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Wie eine Großfamilie ihr Glück auf einem alten Bauernhof in Radebeul fand

In Altnaundorf hat Familie Nicolaus ein Gehöft vor dem Verfall gerettet. Die Scheune ist ein Ort für Kunst und Konzerte geworden. Dort startet nun eine Premiere.

Von Silvio Kuhnert
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Kerstin und Daniel Nicolaus haben auf einer Bank mitten auf dem Hof ihres Bauernhauses am Dorfanger Altnaundorf Platz genommen. Als sie das Anwesen vor vielen Jahren gekauft haben, waren die Gebäude halbe Ruinen.
Kerstin und Daniel Nicolaus haben auf einer Bank mitten auf dem Hof ihres Bauernhauses am Dorfanger Altnaundorf Platz genommen. Als sie das Anwesen vor vielen Jahren gekauft haben, waren die Gebäude halbe Ruinen. © Norbert Millauer

Radebeul. Hühner gackern, ein Pony wiehert und Schwalben zwitschern. Am Anger von Altnaundorf stehen herausgeputzte Bauernhöfe. Einer davon gehört Familie Nicolaus. "Wir haben ihn 1998 gekauft", berichtet Daniel Nicolaus. Damals war der heute 58-Jährige mit seiner Frau Kerstin und ihren sieben Kindern in Radebeul auf der Suche nach einer neuen Bleibe.

Die kinderreiche Familie wurde aus ihrer Mietwohnung rausgeklagt und so mussten sie sich nach einem neuen Zuhause umschauen. Mit dem Gehöft Altnaundorf 6 wurden sie fündig. Wer heute das sanierte Fachwerk und die im Hof rankenden Pflanzen sieht, mag den Fotos, die an der Wand eines Seitengebäudes hängen, kaum Glauben schenken. Auf den Bildern sieht alles grau, alt und verfallen aus. "Der Bauernhof war eine halbe Ruine", berichtet Daniel Nicolaus. Der Diplomsänger packte an. Stück für Stück hat er mit seiner Frau zusammen die Gebäude saniert. Allein aus der Scheune und dem darunter befindlichen Keller haben sie Berge an Müll und Schutt geholt. Damit füllten sie etliche Container.

Ponyhof und Töpferei

Zum Bauernhaus gehören fünf Hektar Grünland. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis Familie Nicolaus die ersten Tiere anschaffte. "Die Kinder haben sich immer ein Pferd gewünscht", sagt Nicolaus und lacht: "Ich kaufte eine Ziege." Rösser kamen später doch noch dazu. 2005 gründeten Kerstin und Daniel Nicolaus einen Ponyhof, den sie bis heute betreiben. Wegen der Vierbeiner finden es seine Enkelkinder cool, zu Oma und Opa in die Ferien zu kommen.

Der Bauernhof und die Landwirtschaft waren für sie viele Jahre lang ein Hobby. Hauptberuflich sang Daniel Nicolaus bei den Landesbühnen Sachsen. Doch mit der Umwandlung des Staatsbetriebs in eine GmbH vor zehn Jahren endete nach 25 Jahren seine Sängerlaufbahn. Daniel Nicolaus musste eine neue Beschäftigung suchen. "Ich wollte schon immer das Töpfern lernen", berichtet er. Doch in den Abendstunden, wenn in Werkstätten oder an der Volkshochschule Töpferkurse stattfanden, musste er als Sänger auf der Bühne stehen. Nach seiner Tätigkeit an den Landesbühnen besuchte Daniel Nicolaus Töpferkurse und verwirklichte seinen Kindheitstraum. Heute betreibt er auf seinem Bauernhof eine Töpferei und Keramikwerkstatt.

Galerie in Scheune und Stall

Neben diesem alten Handwerk hat sich Daniel Nicolaus schon immer auch für moderne Kunst interessiert. "Als Kind war ich viel im Albertinum. Nach der Wende besuchten wir die Documenta in Kassel", erzählt er. Und da sein Haus kein verschlossener und hinter dicken Mauern versteckter, sondern ein offener Ort sein soll, beschloss er, moderne Kunst an den Dorfanger Altnaundorf zu holen. Dafür räumte er die Scheune erneut aus. Dort lagerte bis 2015 noch Heu und anderes Tierfutter. Vor sieben Jahren verwandelte er den großen Raum in eine Galerie. Diese steht für Besucher von Mai bis Oktober immer sonntags 14 bis 18 Uhr offen. Zurzeit sind dort Arbeiten von Daniel Kallauch und Simone Ramshorn zu sehen.

Wo einst Heu und anderes Tierfutter lagerte, zeigt Familie Nicolaus seit 2015 in der Kunstscheune moderne Malerei.
Wo einst Heu und anderes Tierfutter lagerte, zeigt Familie Nicolaus seit 2015 in der Kunstscheune moderne Malerei. © Norbert Millauer

Auch den ehemaligen Stall im Haupthaus hat Familie Nicolaus zu einem Ort der Kunst gemacht. Dort geben sie vor allem jungen Künstlern aus der Region die Gelegenheit auszustellen. Derzeit zeigt dort der Meißner Künstler Hans-Joachim Gruner Portraits.

In ihrer Kunstscheune gibt es nicht nur etwas für die Augen. Auch für die Ohren bietet Familie Nicolaus ihren Gästen was. Durch seine Zeit an den Landesbühnen Sachsen hat Daniel Nicolaus viele Musiker kennengelernt und diese holt er nun zu Konzerten mit Kammermusik oder Jazz nach Altnaundorf. Auch Lesungen, Theateraufführungen, Filmvorstellungen und Hoffeste finden an diesem Veranstaltungsort statt. Dabei wird nicht nur die Kunstscheune, sondern ab und zu auch der Anger mit Dorfteich und den Gärten ringsum zur Bühne. So singt Daniel Nicolaus im Meißner Domchor. Und mit diesem gab er jüngst mitten im Radebeuler Stadtteil ein Konzert. "Alle unsere Veranstaltungen sind nicht kommerziell angelegt, die meisten ohne Eintritt und von Sponsoren unterstützt, meist sind wir das selbst, die das Defizit ausgleichen", informiert Familie Nicolaus.

Erstmals ein Pleinair auf dem Dorfanger

Auf den Anger Altnaundorf holen sie nun auch moderne Kunst. "Ganz neu und zum ersten Mal bei uns wird es diesen Sommer eine Kunst-Werk-Woche geben, wo zehn Künstler im Hof Altnaundorf 6 und auf dem ganzen Dorfanger wohnen und arbeiten werden", berichtet das Ehepaar. An diesem Sonntag werden die Künstler bei ihnen eintreffen, am Montag legen diese dann mit ihrer Arbeit los.

Die beiden Hauptorganisatoren dieses einwöchigen Pleinairs sind die derzeit in der Kunstscheune ausstellenden Künstler Simone Ramshorn aus Velbert und Daniel Kallauch aus Hattingen. Auf dem Hof sowie den gesamten Anger werden sich die Künstler ausbreiten und malen, zeichnen sowie Stein und Holz bearbeiten. Am Donnerstag, 4. August 2022, besteht nachmittags zwischen 16 und 18 Uhr die Möglichkeit, den Künstlern über die Schulter zu schauen. Die in der Kunst-Werk-Woche entstandenen Werke können am 6. August 2022 in der Zeit von 14 bis 18 Uhr besichtigt, gekauft oder ersteigert werden.

www.altnaundorf.de