Leben und Stil
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Abenteuer im Herzen der Sahara - Marokko freut sich wieder über Touristen

Wie fühlt es sich an, als Nomade durch die Wüste zu ziehen? Im Süden von Marokko bekommt man davon eine Ahnung.

Von Claudia Schade
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Flatsch-flatsch, ansonsten herrscht wohltuende Stille: Dromedarritt durch die Sahara.
Flatsch-flatsch, ansonsten herrscht wohltuende Stille: Dromedarritt durch die Sahara. © Claudia Schade

Der Horizont wiegt sanft auf und ab. Die Welt liegt klar und einfach vor uns: strahlend blauer Himmel oben, warmgelbe Dünen unten. Mit leisem Flatsch-Flatsch, das die Dromedare in den Wüstensand pressen, schaukeln wir durch eine grandiose Landschaft, die sich so leer vor uns ausbreitet, dass wir es nicht nur sehen, sondern auch spüren. Wir schauen mit einer Mischung aus leuchtender Freude und stiller Ehrfurcht.

Die Sahara-Luft atmet sich klar und rein, und jeder Ton ist schon im Nichts verschwunden, kaum hat er die Lippen verlassen. Diese Stille! Gelassen erklimmen die Tiere in einer Reihe hintereinander die Dünen, um dann von deren Höhe wieder hinabzusteigen. Es hat etwas sehr Friedliches.

In der marokkanischen Wüstenstadt Tamegroute sind wir in einen Landrover geklettert und dann eine Stunde nach Süden in die Wüste Merzouga gefahren. Erst bewegen wir uns über graues Geröll. Uns ist vollkommen unverständlich, wie sich der Fahrer da zurechtfindet. Dann fallen uns die Dünen in der Ferne auf. Immer mehr feiner Sand mischt sich unter das Geröll, bis uns die gelben Hügel wie ein riesiger Sandkasten umfangen.

Dromedare gelten als eigenwillig

Hier aber sind wir nun wirklich am Ende der Welt angekommen. Das Camp, wo wir übernachten, empfängt uns mit Zelten, Berberteppichen, Sitzkissen, Palmen und einer Tasse Tee. Das Spektakuläre aber eröffnet sich dahinter: Die Wüste, wo sich Düne an Düne reiht und die Aussicht einfach nur atemberaubend schön ist. Hier ist man so weitab von allem, dass sich nicht einmal eine Grenze findet, die Marokko und das benachbarte Algerien voneinander trennt. Der Konflikt zwischen beiden Ländern um die Westsahara ist auch nach Jahrzehnten noch nicht gelöst. Für die Nomaden spielt das keine Rolle.

Ein Hauch von Abenteuer: Übernachtung in einem Zeltlager.
Ein Hauch von Abenteuer: Übernachtung in einem Zeltlager. © Claudia Schade

Gerade angekommen, sind wir schon in den Bann dieser Landschaft gezogen. Ein kurzes Abwägen: Sollen wir auf Dromedaren in die Dünen reiten und dort den Sonnenuntergang erwarten? Oder ist es Tierquälerei? Einige unserer Gruppe entscheiden sich dagegen. Die meisten aber machen mit, nachdem uns Reiseführer Hassan erzählt hat, dass die Tiere nur Geld einbringen, wenn es ihnen gut geht. Sie seien eigenwillig, sagt Hassan, der nur wenige Kilometer vom Camp entfernt geboren wurde, dann aber in Marrakesch aufwuchs. Werde ein Dromedar schlecht behandelt, so mache es nicht mehr, was es soll.

Und dann ist es doch etwas Besonderes, mit den ruhigen, sanften Tieren in die große Weite zu schaukeln. Der Sonnenuntergang, weswegen wir eigentlich gekommen sind, ist an diesem Tag nicht so spektakulär. Aber das spielt schon keine Rolle mehr.

Diese Landschaft erdet

Wer Urlaub in Marokko macht, schwärmt von Marrakesch und besucht meist die Königsstädte im Norden. Wir aber haben uns in den Süden aufgemacht, sind mit dem Bus auf den Hohen Atlas geklettert, als es dort noch kein Erdbeben gegeben hatte, und nach der Höchstmarke von 2.260 Metern eine der zwei Pass-Straßen wieder hinabgefahren. Wir haben uns an Flussläufen entlanggeschlängelt, an denen Oleander blüht, Silberpappeln im Licht flirren, Walnussbäume und Ginster stehen. Ab und an sah man kleine Felder, auf denen Getreide und Gemüse wuchsen.

