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Reisetipp Sardinien: Der größte Schatz ist der Sand

Traumhafte Strände, türkisfarbenes Wasser: Die Mittelmeerinsel ist ein Badeparadies. Doch was bietet das Hinterland? Eine Entdeckungsreise.

Von Dirk Hein
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Die Sandkörner am Strand von Is Arutas schimmern in verschiedenen Farben. Jeder Stein hat seinen Ursprung und daher eine andere Farbe, es finden sich Sandsteine, Kalksteine, Basalt und Granit.
Die Sandkörner am Strand von Is Arutas schimmern in verschiedenen Farben. Jeder Stein hat seinen Ursprung und daher eine andere Farbe, es finden sich Sandsteine, Kalksteine, Basalt und Granit. © Dirk Hein

Marco Cara streckt den Arm aus und öffnet langsam die Hand. Wie einen Schatz präsentiert er das, worauf wir gerade stehen: Sand. Sand? „Nirgendwo ist er schöner“, behauptet Marco und lächelt schüchtern. Wir sind am Strand von Is Arutas unweit von Cabras, einer kleinen Stadt im Westen von Sardinien. Der Sand sei das Wertvollste, was seine Insel im Allgemeinen und seine Stadt im Besondern zu bieten habe, sagt Marco. Fast 8.000 durchweg euphorische Google-Bewertungen scheinen ihm recht zu geben.

Und tatsächlich: Der Strand an der wilden Westküste der Mittelmeerinsel ist mit kaum etwas vergleichbar. Winzige, durch Jahrtausende im Wasser rund geschliffene Quarzkiesel, jeder einzelne so groß wie ein Reiskorn, schimmern in Weiß und Rosa, Grau und Bernsteinfarben. Das klare Wasser funkelt dazu im türkisblauen Kontrast.

Doch die Idylle ist bedroht. Seit 1960 habe der Strand etwa die Hälfte seiner Fläche verloren, sagt Marco, der sich als Umweltschützer engagiert. Schuld seien einerseits natürliche Veränderungen, also Wind und Wellengang. Aber auch die Menschen tragen ihren Teil bei. Der zauberhafte Kies ist begehrt. Jahrzehntelang haben ihn die Sarden tonnenweise weggefahren, um damit beispielsweise weit entfernte Luxusanlagen aufzuhübschen.

Für Umweltschützer Marco Cara ist der Sand der größte Schatz seiner Insel.
Für Umweltschützer Marco Cara ist der Sand der größte Schatz seiner Insel. © Dirk Hein

Ein mit Sand gefülltes Glas war bis vor wenigen Jahren zudem ein beliebtes Souvenir aus Sardinien. Inzwischen ist das verboten, vor allem an den Flughäfen gibt es strenge Kontrollen. Wer erwischt wird, muss mit bis zu 3.000 Euro Bußgeld rechnen. Am Strand von Cabras gelten noch mal verschärfte Regeln. Nach dem Strandbesuch muss geduscht werden, die Wege zum Strand führen über Holzstege, die nicht verlassen werden dürfen. Kleidung und Latschen müssen nach dem Baden gereinigt werden. Mehrsprachige Schilder weisen auf Strafen hin. Regelmäßig postet der Bürgermeister von Cabras zudem Erfolge in den sozialen Medien: 600 Kilogramm Sand, eingesammelt an den Flughäfen der Insel, kehrten allein in einem Jahr zurück an den Strand.

Was romantisch klingt, ist aus der Not geboren

Auf Ebay entdeckte Gläser voller Sand aus Is Arutas bringt die Gemeinde zur Anzeige. Die Region will so ihr wertvollstes Gut verteidigen, tickt aber auch generell anders, ist wilder und schroffer. Die Strände von Cabras sind trotz ihrer Schönheit auch in der extrem kurzen Hauptsaison auf Sardinen nie überfüllt. Im Ort Cabras selbst leben noch immer mehr Menschen vom Fischfang als vom Tourismus. Das bringt Vorteile, aber auch Probleme.

Etliche Häuser verfallen und stehen zum Verkauf. Doch die Sarden kämpfen um ihre Heimat. In Cabras setzt man auf kleine Unterkünfte – und ein charmantes Konzept. Das Hotel Aquae Sinis zieht sich als „Albergo Diffuso“, als verstreute Herberge, durch das ganze Dorf. An mehreren Orten haben die Besitzer kleine, dem Verfall preisgegebene Häuser aufgekauft und liebevoll saniert. Wer auf sein Zimmer möchte, rollt seinen Koffer durch kleine Gassen, kommt an Fischern und Bauern vorbei und ist irgendwie gleich mittendrin.

