Wie Wackerbarth gegen Dürre im Weinberg kämpft

Radebeul. Schloss Wackerbarth hat die diesjährige Weinlese eingeläutet. Zwei Wochen früher als im vergangenen Jahr haben die Winzer am Donnerstag die ersten Trauben der frühreifen Rebsorte Solaris in der barocken Anlage des Staatsweinguts in Radebeul gelesen. "Das Weinjahr 2022 erinnert an die Jahre 2003, 2018 und 2019, die uns ebenfalls mit einer lang anhaltenden Trockenheit und Hitze im Frühjahr und Sommer vor Herausforderungen gestellt haben, später dafür jedoch mit Spitzenrotweinen belohnten", sagte Weinbauleiter Till Neumeister.
Im Gegensatz zu den Vorjahren gab es keine Spätfröste. Gegenüber dem feuchten Jahr 2021 haben die Weinbauern dieses Mal auch nicht mit Pilzkrankheiten wie Mehltau zu kämpfen. Das sei ein Vorteil des warmen und trockenen Wetters, berichtet Neumeister. Jedoch bereitet die anhaltende Trockenheit auch Probleme.
Bis Ende Juli nur 160 Millimeter Niederschlag in diesem Jahr
Wie die Dürre das Elbtal in diesem Jahr im Griff hat, veranschaulichen die Daten der Wetterstation im Weinberg am Schloss Wackerbarth. Bislang arbeiteten Winzer immer mit den Wetteraufzeichnungen aus Klotzsche. Auch wenn zwischen der Barockanlage und dem Dresdner Flughafen laut Routenplaner nur rund 14 Straßenkilometer und 19 Minuten Fahrzeit liegen, gibt es Unterschiede bei Temperaturen und Niederschlagsmengen. So betrug die Durchschnittstemperatur in den ersten sieben Monaten dieses Jahres im Norden Dresdens 10,8 Grad Celsius. In Radebeul lag sie von Anfang Januar bis Ende Juli 2022 bei 11,3 Grad Celsius. Das langjährige Mittel ist für diesen Zeitraum 8,5 Grad Celsius. Im Vergleich dazu war es 2022 bislang "jeden Monat im Schnitt 2,8 Grad Celsius wärmer", informiert Wackerbarth-Sprecher Martin Junge.
An Regen ist in Klotzsche die ersten sieben Monate 220 Millimeter gefallen. In Radebeul nur 160 Millimeter. Dass es dieses Jahr deutlich zu trocken ist, zeigt der Vergleich mit dem langjährigen Mittelwert. Danach sind von Januar bis Ende Juli in der Region 385 Millimeter Niederschlag üblich. Das bedeutet, in Radebeul-West gab es nur 41 Prozent an Regenwasser gegenüber dem langjährigen Mittel.
Besonders der Monat Juli ist eindeutig zu trocken. An der Wetterstation von Wackerbarth wurden nur 8,6 Millimeter Regenwasser gemessen. Normal wären für einen Juli im Schnitt 70 Millimeter. Die Durchschnittstemperatur betrug 20,5 Grad Celsius, normal wären 18 Grad Celsius. Auf die Hitze und Trockenheit mussten die Winzer von Wackerbarth reagieren, indem sie seit Juli einen Teil ihrer Anlagen bewässerten. "Die Bewässerung kann die Natur und den Niederschlag nicht ersetzen", erläutert Neumeister. Durch die Wasserzugabe werden die Trauben nicht größer.
Vier verschiedene Bewässerungssysteme
Sondern das ressourcenschonende Wässern hat zum Ziel, die Reben aktiv zu halten, damit sie mit dem Dürrestress zurechtkommen und die aktuellen Extreme meistern können. Ob und wo bewässert wird, hängt unter anderem vom Boden, dem Alter und dem Standort ab. So kann der lehmhaltige Lössboden in Diesbar-Seußlitz Wasser besser speichern, als die Erde in den Radebeuler Steil- und Terrassenlagen. Die Wurzeln von zwei- bis vierjährigen Weinstöcken reichen nicht so tief in den Boden. Daher benötigen diese eher Unterstützung mit Wasser als ältere Reben. In den Steil- und Terrassenlagen heizen sich die Trockenmauern besonders auf, was so zu höheren Temperaturen als im Flachland führt. Zudem hat der Zustand der Pflanzen zwischen den Rebzeilen Auswirkungen auf die Wärmeintensität im Weinberg. Wie in vielen Privatgärten sind die Gräser und Kräuter auch in den Weinbergen nicht mehr grün. Die Wärmestrahlung zwischen grünem und nicht grünem Boden macht laut Neumeister zehn bis 15 Grad Celsius Unterschied aus.
Je nach Standort kommen vier verschiedene Bewässerungssysteme zum Einsatz. In Diesbar-Seußlitz setzen die Weinbauern von Wackerbarth Wasserlanzen ein. Hierbei reicht ein Metallstab hinunter an die Wurzel und dieser ist an einen Schlauch angeschlossen. In den Steillagen am Wackerbarthberg wird Tröpfchenbewässerung angewandt. Überkronenbewässerung setzen die Winzer im Goldenen Wagen ein. Das Wasser von oben soll dort unter anderem auch der Kühlung dienen. In den Weinböhlaer Junganlagen ließen die Winzer dagegen unterirdische Rohre für eine sogenannte Unterflurbewässerung verlegen. Das Wasser kommt aus Trinkwasserleitungen oder Brunnen. Letztere seien aktuell noch gut gefüllt, so Junge.
Geringere Erntemenge erwartet
Neben der Bewässerung können die Winzer auch mit der Arbeit in der Laubwand die Reben bei der Bewältigung von Hitze und Trockenheit unterstützen. Damit die über 300.000 Weinstöcke auf den vom Staatsweingut bewirtschafteten 90 Hektar nicht so viel Flüssigkeit über die Blätter abgeben, werden diese entfernt. Das Ausdünnen der Laubwand kann auch gegen Sonnenbrand helfen. Dies klingt zunächst wie ein Widerspruch. Doch wenn das Entblättern kurz nach der Weinblüte erfolgt, werden die Beeren provoziert, eine dickere Beerenhaut zu entwickeln. Hinzu kommt eine individuell angepasste Bearbeitung des Bodens. "Wenn es viel regnet, lassen wir ihn zu. Wenn es wenig regnet, öffnen wir ihn und machen die Erde locker", informiert Neumeister.
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Der 37 Jahre alte Weinbauleiter resümiert: "Dank dieser Maßnahmen sind unsere Reben gut durch das bisherige Weinjahr gekommen. Die Trauben sind gesund und präsentieren sich in einem guten Zustand." Zu Aussagen über Qualität und Quantität sei es noch zu früh. „Die kommenden
Wochen sind entscheidend für die Erntemenge und den Geschmack der Trauben. Wir
hoffen, dass die Natur den sächsischen Winzern gewogen ist und sie mit
ausreichend Niederschlägen zu den benötigten
Zeitpunkten sowie anschließend mit einem goldenen Herbst belohnt“, so Neumeister.
Der Weinbauverband Sachsen geht laut seinem Vorsitzenden Felix Hößelbarth in diesem Jahr von zehn bis 20 Prozent weniger Ertrag im Vergleich zum Vorjahr aus. "Wir werden nicht 2,5 Millionen Liter haben, sondern eher zwei oder 2,2 Millionen Liter", so Hößelbarth. Mit rund 500 Hektar
Rebfläche einschließlich kleiner Flächen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt
zählt Sachsen zu den kleinsten der 13 deutschen Weinanbaugebiete. (mit dpa)