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Der Reisetipp Italien: Auf Trüffeljagd im Piemont

Der weiße Trüffel wächst nur in der Region in Norditalien. Man kann ihn hier in allen Variationen genießen. Und noch zwei Spezialitäten versprechen Genuss.

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Das Piemont ist geprägt durch Weinberge, Haselnussplantagen und kleine Städtchen.
Das Piemont ist geprägt durch Weinberge, Haselnussplantagen und kleine Städtchen. © Tourismusbüro Langhe Monferrato

Von Christian Mathea

Kikka ist eine passionierte Schatzsucherin. Ihr Herrchen Tino Marolo muss die Mischlingshündin immer wieder zurückrufen. „Kikka, Kikka, vieni qui“, ruft der Mann, der aussieht, als hätte sich die romantische Waldlandschaft um die Stadt Alba selbst einen Botschafter geschaffen: Schnauzer, Kutte, Wanderstock. Mit einer Tasche um den Hals wandert der 70-Jährige über den mit Laub und Kräutern bedeckten Waldboden auf der Suche nach einem der teuersten Lebensmittel der Welt: weißer Trüffel.

Ohne seine Kikka hätte Marolo keine Chance. Die Edelpilze wachsen im Herbst unter der Erde, zwischen den Wurzeln alter Eichen, Linden oder Haselnussbäumen. Allerdings riechen sie stärker als normale Pilze, sodass ein Hauch des Aromas an die Oberfläche dringt – gerade genug, dass ihn feine Hundenasen erschnüffeln können. Der Trüffeljäger schwört auf die Nasen von Mischlingshündinnen; Kikka ist ein Mix aus Breton und Setter.

Und er kann sich auf die feine Nase von Kikka verlassen. Die zehnjährige Hundedame hat offenbar einen Trüffel gerochen. Mit den Vorderpfoten wühlt sie sich in die Erde. Marolo hat Mühe, sie zu beruhigen. Mit einer Hand zieht er Kikka zurück, mit der anderen kratzt er den Trüffel frei. Die Hündin bellt vor Freude über ihren Fund. „Brava, Brava Kikka“, lobt ihr Herrchen und gibt ihr ein Küsschen.

Ausbildungsbeginn mit zwei Jahren

Fressen darf die Hündin den Edelpilz allerdings nicht, stattdessen holt der Trüffeljäger ein Stück trockenes Weißbrot aus seiner Tasche. Ein schlechter Tausch für so eine wertvolle Arbeit, trotzdem knabbert Kikka vergnügt darauf herum. „Das Brot ist wichtig, um sie zu beruhigen“, erklärt ihr Herrchen.

Als Kikka zwei Jahre alt war, habe er begonnen, sie zu trainieren – viele Hunde sind noch jünger. „Ich habe ihr immer wieder Trüffelöl zum Riechen gegeben und mit Trüffeln gespielt“, erklärt er. „Kikka war sehr begabt.“

Trüffeljäger Tino Marolo mit seinem Hund Kikka. Die zehnjährige Hundedame riecht die Pilze auch, wenn sie sich tief in der Erde verstecken.
Trüffeljäger Tino Marolo mit seinem Hund Kikka. Die zehnjährige Hundedame riecht die Pilze auch, wenn sie sich tief in der Erde verstecken. © Christian Mathea

Ohne die Tiere haben die Jäger keine Chance. Ohne eigene Erfahrung allerdings auch nicht – man muss schon wissen, wo Trüffel wachsen könnten. „Viele von uns starten um vier Uhr nachts oder noch früher, damit keiner sieht, wo sie suchen“, sagt Tino Marolo. Etwa 4.000 Trüffeljäger sind wie er in den Wäldern von Piemont unterwegs. Obwohl es für die meisten ein Hobby ist, braucht man eine Erlaubnis und muss dafür sogar eine Prüfung ablegen.

