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Warum Kunstschmied Aust mehrere Eisen im Feuer hat

Philipp Aust ist der älteste Sohn der Radebeuler Familie Aust aus der Oberlößnitz. Statt Wein macht er schöne Sachen aus Metall und Eisen.

Von Silvio Kuhnert
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Auf 1.250 Grad Celsius muss Philipp Aust die Eisenstange erhitzen, um sie mit Hammerschlägen biegen zu können.
Auf 1.250 Grad Celsius muss Philipp Aust die Eisenstange erhitzen, um sie mit Hammerschlägen biegen zu können. © Arvid Müller

Radebeul. Ob Laternen für Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung, oder Landschloss Zuschendorf, individuelle Tore mit kunstvollen Verzierungen sowie Geländer und Zäune - Kunstschmied Philipp Aust hat schon viele Spuren hinterlassen, so in seiner Heimatstadt oder dem Barockschloss in Brandenburg. "Es ist ein witziges Gefühl, wenn man seine Arbeit im Fernsehen sieht", sagt der 49-Jährige.

Gemeint sind die kelchförmigen Laternen in Meseberg. Sie stehen links und rechts der Brüstung des südlichen Eingangs, wo Mitglieder der Bundesregierung zu Kabinettsklausuren oder Staatsgäste für Bilder posieren. Er selbst macht kein großes Aufheben um sich selbst. Philipp Aust hat nicht einmal eine Homepage, wo er für sich und seine Handwerkskunst wirbt. "Ich kann mir eine Internetseite sparen. Kunden kommen über Buschfunk zu mir. Ich bin mit Aufträgen immer gut ausgelastet", sagt der älteste Spross aus der Familie Aust. Sein Bruder ist Winzer Karl Friedrich Aust, seine Schwester die Künstlerin Friederike Curling-Aust.

Nur wenig Zeit zum Hämmern

Seine Werkstatt liegt fast schon versteckt im Radebeuler Westen. In einem bescheidenen Bau an der Flemmingstraße zwischen Meißner Straße und Bahndamm lodert das Schmiedefeuer. Zwischen Kohlen und Flammen glüht ein Metallstab. Philipp Aust nimmt diesen heraus, legt das orangefarben glimmende Ende auf den Amboss und bearbeitet dieses mit dem Hammer. Nach ein paar Schlägen kommt der Stab wieder zurück ins Feuer.

Kunstschmied Philipp Aust bearbeitet in seiner Werkstatt das glühende Ende eines Handgriffs. Das Eisen biegt er zu einer Schnecke.
Kunstschmied Philipp Aust bearbeitet in seiner Werkstatt das glühende Ende eines Handgriffs. Das Eisen biegt er zu einer Schnecke. © Arvid Müller

"1.250 Grad Celsius ist das Zeug heiß, wenn ich es heraushole", erklärt Philipp Aust. Bis es sich auf 950 Grad Celsius abgekühlt hat, kann er das Eisen bearbeiten. Je nach Dicke bleibt dafür eine halbe Minute Zeit. Dann muss das Metall wieder erhitzt werden. Mit nur einem Teil kommt man bei seinem Tagwerk nicht weit. "Daher kommt das Sprichwort, mehrere Eisen im Feuer haben", sagt Philipp Aust. Denn es glühen mindestens drei Werkstücke. So kann er das heißeste schmieden. Die anderen muss er dabei im Auge behalten, "damit sie nicht verbrennen", erklärt Philipp Aust.

Vom Vater einen Amboss bekommen

An diesem Vormittag biegt er das Ende eines Handlaufs. Das Vorbild liegt in der Nähe und kommt aus der Natur - ein Schneckenhaus. Die Spiralwindungen entsprechen dem goldenen Schnitt und diesen möchte er auch in den Geländerhandgriff mit jedem Hammerschlag bringen. "Ich gestalte die Umwelt, in der ich lebe", sagt Philipp Aust über sein Handwerk. Und er gibt einer einfachen Eisenstange oder Blechplatte eine Form, die beispielsweise einem Kelchblatt für eine Torverzierung oder einem stilisierten Efeuzweig gleicht. Das Biegen und Kneten von Eisen zu floralen Formen erlebte besonders in der Renaissance-, Barock- und Rokokozeit seine Blüte und ihren Höhepunkt. Neben dem Entwerfen und Gestalten neuer Dinge gehört das Restaurieren alter Arbeiten sowie das Nachbilden historischer Sachen zu seinem Portfolio.

