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Wie ein Skalp für großes Aufsehen sorgt

Während in deutschen Museen noch über die Rückgabe der Benin-Bronzen diskutiert wird, gab es im Radebeuler Karl-May-Museum eine einzigartige Aktion.

Von Peter Redlich
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Hat weltweit für große Beachtung in der Museumslandschaft gesorgt – der Skalp eines Sioux-Häuptlings.
Hat weltweit für große Beachtung in der Museumslandschaft gesorgt – der Skalp eines Sioux-Häuptlings. © Karl-May-Museum Radebeul

Radebeul. Die Nachricht war knapp gehalten. Es sollte um die Sache kein großes Aufsehen gemacht werden. Es gibt gerade viel Diskussion um die Rückgabe von Sammlungsgegenständen - wie etwa der Benin-Bronzen - in ihre Herkunftsländer. Doch in Radebeul wurde bereits etwas wieder übergeben.

Um einen Skalp aus der Sammlung des Karl-May-Museums wurde sieben Jahre lang diskutiert. Ein amerikanischer Journalist, über Umwege und aus Interesse nach Radebeul geraten, hat hier die Kopfhaut eines Indianers entdeckt und darüber eines der indigenen Völker in den USA informiert. Seitdem stand die Forderung im Raum, diesen Skalp wieder dorthin zurückzuführen, wo der Mensch mit dem schwarzen Haarschopf einst lebte.

Doch woher eigentlich stammt der Skalp? Wie kam er nach Radebeul? Beansprucht wird er von einem Stamm der Ojibwa-Indianer. Ist es auch wirklich der menschliche Überrest von einem der ehemaligen Stammesmitglieder?

Die Geschichte dieser Trophäe, welche die Indianer in kriegerischen Auseinandersetzungen sich gegenseitig oder auch weißen Gegnern vom Kopf schnitten, reicht bis ins Jahr 1890 zurück. Mit dem Skalp eines Getöteten soll, so die Tradition, nicht nur die Seele, sondern auch die Kraft des Besiegten auf den Sieger übergehen.

Die Geschichte des Skalps begann vor über 100 Jahren. Höhepunkt einer der großen, mit bis zu 300 Darstellern bestückten Shows des legendären Buffalo Bill (1846-1917) war dessen Ritt in die Manege, indem er als Zeichen des Sieges einen Indianerskalp in die Höhe reckte. Begeistert von den Geschichten aus Karl Mays und Coopers Lederstrumpf-Romanen hatte offensichtlich Patty Frank (bürgerlich Ernst Tobis) 14-jährig eine solche Show gesehen. Der Gründer des Karl-May-Museums, so der heutige wissenschaftliche Museumsleiter Robin Leipold, sah es damals als höchst begehrenswert an, eben einen solchen Skalp für seine Sammlung zu besitzen.

Karl-May-Museumsgründer Patty Frank hat die aufgespannte Kopfhaut mit Verzierungen einst in den USA erworben und nach Deutschland und in die ethnologische Sammlung in Radebeul gebracht.
Karl-May-Museumsgründer Patty Frank hat die aufgespannte Kopfhaut mit Verzierungen einst in den USA erworben und nach Deutschland und in die ethnologische Sammlung in Radebeul gebracht. © Karl-May-Museum

Für 100 Dollar und zwei Whisky-Flaschen

Im Jahre 1904, so die in den Archiven des Museums noch vorhandenen Schilderungen des ehemaligen Zirkusartisten, soll es Patty Frank gelungen sein, eine dieser besonderen Trophäen zu erwerben. Robin Leipold in einem Artikel für „Amerindian Research“, Zeitschrift für indianische Kulturen von Alaska bis Feuerland: Laut seiner Erzählung erwarb der ehemalige Artist Patty Frank den Skalp im Jahr 1904 während einer USA-Tour mit dem Zirkusunternehmen Barnum & Bailey in der Nähe einer Indianerreservation aus dem Besitz eines Nachfahren eines Sioux-Häuptlings namens „Swift Hawk“, für insgesamt 100 Dollar, zwei Flaschen Whiskey und zusätzlich einer Flasche Brandy für die misstrauische Ehefrau des Indianers.

Im Karl-May-Jahrbuch von 1929 findet sich dabei unter einer beigefügten Abbildung zur Erzählung der Vermerk: „Skalp eines Odschibwä-Indianers, erbeutet vom Dakota-Häuptling Tschetang kalusa (Schneller Falke). Dakota und Sioux wurde damals synonym verwendet.

Bis heute konnte nicht geklärt werden, inwieweit Patty Franks Angaben, die er in publizierten Erzählungen und mündlichen Überlieferungen zu den von ihm gesammelten Objekten machte, belegbar sind. Doch der Skalp gehörte zur Radebeuler Sammlung, wie weitere - darunter nicht nur welche von Indianern, deutlich am schwarzen Haarschopf zu erkennen.

Der berühmte Skalp mit einer geflochtenen Locke ist eingespannt in einen Holzreifen und mit Federn sowie einer aus Leder gefertigten und mit blauen und weißen Perlen bestickten Eidechsenfigur verziert. Robin Leipold in seinem Artikel: Fest steht, dass für den Artisten und Sammler indianischer Ethnographica Patty Frank Skalpe innerhalb seiner Sammlung einen besonderen Stellenwert einnahmen.

Die von Patty Frank zum Skalp für das Karl-May-Museumsarchiv angefertigte Karteikarte.
Die von Patty Frank zum Skalp für das Karl-May-Museumsarchiv angefertigte Karteikarte. © Karl-May-Museum Radebeul

1992 aus der Vitrine genommen

Nicht umsonst verglich Frank daher den Besitz eines Skalps für eine Indianersammlung mit der „Mauritius“ eines Philatelisten. Zugleich rühmte er sich, mit insgesamt 17 dieser Trophäen die größte Sammlung zu besitzen.

Wie wertvoll, das zeigte sich beispielsweise beim Erwerb des Gemäldes „Die Schlacht am Little Big Horn“ für das Karl-May-Museum. Die Museumsbetreiber Patty Frank und Klara May wollten für das Gemälde von Elk Eber 1.000 Reichsmark an Eber zahlen. Dieser wollte aber 3.000 Reichsmark haben. Schließlich einigten sich beide Seiten eben auf 1.000 Reichsmark plus einen Skalp.

Lediglich bis 1992, so die Museumsleute in Radebeul, wurde der berühmte Dakota-Skalp im Karl-May-Museum in einer Vitrine ausgestellt. Danach verschwand er, sicher aufbewahrt, im Archiv der Villa Bärenfett. Der Museumsleiter: Der jüngste Konflikt bezüglich des „Swift Hawk“-Skalps hat jedoch nicht nur deutlich gemacht, wie wichtig Provenienzforschung - die Forschung nach der Herkunft - für die weitere Arbeit des Museums ist, sondern auch, welche Chancen sich für das Karl-May-Museum in der Positionierung als Ort des Dialogs und der Zusammenarbeit ergeben.

Das Museum sehe sich als Bewahrer materiellen und immateriellen Kulturerbes dem Code of Ethics des Internationalen Museumsrats ICOM und der UN-Deklaration für die Rechte der indigenen Völker verpflichtet. Die Herausnahme, der als echt angenommenen Skalpe aus der Dauerausstellung des Museums, sei dabei als ein erstes Signal zur Dialogbereitschaft auch von indianischer Seite gewertet worden.

Lesen Sie im Teil 2 über den berühmten Skalp: Was alles von 2014, der ersten Forderung, bis 2021 zur Übergabe an den Generalkonsul der USA geschah.