Bis zu 400 Euro pro 100 Gramm

Viele Trüffeljäger liefern direkt an Restaurants, andere bringen ihre Beute zur Trüffelmesse in die Stadt Alba. Im Verkauf bekommen sie ungefähr 300 bis 400 Euro pro 100 Gramm. Bevor dort gehandelt wird, bewertet ein Trüffelexperte die Qualität nach Aussehen, Festigkeit und Geruch. Der weiße Trüffel geht von Alba in viele Feinschmeckerrestaurant dieser Welt – und natürlich auch im Piemont. 46 Gasthäuser haben hier, im Nordwesten Italiens zwischen Lago Maggiore, Alpen und französischer Grenze, mindestens einen Michelin-Stern.

Weißer Trüffel gilt als eines der teuersten Lebensmittel der Welt. Auf der Trüffelmesse in Alba darf man ihn probieren.
Weißer Trüffel gilt als eines der teuersten Lebensmittel der Welt. Auf der Trüffelmesse in Alba darf man ihn probieren. © Tourismusbüro Langhe Monferrato

So wie das Ristorante All’Enoteca von Davide Pullada im gemütlichen Dörfchen Canale. Der 52-jährige Chefkoch hat in den Spitzenrestaurants auf der ganzen Welt gearbeitet und ist nun wieder in seine Heimat zurückgekehrt. „Weil ich stolz auf die Provinz bin und mich nirgendwo anders sehe als hier.“ Neben dem Gourmetrestaurant im ersten Stock betreibt Pullada eine Osteria im Erdgeschoss – nach dem Restaurant und der Trattoria die dritte Kategorie in der italienischen Küchenordnung und zugleich die günstigste Gaststätte mit guter lokaler Küche.

Bei Pullada gibt es oben wie unten Trüffel in sämtlichen Variationen: in einer Pastafüllung, auf einem typischen Schafskäse oder auf einem Carpaccio vom Rind. „Der Trüffel hat Knoblauch-, Honig- und Pilznoten“, sagt der Spitzenkoch, der für eine Extraportion auch persönlich an den Tisch kommt – dann mit einer Waage. Zuerst wird darauf der Trüffel gewogen, dann werden ein paar Scheiben auf den Teller des Gastes geraspelt, dann wird wieder gewogen. Scheibchen für Scheibchen landet der Edelpilz auf dem Teller und schließlich auf der Rechnung: Vier Euro pro Gramm.

Mindestens 38 Monate lagern, davon 18 im Holzfass

Aber warum wächst der weiße Trüffel eigentlich nur in der Region Alba, während der schwarze in vielen Ländern zu finden ist und sogar künstlich gepflanzt wird? Trüffeljäger Marolo erklärt das mit der besonderen Erde, den alten Bäumen und der feuchten Luft, die einen Morgen im Piemont oftmals im Nebel, auf Italienisch Nebbia, starten lässt.

Nebbiolo, so heißt auch die berühmteste Traube der Region. Aus ihr wird einer der besten Weine der Welt gekeltert: der Barolo. Die Vorgaben für die Winzer sind strenger als die für den Dresdner Christstollen. Nur in elf Gemeinden um das Örtchen Barolo darf der Wein gekeltert werden. Die Winzer dürfen nur die besten Trauben ihrer Plantagen verwenden und nur acht Tonnen pro Hektar ernten.

Frischer Trüffel passt zu vielem, auch zu Spaghetti oder Ei. In Restaurants werden die dünnen Scheiben nach Gramm abgerechnet.
Frischer Trüffel passt zu vielem, auch zu Spaghetti oder Ei. In Restaurants werden die dünnen Scheiben nach Gramm abgerechnet. © Trüffelmesse Alba

Auch im Keller herrschen strenge Sitten: Nebbiolo-Wein muss 38 Monate lagern, davon mindestens 18 Monate in einem Holzfass. Wer also einen Barolo mit Jahrgang 2021 im Supermarkt findet, sollte stutzig werden. Und wer viel Geld in der Tasche hat, kann einen Barolo Riserva kaufen, der muss mindestens fünf Jahre lagern.

