Leben und Stil
Merken

Reisetipp Italien: Auf den Spuren von Roms Barockgenie

Keinem anderen verdankt die Stadt so viele Meisterwerke wie Gian Lorenzo Bernini. Sie verführen bis heute.

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Berninis bedeutendste und monumentalsten Hinterlassenschaften sind Petersplatz und Petersdom.
Berninis bedeutendste und monumentalsten Hinterlassenschaften sind Petersplatz und Petersdom. © Ekkehart Eichler

Von Ekkehart Eichler

Diese Geschichte beginnt mit zwei Pfeilen. Den einen versenkt Liebesgott Amor im Herzen des Apoll, der daraufhin in unbändiger Liebe zur reizenden Waldnymphe Daphne entbrennt. Der andere bewirkt genau das Gegenteil: Daphne fühlt nichts als Ablehnung und Abscheu. Als Apoll der keuschen Schönen im Wald auflauert, flüchtet sie und ruft in ihrer Not die Götter zu Hilfe. Ihr Flehen wird erhört: In dem Moment, da Apoll zupackt, beginnt sich Daphne zu verwandeln. Um ihre Haut windet sich Rinde, Blätter bedecken ihre Haare. Die Arme werden zu Ästen, sie schlägt Wurzeln im Waldboden. Aus Daphne wird ein Lorbeerbaum.

Exakt diesen Moment der Gier und der Verzweiflung, des Triumphs und der Metamorphose hat der Künstler vor ziemlich genau 400 Jahren eingefroren. Auf eine Art und Weise, die bis heute ausnahmslos jeden entzückt, der die 2,43 Meter hohe Skulptur umrundet.

Apoll und Daphne in der Galleria Borghese.
Apoll und Daphne in der Galleria Borghese. © Ekkehart Eichler

Mit fotografischer Tiefenschärfe, chirurgischer Präzision und größter Virtuosität wurden Haut, Falten, Muskeln und Knochen aus kaltem Carrara-Marmor ebenso zum Leben erweckt wie Haare, Blätter, Rinde oder Wurzeln – und das von einem 25-jährigen Jungspund. Viele Jahre und Hunderte Kunstwerke später wird Gian Lorenzo Bernini sagen, dass ihm Besseres nie gelungen sei.

Ekstase und Verzückung

Nicht minder spektakulär: „Die Verzückung der Heiligen Theresa“ in der Kirche Santa Maria della Vittoria. Eine 3,50 Meter hohe Frontalplastik, erschaffen zwischen 1647 und 1652 und seinerzeit höchst umstritten. Denn die überlebensgroße Marmorkomposition zeigt die Heilige in dem Moment, als ihr ein Engel mit dem brennenden Speer der göttlichen Liebe das Herz durchbohrt.

Dieses überirdische Feuer entfacht Ekstase und Verzückung auf dem Gesicht der Mystikerin und gleicht verblüffend der Darstellung erotischen Erlebens und körperlicher Liebe. Unverhüllt zeigt Bernini, wie eine Frau der Erotik Gottes erliegt – das fand manch Zeitgenosse mehr als skandalös.

Zu befürchten hatte Bernini freilich nichts: Das Bildhauer- und Architekturgenie war unantastbar. Die Päpste liebten seine Kunst nicht nur über alles, sie brauchten sie auch für ihre Vision vom neuen Rom. Ging es doch für die katholische Kirche darum, mithilfe des überschwänglichen und dekorverliebten Barockstils den Glanz und die Macht zurückzugewinnen, die sie im Kampf gegen die Reformation eingebüßt hatte. So wurde das päpstliche Rom im 17. Jahrhundert zur Wiege des Barock und Gian Lorenzo Bernini zum wichtigsten Vertreter dieser pompösen Inszenierung.

Die Verzückung der heiligen Therese in der Kirche Santa Maria della Vittoria.
Die Verzückung der heiligen Therese in der Kirche Santa Maria della Vittoria. © Wikimedia

Kuriose Erklärungen

Ungefähr zur gleichen Zeit wie die Theresa entstand mit dem Vier-Ströme-Brunnen ein weiteres Meisterwerk hochbarocker Plastik mitten auf Roms überaus beliebter Piazza Navona. Um einen Obelisken, der im Barock zu einem christlichen Symbol umgedeutet wurde, lagern vier riesige Männerfiguren auf Felsabsätzen. Sie personifizieren die Ströme der damals bekannten und von der Kirche beherrschten vier Kontinente – Donau für Europa, Nil für Afrika, Ganges für Asien und Rio de la Plata für Amerika.

