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Radebeuls Einwohnerzahl schrumpft trotz hohen Zuzugs

Das Stadtoberhaupt begrüßte mit einem Empfang Neu-Radebeuler. Sie sind 2021 in die Stadt gezogen. Dennoch wächst die Stadt nicht mehr.

Von Silvio Kuhnert
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Oberbürgermeister Bert Wendsche (r.) sprach auf dem Neubürgerempfang mit dem Ehepaar Fabian und Jannina Wilbers und ihrer Tochter Lenja. Die Familie ist 2021 von Dresden nach Radebeul gezogen.
Oberbürgermeister Bert Wendsche (r.) sprach auf dem Neubürgerempfang mit dem Ehepaar Fabian und Jannina Wilbers und ihrer Tochter Lenja. Die Familie ist 2021 von Dresden nach Radebeul gezogen. © Norbert Millauer

Radebeul. "Es ist toll, dass Sie sich für unsere Stadt entschieden haben." Mit diesen Worten begrüßte Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) am Dienstagabend Neu-Radebeuler, die im zweiten Halbjahr 2021 in die Lößnitzstadt gezogen sind. Zum zweiten Mal hatte das Stadtoberhaupt zu einem Empfang der Neubürger geladen. Im Foyer der Landesbühnen konnten sie den Rathauschef, Mitarbeiter seiner Verwaltung aber auch Vereine, Initiativen und die kulturellen Angebote kennenlernen.

Im vorigen Jahr haben sich insgesamt 1.696 Menschen für ein Leben in Radebeul entschieden. Gegenüber dem Vorjahr ist der Zuzug um 191 und im Vergleich zu 2019 sogar um 276 Personen gestiegen. Vor allem in den Jahrgängen 25 bis 45 ist ein stabiler hoher Zuwachs zu verzeichnen. Das sind vor allem junge Familien, die mit ihren Kindern hierherkommen. "Der weitgehend stabile Zuwachs ist unsere Zukunfts- und Wohlstandsversicherung", sagte Wendsche im jüngsten Bildungs-, Kultur- und Sozialausschuss. Denn durch den Zuzug von Müttern und Vätern im arbeitsfähigen Alter mit ihren Kindern schrumpft die Einwohnerzahl langsamer.

Nur noch 241 Geburten im Jahr

Trotz des anhaltenden Baubooms in Radebeul ist es kaum zu glauben: Die Einwohnerzahl wird nicht größer. Im Gegenteil: Sie nimmt ab. War die Anzahl der Radebeuler in den Jahren bis Ende 2018 kontinuierlich bis auf 34.304 gestiegen, ist sie seither um 291 auf 34.013 geschrumpft. Allein von Ende 2020 bis Ende 2021 betrug der Rückgang 137 Personen. Aktuell liegt der Altersdurchschnitt der gesamten Einwohnerschaft bei 47,41 Jahren, im Vorjahr 47,14.

OB Wendsche kam in seinem Demografiebericht zum Fazit: "Der Bevölkerungszuwachs kommt zum Erliegen." Das hat mehrere Gründe. Im Schnitt gehen der Lößnitzstadt pro Jahr 1.500 Einwohner durch Wegzug verloren. Außerdem sinkt die Zahl der Geburten. Im vergangenen Jahr erblickten "nur" 241 kleine Radebeuler das Licht der Welt. Das sind 22 Neugeborene weniger gegenüber dem Vorjahr. Bereits in den beiden Jahren 2020 und 2019 war die Geburtenzahl auf 263 beziehungsweise 261 zurückgegangen. Zuvor gab es in der Stadt um die 300, in Spitzenjahren sogar 320 Babys jährlich. "Das liegt nicht daran, dass die Radebeuler keine Kinder bekommen. Sondern die Mütter fehlen", sagte Wendsche.

Weniger Mütter durch Nachwendeknick

In Radebeuls Alterspyramide macht sich der sogenannte Nachwendeknick bemerkbar. Als Anfang der 1990er-Jahre Betriebe schlossen, die Arbeitslosigkeit ungewohnte Rekordwerte erreichte und die Menschen sich um die Zukunft sorgten, blieben Geburten aus. Es kamen weniger Jungen und Mädchen zur Welt als nach dem Zweiten Weltkrieg. Zum Vergleich: Der niedrigste Geburtenstand der vergangenen 100 Jahre wurde im Jahr 1993 mit 154 Neugeborenen (62 Mädchen/92 Jungen) verzeichnet. Im geburtenschwächsten Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg gab es 1946 in Radebeul 234 Entbindungen.