Das erste Mal in Berührung mit dem alten Handwerk des Kunstschmieds ist Philipp Aust Ende der 1980er-Jahre durch mehrere Praktika in der Werkstatt von Wolfram Ehnert in Dresden-Bühlau gekommen. "1988 brachte mein Vater einen alten Amboss und Hammer aus der Dresdner Schlossruine mit. Das wird später mal dein Arbeitswerkzeug sein, sagte er", erinnert sich Philipp Aust. Das war 1988 und er gerade 14 Jahre alt. Sein Vater Ulrich Aust (1942-1992) war Architekt und Denkmalpfleger, Zwingerbaumeister und arbeitete am Wiederaufbau des Dresdner Stadtschlosses.

Bei Meister Ehnert gelernt

Nach der Wende zog es Philipp Aust zunächst hinaus in die weite Welt. Er verbrachte ein Jahr als Austauschschüler in den USA. 1993 machte er Abitur an der Kreuzschule in Dresden und Zivildienst. "Danach habe ich mit einem Fotografikstudium in Leipzig geliebäugelt", berichtet Philipp Aust. Doch dann erinnerte er sich an die Zeit bei Wolfram Ehnert, und ging bei ihm in die Lehre. Die dreieinhalb Jahre Ausbildungszeit haben Philipp Aust sehr geprägt. "Zum einen, die Arbeit in einem handwerklichen Kollektiv, anderseits die Kunst, eine Idee in eine Form und Funktion zu bringen", führt er aus.

Meister Ehnert ist für ihn ein Vorbild. "Er ist ein wunderbarer Gestalter. Er entwickelt tolle Ideen aus der Natur und setzt sie mit Metall um", sagt Philipp Aust, der sich für einen Auftrag - ob Tor, Geländer, Zaun oder Laterne - von der Umgebung und dem Umfeld inspirieren lässt, seine Vorstellung auf Papier festhält und dem Kunden vorschlägt. "Was ich zeichne, kann ich auch bauen", sagt Philipp Aust. Als Geselle war er unter anderem für Prinz zur Lippe tätig und erledigte etliche Schmiedearbeiten auf Schloss Proschwitz und dem Gutshof Zadel. Während dieser Zeit machte er seinen Meister in Metallbau in Großenhain. Zudem besuchte er eine renommierte Schmiedeschule in Göppingen. Seit 2001 ist Philipp Aust selbstständig. Seine erste Schmiede hatte er im Meinholdschen Turmhaus im Weingut Aust. Doch aus Platzgründen zog er später an seinen jetzigen Standort an der Flemmingstraße.

Radebeul ist heute sein Arbeitsort. Sein Haus steht in Pirna-Birkwitz an der Elbe. Aus einem alten fast verfallenen Fischerhaus hat er eine Perle gemacht, "mit Blick aufs Wasser", so Philipp Aust. Von der Aussicht zieht er Ideen und Inspiration. Diese holt er sich auch auf Kunstausstellungen. Diese besucht er mit seiner Lebensgefährtin Henriette Grahnert, eine bekannte Malerin der Leipziger Schule. "So komme ich aus der schmutzigen Arbeits- in die Kunstwelt", sagt der Vater eines Sohnes und einer Tochter schmunzelnd. Philipp Aust versteht sich als Kunstschmied, der als Gestalter, die Welt mit schönen Sachen bereichern will. Und er liebt sein Handwerk: "Ich mache etwas mit den Händen. Das ist eine sehr gesunde Verwirklichung im Leben."