Neben Trüffel und Nebbiolo-Trauben ist noch eine dritte Pflanze typisch für das Piemont: die Haselnuss. In der Region um Alba wachsen die Bäumchen direkt zwischen den Weinfeldern. Aus ihnen werden vielfältige schokoladige Versuchungen kreiert, die man unter den langen Arkaden-Cafés von Turin trinken oder essen kann.

Für Touristen verschlossen

Eine Familie aus dem Piemont machte aus der Haselnuss gleich einen Süßwarenkonzern: Ferrero. Alles begann in den 1940er-Jahren ebenfalls in Alba. Pietro Ferrero experimentierte damals in seiner Konditorei mit Haselnüssen und Schokolade und entwickelte eine Creme. Sein Sohn Michele nannte sie Nutella und schaffte es damit auf viele deutsche Frühstückstische. Nach und nach kamen Kinderschokolade und Mon Cheri dazu.

Eine von vielen Ferrero-Fabriken steht zwar heute noch in Alba, aber die bleibt für Touristen verschlossen. Die Familie Ferrero lässt sich genauso wenig in die Karten gucken wie die Trüffeljäger.

© FP-Grafik/Tilo Steiner

In den Nordwesten von Italien

  • Anreise: Flug von Dresden oder Leipzig mit Zwischenstopp in München bis Turin; weiter ins Zentrum mit Bus oder Taxi. In die Stadt Alba geht es mit dem Zug von Turin in etwas mehr als einer Stunde. Mit dem Auto von Dresden bis Turin (1.036 km), mit dem Zug gibt es Verbindungen mit 14 Stunden Fahrtzeit.
  • Pauschal mit SZ-Reisen: Busreise, 7Ü/HP, Termin im Juni und Oktober, ab 1.415 Euro pro Person im Doppelzimmer
  • Piemont (in Italienisch Piedmont) bedeutet „am Fuße des Berges“. Die Region liegt im Nordwesten Italiens und ist nach Sizilien die zweitgrößte des Landes. Im Westen und Norden liegen die Alpen. Zu den besten Gegenden zum Skifahren oder Wandern zählt der Bergsee Lago Maggiore im Norden, die Nationalparks Val Grande und Gran Paradiso. Die Weinberge befinden sich in Langhe, Roero und Monferrato.
  • Zu den schönsten Städten gehört neben der Hauptstadt Turin mit den Palästen der Savoyer Saluzzo am Fuße der Cottischen Alpen. Auch Alba, die „Stadt der 100 Türme“, bietet neben der Trüffelmesse viele Sehenswürdigkeiten. In Acqui Terme kann man Quellen mit dem warmen Thermalwasser genießen, dort bauten die Römer 200 v. Christus ein Heilbad.
  • Trüffel: Ein Erlebnis für Feinschmecker ist die Trüffelmesse in der Stadt Alba. Sie findet in diesem Jahr vom 12. Oktober bis 8. Dezember vor allem an den Wochenenden statt. Neben Trüffel-Versteigerung gibt es regionale Lebensmittel, Weinverkostung und Kochshows. Touren mit einem Trüffeljäger und seinem Hund gibt es in den Herbstmonaten beispielsweise bei Tripadvisor ab 130 Euro. Trüffeljäger Tino Marolo bietet Touren ab 100 Euro das ganze Jahr über für schwarzen Trüffel, im Herbst für weißen. Kontakt: [email protected]
  • Wein: In der Gemeinde Barolo bieten viele Weingeschäfte auch Verkostungen an. Falls es schnell gehen und etwas günstiger sein soll: Direkt neben dem Museum befindet sich das Agrilab: Hier kann man sich an Automaten Weine aus der Region aussuchen und nebenbei Geschichte der Weine studieren.
  • Die Reise wurde unterstützt von Visit Piemonte.