Der Süden Marokkos hat uns gelehrt, die Leere und die Weite zu schätzen. Diese Landschaft erdet im Wortsinn. Wir sehen Steine und Geröll, Häuser, die wie Festungen erbaut sind und farblich mit den dahinterliegenden Hügeln verschmelzen. Wer sich darauf einlässt, dem öffnet sich der Blick für die Unterschiede: die Erdfarben wechseln von Rot zu Grün zu Grau. Die Architektur der Häuser: ähnlich, aber nie gleich. Hier gibt es keine Ablenkung durch zu viele Kontraste und Farben. Selbst Pflanzen ordnen sich dem unter, weil sich der Sand genauso auf sie legt wie auf alles andere. Eine Fahrt durch Südmarokko schärft den Blick für Details und Konturen.

Ein Sohn der Wüste: Ibrahim verdient sein Geld mit dem Tourismus.
Ein Sohn der Wüste: Ibrahim verdient sein Geld mit dem Tourismus. © Claudia Schade

Ibrahim ist hier aufgewachsen. Der 33-jährige Berber hüllt sich in ein safrangelbes Tuch, das er um seinen Kopf geschlungen hat, und erzählt von seiner Liebe zur rauen Landschaft. Hier hat er als Kind Ziegen gehütet und ist mit den Eltern und seinen vier Schwestern und vier Brüdern von Wasserstelle zu Wasserstelle gezogen. Es war ein hartes Auskommen, einfach, aber klar.

Heute ist das Nomadenleben weniger attraktiv. So wie Ibrahim verdienen immer mehr Menschen ihr Auskommen im Tourismus. Statt mit Ziegen, Kamelen oder Dromedaren laufen sie nun mit Europäern, Chinesen oder Amerikanern durch die Wüste und zeigen ihnen die Schönheit ihrer Welt.

Wüste bestimmt sein Leben

Ibrahim verdient mit dem Tourismus Geld, seitdem er elf Jahre alt ist. Er konnte dadurch schon zwei Häuser bauen, eines für sich und eines für seine Eltern. Dabei hat er kaum die Schule besucht, sich Lesen und Schreiben und ein wenig Rechnen von Freunden abgeschaut. In Marokko gibt es keine Schulpflicht, viele Kinder fangen schon frühzeitig an zu arbeiten. Dennoch kann sich Ibrahim in fünf Sprachen mit Touristen verständigen.

Die Wüste ist Ibrahim trotzdem nicht gleichgültig geworden. Sie bestimmt sein Leben, sei es als Broterwerb im Austausch mit Touristen, denen er die Einmaligkeit der Sahara zeigt, oder als Rückzugsort, als intensive Erfahrung der Verbundenheit mit seinen Wurzeln. Die Liebe zur Wüste bleibt, auch wenn er sesshaft geworden ist.

Faszinierendes Naturwunder: die Todra-Schlucht am Rande des Hohen Atlas.
Faszinierendes Naturwunder: die Todra-Schlucht am Rande des Hohen Atlas. © Claudia Schade

Andere Marokkaner suchen ihr Heil im Ausland. Tausende Asylbewerber aus Marokko warten in Deutschland auf Anerkennung. Politisch verfolgt sind sie eher nicht. König Mohammed VI. versucht, die Lebensbedingungen seiner Untertanen zu verbessern. Dafür werden Baugebiete ausgewiesen, vorbereitet und der Hausbau unterstützt. Im öffentlichen Dienst werden viele Jobs geschaffen.

Dennoch gibt es viele Marokkaner, die nicht bleiben wollen. Gerade der Süden ist sehr arm, der Bildungsstand niedrig, Job- und Aufstiegsmöglichkeiten gering. Auch Wadim will weg. Er ist ein Neffe unseres Reiseführers Hassan. Er träumte davon, an der berühmten Universität der Sorbonne in Paris Psychologie zu studieren, dort sogar seinen Doktor zu machen.