Zu ihren teils seltsamen Verrenkungen gibt es kuriose Erklärungen: So verhülle der Nil seine Augen, weil er den Anblick der Kirche nicht ertrage, die Berninis Konkurrent Francesco Borromini gleich neben dem Brunnen errichtet hatte. Und der Rio de la Plata werfe die Hände nach oben, aus Angst, das Gotteshaus werde über ihm einstürzen. Was hier manch Stadtführer zum Besten gibt, freut zwar die Touristen, ist aber erstunken und erlogen: Die Kirche wurde erst Jahre nach dem Brunnen erbaut.

Über die Engelsbrücke – deren Skulpturen vor allem von Schülern Berninis stammen – und vorbei an der Engelsburg ist es nun nicht mehr weit zu Berninis bedeutendsten und monumentalsten Hinterlassenschaften. Zum einen der einzigartige Petersplatz. Im Auftrag Papst Alexanders VII. sollte Bernini ihn so umgestalten, dass möglichst viele Gläubige den Segen des Papstes empfangen und den Pontifex dabei sehen konnten.

Überstrahlt vom Heiligen Geist

Dieses topografische und liturgische Problem löste Bernini auf grandiose Art und Weise. Zwischen 1656 und 1667 erdachte und erbaute er das weltbekannte Oval mit dem Obelisken im Zentrum, in dem er den Petersplatz mit Kolonnaden umrahmte, die aus einer vierfachen Reihe von 284 dorischen Säulen bestehen.

Im Petersdom wiederum, direkt unter Michelangelos Kuppelwunder und über der Gruft des heiligen Petrus, fällt zunächst der kolossale Bronzebaldachin über dem Papstaltar ins Auge. Diese 28 Meter hohe größte Bronzearbeit der römischen Barockzeit schuf Bernini zwischen 1624 und 1633 für seinen Hauptgönner Papst Urban VIII. aus mehr als 100 Tonnen Bronze.

Der Kathedra-Altar in der Apsis hingegen schwelgt in Marmor, Bronze und vergoldeter Stuckatur und ist am besten während einer Messe zu sehen – dann erscheint das riesige Kunstwerk in vollem Licht: die vier Kirchenväter, die den „Heiligen Stuhl“ tragen und überstrahlt werden vom Heiligen Geist, symbolisiert von der Taube im Alabasterfenster.

50 prägende Schaffensjahre

Ein Dutzend herausragender Bauten und anderer architektonischer Werke, mehr als fünfzig meisterhafte Skulpturen und Plastiken, dazu noch um die 200 Gemälde – die Liste grandioser Werke Berninis ist lang und verschaffte ihm schon zu Lebzeiten den Ruf eines Allround-Genies. In 50 Schaffensjahren war er für fünf Päpste tätig und prägte mit seiner Kunst nicht nur maßgeblich die Hauptstadt des Kirchenstaates, sondern das gesamteuropäische Barockzeitalter.

Als er 1680 in Rom starb, wurde er in der Kirche Santa Maria della Maggiore beigesetzt. In einem Grab übrigens, das an Schlichtheit nicht zu übertreffen ist.

Direktflug ab Berlin

  • Direktflüge nach Rom gibt es von Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln/Bonn und München zum Beispiel mit Lufthansa, Allitalia, EasyJet und Ryanair.
  • Mit SZ-Reisen: Flugreise 4Ü/F, sechs Termine, ab 979 Euro p. P. im DZ; Busreise 7Ü/HP, vier Termine, ab 1.359 Euro p. P. im DZ.
  • Übernachtung: Unmengen von Hotels in jeder Kategorie, ergänzt durch Herbergen und Privatzimmer, z. B. NH Collection Roma Giustiniano (nahe Vatikan + Engelsburg), DZ ab 140 Euro; Pension Dreaming in Rome – Vittorio Veneto Guest House (600 Meter bis Villa Borghese, 1.000 Meter bis zur Spanischen Treppe), DZ ab 124 Euro.
  • Auf den Spuren Berninis: Die beschriebene Tour wurde individuell geplant und ist problemlos zu Fuß und an einem Tag zu absolvieren; Tickets für die Villa Borghese (Online mit reserviertem Eintritt und zwei-Stunden-Zeitfenster ab 20 Euro).
  • Pauschal: Allein fünf verschiedene Flair-, Geheimtipp- und Insider-Reisen nach Rom (zwischen fünf und acht Tagen und ab 899 Euro ohne Flug) hat SKR Reisen im Portfolio.