Dulig auf Wasserstoff-Tour in der Region

Nünchritz/Großenhain. Privat ist Jutta Matreux schon mittendrin in der Energiewende. Sie heizt ihr Haus schon längst nicht mehr mit Öl, sondern mit einer klimafreundlichen Luftwärmepumpe. Auf ihr Dach soll auch eine Solaranlage. Das sei fest eingeplant. "Aber ich suche noch nach einer ordentlichen Batterie", sagt die Betriebsleiterin des Wacker-Chemiewerks in Nünchritz, während sie mit Riesaer Lokaljournalisten auf hohen Besuch wartet.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig hat sich angekündigt. Der SPD-Politiker hat am Donnerstag bei seinem Thementag Wasserstoff mehrere Betriebe der Region besucht. Wacker ist die erste Station im Landkreis Meißen. Das freut Jutta Matreux gleich mehrfach.
Zum einen ist es das erste Treffen mit dem Minister, seitdem sie hier vor drei Jahren die Betriebsleitung übernahm. "Corona hatte es leider vorher nicht möglich gemacht", sagt sie. Und zum anderen sind Wasserstoff und erneuerbare Energien auch ein großes Thema im hiesigen Chemiewerk. Wie bei sich zu Hause würde sie auch hier gern die fossilen Brennstoffe, so schnell es geht, durch sauberen Strom und umweltfreundliche Technologien ersetzen.
Ohne Erdgas geht momentan gar nichts
Im hiesigen Dampfkraftwerk wird Erdgas verbrannt. "Ohne Dampf und Erdgas geht hier am Standort Nünchritz gar nichts", sagt sie. "Aber wir versuchen, den Erdgasverbrauch stetig zu senken." Innerhalb der letzten zehn Jahre habe er sich um die Hälfte reduziert, bestätigt Markus Kirchhoff, der hiesige Leiter für Energieversorgung.
In Zukunft will Wacker neben grünem Strom aus Wind- und Solarenergie auch auf Wasserstoff setzen, zumal aktuell wegen des Ukraine-Krieges auch Sanktionen für russisches Erdgas drohen. "Wir wünschten, wir wären in der Vergangenheit schneller gewesen", sagt Kirchhoff zum Thema Technologiewechsel. "Man kann nicht einfach den Hebel umschalten. Das geht nicht."
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Jutta Matreux wirbt bei Dulig, dass sich der Freistaat für ein Wasserstoff-Leitungsnetz stark machen soll. Dabei steht noch gar nicht fest, ob der so transportierte Wasserstoff für die Produktion bei Wacker sauber genug ist. Momentan gehen die Nünchritzer Chemie-Experten davon aus, dass dieser Wasserstoff einen Reinheitsgrad von rund 98 bis 99 Prozent aufweisen würde. "Wir brauchen aber 99,999 Prozent", sagt die Betriebsleiterin. "Das ist etwa so, als würde man ein Stück Zucker in den Bodensee werfen." Wacker müsste dann zusätzliche Reinigungsanlagen für Wasserstoff bauen.
Forschungsprojekt für Großenhain
In der Großenhainer Gesenk- und Freiformschmiede geht es Geschäftsführer Wolfgang Pradella um ein Forschungsprojekt der angewandten Wissenschaft. Gemeinsam mit Martin Dix vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik Chemnitz und Marcus Wirsig aus Freiberg überzeugt Pradella den Minister von der nötigen Grundlagenforschung für den Einsatz der Wasserstofftechnologie zur Energieerzeugung. „Wir wollen nicht erst bis 2030 warten, sondern schon jetzt als sächsische Pioniere gemeinsam modellhafte Lösungen entwickeln“, sagt Pradella. Ihm schwebt vor, gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut und der Bergakademie Freiberg eine Wissensdatenbank über Simulationsprozesse aufzubauen und das Wasserstoffverbrennen zur Erhitzung von Stahl praxisnah in Großenhain zu erproben.

„Das wird viel Arbeit, wir bringen uns auch finanziell mit ein“, so Pradella. Der Geschäftsführer weiß um die Entwicklungszeiten für seine Spezialschmiedeprodukte, die global gefragt sind. „Wir bewegen die Welt“, heißt es im Betrieb, wenn z. B. von Bremsscheiben für einen französischen Schnellzug die Rede ist. Um die klaren Vorgaben der Kunden auch mit Wasserstoffverbrennung umsetzen zu können, braucht die Großenhainer Schmiede praxisorientierte Forschung. Denn Wasserstoff diffundiert bei der Erwärmung in den Spezialstahl, der hier verwendet wird, und könnte das Material porös machen. Das muss verhindert werden.
Der Appell an Martin Dulig fruchtet. "Wir haben einen Deal", so Sachsens Wirtschaftsminister zum Abschluss des Rundgangs durch die Schmiede. Mit der Sächsischen Aufbaubank soll ein passgenauer Förderantrag für das Forschungsprojekt erarbeitet werden. Der energiepolitische Wandel wird also auch in Großenhain eingeläutet.