Alice Corrus kam aus England nach Sardinien zurück und führt auf der Insel durch ein Weingut.
Alice Corrus kam aus England nach Sardinien zurück und führt auf der Insel durch ein Weingut. © Dirk Hein

Was romantisch klingt, ist aus der Not geboren. Noch immer kehren junge Menschen der Insel den Rücken, nur vereinzelt kommen sie, wie Marco Cara, zurück. Wer das tut, brennt umso mehr für Sardinien. Wie Alice Corrus. Zwei Jahre lang lebte die junge Frau nach ihrem Studium in England. Dann entschied sie sich bewusst für das Leben auf ihrer Insel. Im Weingut Ferruccio Deiana führt sie begeistert durch den Weinkeller. Ihr geht es um Fortschritt, um Aufbau. Das Weingut soll wachsen, mehr Wein verkaufen, mehr Touristen anziehen. Sorge macht dabei der Klimawandel, die Früchte werden früher reif, teilweise müssen rote und weiße Trauen schon zeitgleich geerntet werden. Ohne Bewässerung geht hier nichts mehr.

Artemio Olianas hat einen anderen Weg eingeschlagen. Sein Weingut liegt in Gergei im Herzen Sardiniens. Olianas produziert nicht nur biologische, sondern auch biointegrale Weine. Auf den Einsatz großer Maschinen wird weitgehend verzichtet, viele Arbeiten übernehmen seit rund zehn Jahren die Zugpferde Vegas und Dinette. Herbizide, chemische Düngemittel oder andere synthetische Produkte sind tabu. Die gepressten Trauben verarbeitet Olianas wieder im Boden, trotz großer Hitze und häufiger Trockenheit kommen seine Rebstöcke so ohne Bewässerung aus.

Einheimische Familien laden zum Essen ein

Das Wohnhaus von Artemio Olianas steht wenige Kilometer entfernt von den Weinfeldern. Es ist Teil eines weiteren Versuchs, das unbekannte Sardinien zu beleben. Unter dem Titel „Home Restaurants“ laden einheimische Familien in ihr Haus ein, kochen regionale Spezialitäten und erzählen von ihrer Region. Vielerorts kann auch übernachtet werden. Doch wie so oft auf Sardinen, braucht auch dieses Projekt einen langen Atem. Es gibt weder einen Internetauftritt noch offizielle Preise – eine Anmeldung per E-Mail muss genügen. Alles Weitere sei Teil des „persönlichen Arrangements“, wie der Winzer es ausdrückt. Eine Übernachtung in seinem Anwesen kostet jedenfalls deutlich unter 100 Euro pro Nacht.

Ganz ohne Cagliari, die Inselhauptstadt im Süden, kommt jedoch kaum eine Reise nach Sardinen aus – und sei es nur, weil hier viele Flugzeuge landen. Die Unterschiede zum Landleben könnten kaum größer sein. Über 150.000 Einwohner zählt die Stadt, mit den umliegenden Gemeinden sind es sogar 430.000. Auf der gesamten Insel leben rund 1,6 Millionen Menschen. Entsprechend eng und teuer geht es in der Hauptstadt zu. Der Immobilienmarkt ist überhitzt. Einheimische zahlen ähnliche Preise für Miete und Kauf wie in Dresden. Kritisch wahrgenommen wird, ebenfalls wie in Dresden, mittlerweile die Umwandlung vieler Wohnungen in Ferienunterkünfte.

Natürliches Freizeitparadies vor den Toren der Stadt

Wer die Hauptstadt erkunden will, startet am besten an der Bastione di Saint Remy. Von oben hat man einen beeindruckenden Rundumblick. Gleich daneben lädt die Via Giuseppe Garibaldi zum Einkaufsbummel ein. Hier dominieren nicht große Modeketten, sondern inhabergeführte kleine Läden. In deutschen Innenstädten mittlerweile undenkbar.

Von der Bastione di Saint Remy bietet sich ein beeindruckender Rundblick über die Hauptstadt Cagliari.
Von der Bastione di Saint Remy bietet sich ein beeindruckender Rundblick über die Hauptstadt Cagliari. © Dirk Hein

Auch Cagliari hat einen Strand. Er heißt Poetto und ist zehn Kilometer lang. Gebadet wird in vielen kleinen Strandbädern, geparkt kostenlos wenige Meter entfernt. Hundert Meter vom Stadtstrand entfernt beginnt der Naturpark Molentargius, zu dem auch eine Saline gehört. 1985 wurde die Salzgewinnung nach zweieinhalb tausend Jahren eingestellt.

