Platz. © Arvid Müller

"Der verwahrloste Platz würde der Primadonna nicht gefallen. Sein jetziger Zustand wird ihr auch nicht gerecht", stellte Thomas Bürger am Dienstagabend im Radebeuler Rathaus fest. Der frühere Generaldirektor der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) sitzt als sachkundiger Einwohner im Bildungs-, Kultur- und Sozialausschuss (BKSA). Und mit ihr und Primadonna ist Henriette Melitta Otto-Alvsleben (1842 -1893) gemeint.

Platz von Baumeister Moritz Ziller gestaltet

Die Dresdner Opernsängerin war zu ihren Lebzeiten auch als Friedrichstädter Nachtigall bekannt. Als bedeutende Gesangskünstlerin an der Königlichen Hofoper in Dresden führten sie Tourneen nach England, wo sie in großen Sälen Erfolge feierte. An der heutigen Eduard-Bilz-Straße hatte Alvsleben eine Sommerwohnung. Ironie der Geschichte: Unter anderem mit Benefizkonzerten war sie eine große Förderin des Verschönerungsvereins für die Lößnitz und Umgebung. Und der seit den 1960er-Jahren namenlose Platz soll nun wieder ihren Namen tragen. So haben es die BKSA-Mitglieder bei zwei Gegenstimmen von Bürgerforum/Grüne beschlossen.

Melitta Otto-Alvsleben (1842-1893) war Opernsängerin und gab Benefizkonzerte zugunsten des Verschönerungsvereins der Lößnitz.
Melitta Otto-Alvsleben (1842-1893) war Opernsängerin und gab Benefizkonzerte zugunsten des Verschönerungsvereins der Lößnitz. © Albert H. Payne/Wikimedia

Bereits um 1900 wurde zu Ehren der Sängerin auf Betreiben des Verschönerungsvereins der Kreuzungspunkt in Alvslebenplatz getauft. Baumeiter Moritz Ziller hat das Plätzchen mit Vereinsmitgliedern gestaltet. Nach seinem Tod hat sich keiner um die Pflege gekümmert, weshalb es schon um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Beschwerden über den Missbrauch als wilde Müllkippe gab. Vielleicht fühlte sich niemand so richtig zuständig. Der Kreuzungspunkt liegt auf der Grenze der drei Gemarkungen Radebeul, Serkowitz und Oberlößnitz, die damals noch selbstständige Gemeinden waren, wie Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) auf der Ausschusssitzung informierte.

Keine Bilderstürmer am Werk

Bis 1966 trug der Alvslebenplatz diesen Namen. Doch in jenem Jahr wurde er auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung aus dem Straßenverzeichnis gestrichen. Die AfD-Stadtratsfraktion wittert hier "sozialistische Bilderstürmer" am Werk, die in einem vermeintlichen Kampf gegen "reaktionäre bürgerliche Traditionen", die Namen verdienstvoller Bürger aus dem Stadtbild strichen, wie Johannes Albert für seine Fraktion anmerkte. Zur Erinnerung an Melitta Alvsleben hatte die AfD die Initiative zur Wiederbenennung des Platzes nach ihr gestartet.

Auch am Kasten an der Westseite haben Schmierer ihre Krakel hinterlassen.
Auch am Kasten an der Westseite haben Schmierer ihre Krakel hinterlassen. © Arvid Müller

Zu den Gründen musste Stadtoberhaupt Wendsche die AfD nach einem Blick in die Ratsunterlagen aus jenem Jahr korrigieren. "Sie waren nicht politisch, sondern der Platz hatte keine Hausnummer", so der Rathauschef. Im Jahr 1966 verlor auch der Königsplatz seinen Namen, weil es keine Anlieger gab. Von der Praxis, dass Wege, Straßen und Plätze nur dann eine offizielle Bezeichnung bekommen, wenn dort Adressen vorliegen, hat sich die Stadt Radebeul mittlerweile verabschiedet. So wurde im vorigen Jahr die kleine Verbindung zwischen Moritzburger und Oberen Bergstraße in Werner-Wittig-Weg benannt. Deshalb sah das Stadtoberhaupt heute keine Gründe, die gegen eine Wiederbenennung als Alvslebenplatz sprechen.

Dies sah auch die Mehrheit der BKSA-Mitglieder so. Sie folgten auch nicht der Empfehlung Bürgers, mit der Rückbenennung bis nach einem Aufhübschen des Platzes zu warten. Vielmehr verbinden sie die Hoffnung, dass die Namensgebung ein guter Anlass zu einer Aufwertung sei. Nur die beiden Stadträte von Bürgerforum/Grüne stimmten dagegen. "Es handelt sich um einen Verkehrsknotenpunkt, der als Platz nicht sichtbar ist", sagte deren Fraktionschefin Eva Oehmichen.