Die 1990er-Jahrgänge sind nun in dem Alter, eine Familie zu gründen. Allerdings geht die Anzahl potenzieller Mütter in den nächsten Jahren weiter zurück. Gab es im Jahr 2009 noch 3.927 Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahre in der Stadt, wird ihre Zahl nach aktueller Prognose in sieben Jahren nur noch 2.893 betragen. "Das ist eine Reduzierung um mehr als ein Viertel", berichtete Wendsche.

Abbau von Kita-Plätzen

Das hat Folgen für die Krippen- und Kindergartenlandschaft. Mit 1.778 belegten Plätzen war im Jahr 2014 der Höhepunkt beim Betreuungsbedarf erreicht. Seitdem reduziert sich die Nachfrage. "Innerhalb von sieben Jahren gibt es eine um 222 Plätze geringere Belegung in Krippe und Kindergarten beziehungsweise eine Reduzierung des Bedarfs um mehr als zwölf Prozent", so Wendsche. Im Dezember 2021 gab es 1.556 Mädchen und Jungen in den Kitas. Elmar Günther, Leiter des Amts für Bildung, Jugend und Soziales, ergänzte: "Mit diesem starken Rückgang haben wir nicht gerechnet. Wir müssen Kapazitäten abbauen." Gespräche mit den Leitern der eigenen Einrichtungen sowie der freien Träger laufen.

Einen zweiten großen Aderlass an Einwohnern hat Radebeul bei den Schulabgängern. Rund 60 Prozent eines Jahrgangs machen Abitur, was eine sehr hohe Quote ist. Mit dem Reifezeugnis in der Tasche nehmen sie ein Studium oder eine Ausbildung auf, und das meistens nicht in der Stadt oder Dresden. So sank die Anzahl der 18- bis 25-Jährigen 2021 um 17,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. "Durch Zuzug hatten wir bis ins dritte Quartal 2021 eine positive Bevölkerungsentwicklung. Erst im 4. Quartal mit Beginn des Studiums sind wir ins Minus gerutscht", berichtete Wendsche.

Zuzug junger Familien sichern

Auf der anderen Seite profitiert Radebeul aber auch von der Nähe zur Universitätsstadt Dresden. "Der Freistaat stellt mehr Studienplätze zur Verfügung, als von Sachsen besetzt werden", informierte Wendsche. Dadurch kommen viele junge Menschen. Von ihnen bleiben etliche hier, weil sie nach dem Studium einen Job in der Umgebung finden. "Später ziehen sie in ländliche Regionen", so Wendsche.

So hat es beispielsweise Familie Wilbers gemacht. "Wir stammen ursprünglich aus Aachen, lebten dann zehn Jahre in Dresden", erzählte das Ehepaar Fabian und Jannina. Mit Tochter Lenja besuchten sie den Neubürgerempfang. Aus beruflichen Gründen sind sie im vorigen Jahr nach Radebeul gezogen. Sie ist Grundschullehrerin, er arbeitet bei Globalfoundries im Dresdner Norden. Zudem verwirklichen sie in der Lößnitzstadt ihren Traum von den eigenen vier Wänden. "Wir haben uns ein Einfamilienhaus gekauft. Hier lässt es sich schön wohnen", sagt Jannina Wilbers.

"Es muss uns gelingen, diesen Zuzug junger Familien zu sichern", sagte Wendsche. Daher hat er im vorigen Jahr bereits eine Umfrage gemacht, was Neu-Radebeuler gut und sehr gut finden und was sie in der Stadt vermissen oder wo sie Änderungswünsche haben. OB Wendsche kündigte auf dem Neubürgerempfang an, dass er diese Befragung in zwei oder drei Jahren auch unter den Zuzüglern aus dem Jahr 2021 durchführt. "Wir wollen wissen, ob sich ihre Erwartungen erfüllt haben und in welchen Bereichen wir uns verbessern können", so das Stadtoberhaupt.