Doch irgendwie hat es nie geklappt. Jetzt ist er bereits 40 Jahre alt und der Sorgenfall seines Onkels. „Er war immer auf dem Sprung und hat sich deshalb hier in Marokko kein Leben aufgebaut“, bedauert Hassan. „Jetzt hat er gar nichts.“

Bezaubernde Oasen und Filmkulissen

Wir nehmen Abschied von der Wüste und fahren weiter. Dort, wo früher Karawanen von Oase zu Oase liefen, führt heute eine Straße entlang, die uns an den wie auf Perlenschnüren aufgereihten Sehenswürdigkeiten vorbeiführt.

Wir bewundern die Lehmbauten von Ait Ben Haddou, das so pittoresk ist, dass dort seit 1954 Filme gedreht werden, darunter Game of Thrones, Gladiator oder Indiana Jones. Wir wandern durch die beeindruckende Todra-Schlucht, genießen bezaubernde Oasen, entdecken kleine Berberdörfer und lernen deren besondere Kultur schätzen.

Wir beobachten die Töpfer von Tamegroute bei der Arbeit, kaufen fröhlichen jungen Männern im Basar von Rissani Gewürze ab und probieren in Tinghir eine köstliche lokale Spezialität aus gebackenem Teig und Käse. Und wir besichtigen in Quarzazate die Kasbah Taourirt, die als Tor zur Wüste bekannt ist und als eines der besten Beispiele für die Berberachitektur gilt.

Üppiges Grün: Im Süden von Marokko gibt es zahlreiche Oasenstädte.
Üppiges Grün: Im Süden von Marokko gibt es zahlreiche Oasenstädte. © Claudia Schade

Doch was auch immer wir sehen, riechen oder kosten: Stets hallt das Echo der Wüste in uns nach. Ein bisschen, nur ein klitzekleines bisschen haben wir erlebt, wie es ist, ein Nomade zu sein. Und ein wenig haben wir verstanden, was es bedeutet, Teil dieser großen, beeindruckenden Welt voller Sand, Himmel und Leere zu sein.

Kein Visum nötig

  • Anreise: Flüge mit Air Maroc starten ab Frankfurt und kosten ab 500 Euro.
  • Einreise: kein Visum nötig; der Pass muss bei Ausreise aus Marokko noch 30 Tage gültig sein.
  • Herumreisen: Geführte Touren gibt es bei vielen Veranstaltern. Gebeco bietet z. B. die Tour „Straße der Kasbahs“ an (zehn Tage ab 1.595 Euro inkl. Flug).
  • Reisezeit: Das ganze Jahr möglich, im Februar/März und Oktober/November herrschen angenehme Temperaturen.
  • Währung: Elf Dirham entsprechen knapp einem Euro; Kreditkarten werden in großen Städten akzeptiert, sonst ist oft nur Barzahlung möglich
  • Die Recherche wurde unterstützt vom Reiseveranstalter Gebeco und Royal Air Maroc.

Neun Tipps für die Reise nach Marokko

Andere Länder, andere Sitten: Das gilt auch und besonders für den Süden von Marokko. Mit diesen Tipps haben Sie mehr vom Urlaub:

1. Im Restaurant ausdrücklich marokkanisch gewürzt bestellen. Nicht im Hotel essen, da dort und in vielen Restaurants aus Sorge vor Beschwerden oft so gut wie gar nicht gewürzt wird.

2. Beim Handeln auf dem Basar Zeit nehmen. Wer zum Schluss etwa die Hälfte des ersten Angebots zahlt, hat ein gutes Geschäft gemacht.

3. Geld im Land tauschen, der Kurs ist deutlich besser.

4. Alkohol-Pause einplanen: Marokko ist muslimisch, daher gibt es Alkohol nicht überall und nicht immer in gewohnter Qualität.

5. Wer einen Berberteppich kaufen möchte: Zu Hause das Maß nehmen und ein Band in der passenden Länge mitnehmen – vor Ort gibt es meist nichts zum Messen.

6. Nach Hause telefonieren: Wer länger unterwegs ist, sollte sich eine lokale Sim-Karte fürs Handy kaufen.

7. Schöne Mitbringsel für daheim sind Gewürze wie Ras El-Hanout und Argan-Öl.

8. Bettelnden Kindern nichts geben, sonst ist das Betteln für sie lukrativer, als zur Schule zu gehen.

9. Der Weg ist das Ziel: Lange Fahrstrecken sind unvermeidlich. Nicht abschrecken lassen, sondern genießen! (cs)