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Eine Radebeulerin mit Faible für Porzellan im DDR-Design

"In meinem Blut fließt Porzellan", sagt Designwissenschaftlerin Claudia Zachow aus Radebeul. Sie hat nicht nur in Meißen gelernt, sondern verhilft DDR-Designern wieder zu einem Namen - wie Peter Smalun.

Von Silvio Kuhnert
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Claudia Zachow aus Radebeul hat zum DDR-Designer Peter Smalun geforscht und eine Ausstellung gestaltet. Sie bestückt ein Regal mit seinen Porzellanen.
Claudia Zachow aus Radebeul hat zum DDR-Designer Peter Smalun geforscht und eine Ausstellung gestaltet. Sie bestückt ein Regal mit seinen Porzellanen. © Martin Schutt, dpa

Radebeul. Ob Vasen oder Geschirrservice - Porzellane im DDR-Design haben es Claudia Zachow angetan. Als zeitlos bezeichnet die Radebeulerin die Formen, die in den Jahren von 1949 bis 1990 zwischen Ostsee und Erzgebirge beziehungsweise Thüringer Wald entstanden sind. "DDR-Design ist sehr nutzerfreundlich", sagt die 49-Jährige. Auch sind die Gegenstände sehr langlebig. Besonders Objekte ohne Dekor gehören zu ihren Lieblingen.

Zu DDR-Zeiten mussten die Gestalter auf die Ressourcen schauen. "In einem politischen System mit Knappheit dachten die Designer anders als im Kapitalismus", sagt die Designwissenschaftlerin mit Dresdner Wurzeln. Im letztgenannten Wirtschaftssystem spielt der Begriff "Obsoleszenz" eine Rolle. Nach einer gewissen Zeit müssen ein Gerät oder ein Gegenstand kaputtgehen, da die Betriebe vom Verkauf von Produkten mit einer begrenzten Haltbarkeit leben. In der DDR war dagegen Langlebigkeit eine Vorgabe - mindestens 25 Jahre sollte ein Produkt halten, um Rohstoffe zu sparen. Diesen Punkt empfindet Zachow unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit wieder sehr aktuell.

Selbst ein Kind der DDR

Auch Qualität spielte bei der Entwicklung beispielsweise einer neuen Kannen- oder Tassenform eine wichtige Rolle. Bevor es das Endprodukt zu kaufen gab, durchliefen die Entwürfe mehrere Stationen. Die Gestalter trafen sich mehrmals in internen Runden, um ihre Ideen zu besprechen. Externer Sachverstand kam hinzu, um Gebrauch, Funktionalität und Produktionsabläufe zu erörtern, bis das Modell feststand und die Grundlage für eine Serie bildete. "Diese Abläufe finde ich noch heute sinnvoll", sagt Zachow.

Sie ist selbst ein Kind der DDR. In Dresden geboren und aufgewachsen hat sie ihre Liebe zu Ton und Kaolin im Pionierpalast entdeckt. Dort gab es eine AG Keramik. "Ich war zehn Jahre alt, als ich aufgenommen wurde", berichtet sie. Ein Eignungstest war zu bestehen. In Kindheit und Jugend hat sie viele Hobbys und Sportarten ausprobiert. "Bei der Keramik bin ich geblieben", sagt Zachow und hat Durchhaltevermögen in der Pionier-AG bewiesen. Von der vierten bis zehnten Klasse war sie dort. Später hat sie einen Lehrplatz an der Porzellan-Manufaktur in Meißen bekommen. "Das war nicht so einfach. Es gab einen dreitägigen Eignungstest. Ich war eine der Ausgewählten", erinnert sich Zachow.

Junge Wissenschaft

Mit dem Fall der Mauer kam auch in ihr Berufsleben Veränderung. "Ich habe das Abitur nachgeholt und an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein Keramik- und Glasdesign studiert", berichte Zachow. Das war von 1996 bis 2003. Später machte sie an der Hochschule noch einen Master in Designwissenschaften. Hierbei handelt es sich um eine junge Wissenschaft. "Mit Beginn der Industrialisierung hat sich ein neues Berufsbild entwickelt. Architekten und Künstler wurden gebeten, Industrieprodukte zu gestalten. Diese sollten nicht nur schön sein", sagt Zachow. Sondern auch die Produktionsabläufe, der Materialverbrauch und die benötigte Arbeitskraft spielten beim Gestalten eine Rolle.

"In ein Design fließen viele Gedanken ein. Es gibt technologische und ökonomische Aspekte", sagt Zachow, die der Geschichte und den Prozessen von Designs auf den Grund gehen möchte. "Es gibt viele interessante Dokumente", sagt sie, die selbst als Designerin gearbeitet hat und in ihrem Metier Vorträge hielt und Kurse gab, unter anderem an der Kunsthochschule in Halle oder als Gastprofessorin in Berlin. Während der Corona-Krise suchte und fand sie eine Festanstellung in der Nähe von Radebeul. Zuvor hatte sie nur zeitlich befristete Verträge.

DDR-Designer einen Namen geben

"In meinem Blut fließt Porzellan", fährt sie fort, und das nicht nur seit der Zeit in Meißen. Sechs Jahre lang kuratierte Zachow Ausstellungen im Porzellanikon, dem Porzellanmuseum in Oberfranken. Dorthin pendelte sie immer von Radebeul aus, wo sie seit 2012 lebt. In ihrem Heim in der Lößnitzstadt versucht sie, keine Sammlerin von Porzellanen zu werden. "Eine paar Dinge habe ich", gesteht sie. Sie füllen drei Vitrinen. Darunter sind zehn bis 15 Service sowie viele Vasen.

In ihrer Freizeit bleibt sie ihrer Wissenschaft treu, forscht zum Schwerpunkt Porzellanfertigung in der DDR und ihrer Gestalter. Da diese in einem Kollektiv gearbeitet haben, sind ihre Namen oft unbekannt. Diese wieder zu heben, hat sich Zachow unter anderem zur Aufgabe gemacht.

Ein Pionier des DDR-Designs ist der Designer Peter Smalun (1939-2023). Seine Arbeit steht exemplarisch für den Beruf des Industrieformgestalters in der DDR. Smalun hat für Weimar Porzellan und andere Thüringer Betriebe herausragende Service und Zierformen entworfen. Viele seiner Entwürfe sind bis heute im visuellen Gedächtnis der Ostdeutschen verankert.

Seit Juni des vergangenen Jahres arbeiteten die Fotografin Susanne Katzenberg aus Hamburg und Designwissenschaftlerin Zachow an der Aufarbeitung des Lebenswerks von Smalun. Für das Projekt recherchierten sie historische Fotografien und erstellten ein Werksverzeichnis. Überdies haben sie mit Smalun kurz vor seinem Tod im vergangenen August zahlreiche Gespräche geführt. Das Ergebnis ist eine Ausstellung über das Leben und Wirken von Smalun im Porzellanmuseum Leuchtenburg in Seitenroda bei Jena bis zum 25. August dieses Jahres zu sehen. (mit epd)