Seither hat sich das Feuchtgebiet vor den Toren der Innenstadt von Cagliari in ein natürliches Freizeitparadies verwandelt. Ausflüge zu Fuß, per Rad oder Boot führen zu den Nistplätzen von rosa Flamingos, Seidenreihern, Stelzenläufern und Stockenten.

Geheimnisvolle Nuraghen

Der Blick aus dem Inneren gen Himmel ist nahezu magisch: Waren es Wachposten? Wohnungen? Stätten der Götterverehrung? Die prähistorischen Turmbauten, Nuraghen genannt, die in weiten Teilen Sardiniens das Bild der Landschaft prägen, sind noch immer nicht völlig entschlüsselt. Archäologen versuchen bis heute, mehr zu erfahren über die Funktionen dieser mehrstöckigen, in mörtelloser Trockenbauweise errichteten Bauten mit den verschachtelten Innenräumen. Einige Nuraghen können kostenlos, andere gegen Eintritt besucht werden. In der Nuraghe Piscu finden derzeit neue Ausgrabungen statt.

Die Nuraghe Piscu.
Die Nuraghe Piscu. © Dirk Hein

Beeindruckend sind auch die Giganten vom Mont’e Prama. 1974 fand ein Bauer beim Pflügen auf der sardischen Sinis-Halbinsel den Kopf einer Statue. Gefunden wurden gigantische Bogenschützen und Krieger. Teile der Statuen befindet sich heute im Archäologischen Museum in Cagliari sowie in der Nähe der Ausgrabungsstelle im Museum in Cabras. Noch immer wird gegraben, sortiert und restauriert.

Die Feenhäuser (Domus de Janas) will Sardinien als Welterbe der Unesco anerkennen lassen. Das Besondere an den in den Fels gehauenen Grabstätten: Sie stellen Miniaturen der Wohnstätten dar, in denen die prähistorischen Kulturen auf der Insel lebten.

©  SZ-Grafik

Infos zur Insel

  • Anreise: Zum Beispiel mit Lufthansa von Dresden via München nach Olbia in etwa vier Stunden. Im Winter deutlich weniger Flüge.
  • Beste Reisezeit: Frühjahr oder Herbst
  • Der Strand von Is Arutas: Westlich von Cabras, Parkplätze vor Ort, teils kostenlos, sonst sechs Euro für vier Stunden.
  • Weingüter: Ferruccio Deiana, Weine zwischen zehn und 15 Euro. Führung und Weinproben vor Ort. Weingut Olianas, mit Online-Shop, Weine ab 13 Euro. Verkostungen: Ab zwölf Euro pro Person
  • Home Restaurants: Anfragen zum Beispiel an [email protected] oder Casa di Pupa in Serri unter Tel. +39 3396669510. Pro Person kostet ein Abend mit Getränken etwa 35 Euro; Anfrage in Englisch per Whatsapp.
  • Preise: Benzin etwa zwei Euro pro Liter. In einer Strandbar in Cagliari, zum Beispiel im Tirso Beach Club, kostet ein Bier sechs Euro, ein Softdrink 3,50 Euro. Preiswerter ist es in der Stadt selbst. In den Pizzerien werden meist weniger als zehn Euro pro Pizza fällig. Der Espresso kostet zwischen 1,50 Euro und zwei Euro in bester Lage an zentralen Plätzen. Im Hinterland gibt es den Espresso schon ab einen Euro.
  • Hotelpreise (zwei Personen, pro Nacht): z. B Aquae Sinis im Mai 2024 etwa 100 Euro. Palazzo Tirso Cagliari (Fünf-Sterne, Dachpool) etwa 250 Euro.
  • Pauschal mit SZ-Reisen: Flugreise momento, sieben Ü/Frühstück, Termine im Mai und Juni, ab 749 Euro p. P. im DZ; Aktivreise, Flug, mit fünf Wanderungen, sieben Ü/HP, Termine im Mai und Oktober, ab 1.819 Euro p. P. im DZ; Flugreise, sieben Ü/HP, fünf Termine, ab 1.569 Euro p. P. im DZ
  • Die Recherche wurde unterstützt von der Region Sardinien und der Handelskammer Cagliari.