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Radebeul verlegt weitere Stolpersteine

Im Jahr 2005 hat die Lößnitzstadt die ersten Stolpersteine zur Erinnerung an verfolgte und ermordete jüdische Mitbürger verlegen lassen. Nach langer Pause kommen jetzt weitere hinzu.

Von Silvio Kuhnert
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Seit 2005 mahnen Stolpersteine an das Schicksal der jüdischen Familie Freund vor dem Wohnhaus Moritzburger Straße 1 in Radebeul.
Seit 2005 mahnen Stolpersteine an das Schicksal der jüdischen Familie Freund vor dem Wohnhaus Moritzburger Straße 1 in Radebeul. © Arvid Müller

Radebeul. Fünf weitere Stolpersteine sollen in Radebeul an frühere jüdische Mitbürger erinnern. Unter ihnen sind Felix Wach (1871-1943) und seine Ehefrau Katharina, Mädchenname von Mendelsohn-Bartholdy (1876-1956). Beide waren eigentlich evangelisch-lutherisch getauft. Doch in der Rassenideologie der Nationalsozialisten galten sie dennoch nicht als Christen. Er wurde als "jüdischer Mischling 2. Grades", sie als "Jüdin" verfolgt.

Beim Namen Wach kommt Radebeulern und ihren Gästen sicher gleich die gleichnamige Villa, die heutige Geschäftsstelle der Kinderarche Sachsen, am Augustusweg in den Sinn. Das Gebäude ist auch nach der Familie benannt. 1912 erwarb der Pirnaer Amtshauptmann und Geheimrat Felix Wach das Grundstück. Bereits im Jahr der Machtergreifung durch die Nazis musste er im August 1933 als "Nichtarier" aus dem Staatsdienst ausscheiden. 1938 wurde die Familie enteignet, musste aus ihrem Haus ausziehen und lebte fortan in Dresden. Dort verstarb Felix Wach am 21. August 1943.

"Katharina Wach wurde am 11. Januar 1944 nach Theresienstadt deportiert. Sie konnte aber von schwedischen Verwandten 'ausgekauft' werden", wie Ingrid Lewek und Wolfgang Tarnowski in ihrem Buch "Juden in Radebeul 1933-1945" berichten. Danach lebte sie bis zu ihrem Tod in der Schweiz.

Mach Theresienstadt deportiert

Die drei anderen Stolpersteine werden zur Erinnerung an Familie Schaye verlegt. Mutter Ida, geborene Langstein (1871-1942) wohnte in der Goldenen Weintraube, den heutigen Landesbühnen Sachsen. 1940 musste sie zwangsweise in ein sogenanntes "Judenhaus" umziehen, das in Dresden eingerichtet wurde. Am 8. September 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 24. Dezember 1942 ihr Leben verlor.

Ihr Sohn Wilhelm (1891-1974) wurde nach der Reichspogromnacht am 12. November 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert, wo er bis 1. Dezember 1938 gefangen war. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges (19939-1945) musste er Zwangsarbeit in Rüstungswerken leisten. 1944 wurde er mit seiner Frau gezwungen, nach Dresden zu ziehen. Dort wurden sie am 13. Februar ausgebombt. Der Bombenangriff hat ihm das Leben gerettet. Denn ohne diesen wäre er ein paar Tage später abtransportiert worden. Seine Ehefrau Gertrud, geborene Benedict (1894-1966), galt als "jüdisch versippt". Während der Nazi-Zeit wurde die Cellistin entrechtet und gedemütigt. So wurde sie 1937 aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen.

Neue Stolpersteine an drei Orten

Im Jahr 2005 wurden die ersten Stolpersteine vor dem Wohnhaus Moritzburger Straße 1 verlegt, wo Familie Freund lebte. Auf Initiative der Radebeuler Arbeitsgemeinschaft Geschichte soll mit weiteren Mahnmalen jüdischer und von den Nationalsozialisten verfolgter Bewohner gedacht werden. Der Bildungs-, Kultur- und Sozialausschuss gab dafür nun grünes Licht. Für Wilhelm und Gertrud Schaye werden Steine vor ihrem einstigen Wohnhaus Augustusweg 1 verlegt. An Ida Schaye soll ein Stolperstein vor den Landesbühnen erinnern.

Vor den Landesbühnen wird ein Stein für Ida Schaye verlegt.
Vor den Landesbühnen wird ein Stein für Ida Schaye verlegt. © Norbert Millauer
An Wilhelm und Gertrud Schaye wird an ihrem einstigen Wohnhaus Augustusweg 1 gedacht.
An Wilhelm und Gertrud Schaye wird an ihrem einstigen Wohnhaus Augustusweg 1 gedacht. © Arvid Müller
Die "Villa Wach" trägt den Nachnamen des Ehepaares Felix und Katharina. Dort sollen Stolpersteine an beide erinnern.
Die "Villa Wach" trägt den Nachnamen des Ehepaares Felix und Katharina. Dort sollen Stolpersteine an beide erinnern. © Arvid Müller

Das Verlegen der Steine erfolge am 17. Juni dieses Jahres, kündigt Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) an. Für Felix und Katharina Wach werden die beiden Steine zunächst symbolisch am Augustusweg 62 verlegt. Denn in der Nachbarschaft der Villa Wach stehen einige Bauarbeiten an. So lässt die Stadt in diesem Jahr den Plattenbau der ehemaligen Otto-Buchwitz-Schule abreißen. Später wird auf dem Grundstück daneben der neue Hort für die Grundschule Oberlößnitz errichtet. Erst wenn dieser steht und in Betrieb geht, erfolgt das Verlegen der beiden Steine.

Bundesweites Projekt

Rund 600 Euro wird das Fertigen und das Einsetzen der Stolpersteine kosten. Stadtoberhaupt Wendsche ist sich sicher, dass dafür ausreichend Spenden zusammenkommen, die die AG Geschichte sammeln möchte. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Erinnerung an das jüdische Leben in Radebeul nicht verblasst.

Die Stolpersteine in Erinnerung der Opfer und Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes sind ein bundesweites Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Seit 1992 werden am jeweils letzten freiwilligen Wohnort der Vertriebenen oder Ermordeten quadratische, etwa zehn Quadratzentimeter umfassende Betonquader mit einer Messingplatte in das Straßenpflaster eingelassen. Darauf stehen jeweils ihre Namen.