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Riesa: Ein spezielles Stück Boulevard

Der Abschnitt zwischen Scheiderstraße und Goethestraßen-Durchgang scheint von Leerstand und Verfall besonders betroffen. Woran liegt das?

Von Eric Weser
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Die Hauptstraße 17 (Bildmitte) bröckelt seit Jahren. Das Haus rechts daneben sieht äußerlich noch schick aus, ist aber auch ungenutzt. Im Frühjahr soll es unter den Hammer kommen – wieder einmal.
Die Hauptstraße 17 (Bildmitte) bröckelt seit Jahren. Das Haus rechts daneben sieht äußerlich noch schick aus, ist aber auch ungenutzt. Im Frühjahr soll es unter den Hammer kommen – wieder einmal. © Foto: SZ/Eric Weser

Riesa. Die Hauptstraße in Riesa gilt seit Langem als Sorgenkind. In Corona-Zeit und danach hat sich manche Entwicklung aber offenbar noch einmal verschärft: Geschäfte gingen weg, Wohnungen fielen leer, Hauseigentümer wechselten.

Die südliche Häuserzeile im Abschnitt zwischen Scheiderstraße und Goethestraßen-Durchgang ist da keine Ausnahme – eher scheinen sich dort die Probleme besonders deutlich zu zeigen. Zwar gibt es noch mehrere Läden – ein Nagelstudio, einen Raumausstatter oder ein Schuhgeschäft zum Beispiel. Doch Handel und Verkauf waren zuletzt eher auf dem Rückzug. So schloss im vorigen Jahr die Traditions-Fleischerei Albrecht (Hauptstraße 25). Die inzwischen nicht mehr existente Zeithainer Bäckerei Wagner hatte sich vor zwei Jahren aus dem Haus Hauptstraße 31 verabschiedet. Beide Geschäfte stehen aktuell leer.

Hoffnung, dass sich was tut

Überhaupt ist der Leerstand nicht nur vieler Ladenflächen, sondern ganzer Häuser in dem Bereich auffällig: Das einstige Kaufhaus Troplowitz (Hauptstraße 19) zum Beispiel, sieht zwar äußerlich noch schick aus, ist aber ungenutzt, seit vor knapp zwei Jahren eine Steuerkanzlei als letzte Mietpartei ausgezogen war. Innen gilt das Gebäude als stark sanierungsbedürftig, Teile davon sind gar eingefallen. Im April ist für das Denkmal – wieder einmal – ein Zwangsversteigerungstermin angesetzt. 340.000 Euro sind als Verkehrswert angesetzt. Bei einem früheren Auktionstermin 2021 waren es noch 428.000 Euro gewesen.

Seit Jahren leer stehend ist das Nachbargebäude Hauptstraße 17, ebenfalls ein denkmalgeschütztes Mehrfamilienhaus, das vor sich hin bröckelt. Schon vor einer Weile musste deshalb wieder der Boulevard vorm Haus mit Flatterband abgesperrt werden, weil – wieder einmal – Fassadenteile aufs Pflaster gestürzt waren. Die Tauben im Dachgeschoss nisten bereits unter einem blauen Sicherungsnetz.

Hoffnung, dass sich etwas tut, hatte es voriges Jahr beim ehemaligen Geschäft Nathan Optik (Hauptstraße 33) gegeben, als ein neuer Eigentümer das jahrelang ungenutzte Haus bei einer Zwangsversteigerung erstanden hatte und eine Beräumung in Gang gekommen war. Von einer Umgestaltung des baufälligen Objekts in ein Café war die Rede, doch das lässt bislang auf sich warten.

Leer gefallen ist vor einer Weile zudem ein kleineres Wohnhaus (Hauptstraße 23) in der Senke neben der Fleischerei Albrecht. Dort hatte nach SZ-Informationen bis vor einer Weile eine mehr als 90 Jahre alte Dame gelebt. Auf der Internetseite eines Riesaer Maklerbüros wird ihr ehemaliges Wohnhaus samt Nebengelass und Grundstück für knapp 150.000 Euro angeboten. Umfangreiche Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen zur Schaffung zeitgemäßer Wohnqualität seien nötig, ist in der zugehörigen Anzeige zu lesen.

Zwischen der Scheiderstraße und dem Goethestraßen-Durchgang (gelb) gibt es ein Dutzend Gebäude, jedes zweite steht leer (rotes Fähnchen). Gut sichtbar im Luftbild: Die Gebäude westlich des Durchgangs über die Straße An der Eiche sind rückseitig erschlosse
Zwischen der Scheiderstraße und dem Goethestraßen-Durchgang (gelb) gibt es ein Dutzend Gebäude, jedes zweite steht leer (rotes Fähnchen). Gut sichtbar im Luftbild: Die Gebäude westlich des Durchgangs über die Straße An der Eiche sind rückseitig erschlosse © Grafik: SZ

Zählt man die Gebäude in dem Bereich, kommt man auf 13 Stück – von denen jedes zweite leer ist. "Der Leerstand in diesem Bereich ist durchschnittlich höher", bestätigt auch Innenstadtmanagerin Anja Dietel, deren Kontaktbüro am Durchgang zur Goethestraße liegt. Dietel weist jedoch auf den Unterschied zwischen nutzbarem und nicht nutzbarem Leerstand hin: Im betreffenden Abschnitt seien zum Beispiel einige Läden nicht mehr nutzbar, da die Häuser einen erheblichen Sanierungsbedarf hätten. "Bei unbewohnten, sanierungsbedürftigen Häusern, deren Eigentümer zudem nicht in Riesa sind und keine örtlich zuständige Hausverwaltung haben, verschärft sich das Problem nochmals", so die Innenstadtmanagerin.

Eine weitere Herausforderung besonders im betreffenden Abschnitt sei die fehlende rückwärtige Erschließung der Häuser: Vom Goethestraßen-Durchgang in Richtung Westen gebe es so eine Erschließung durch die Straße An der Eiche. Die kleine Straße mit dem Wendehammer hinter der Riesa Information wurde nach der Wende gebaut. "Dadurch sind Grundstücke für Gewerke, Gewerbetreibende und Mieter viel besser erreichbar", so Anja Dietel. Das steigere den Wohnkomfort, etwa durch Kfz-Stellplätze hinterm Haus. Eine solche Erschließung auch für das Karree zwischen Scheiderstraße und Goethestraßen-Durchgang zu schaffen, dürfte indes kaum mehr möglich sein.

Finanziell überfordert trotz Förderanreizen

Bleibt die Frage, was getan werden kann? Bereits seit einer Weile wird in Riesa an einem Anti-Leerstandsprogramm für Ladenflächen in der Innenstadt gearbeitet. Allerdings, unterstreicht Anja Dietel, könnten in dieses "nur funktionierende oder geringfügig sanierungsbedürftige Ladenflächen" einbezogen werden. Hierzu hätten sich auch einige Partner gefunden. Ob auch für den betreffenden Hauptstraßen-Abschnitt, bleibt offen. Zumindest für die ehemalige Bäckerei-Filiale im Hauptstraßen-Gebäude mit der Nummer 31 könnte es Hoffnung geben, dass es über das "ZIZ"-Programm ("Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren") zumindest zu einer Zwischennutzung kommt.

Um baulich etwas an den Gebäuden zu tun, stünden Fördermöglichkeiten über das "Lebendige-Zentren-Programm" (LZP) zur Verfügung, an dem Riesa sich beteiligt hat, so die Innenstadtmanagerin. Unterstützt würden Sanierung oder auch demografiegerechter Umbau der Häuser, aber auch Abrisse. "Hier sind wir mit einzelnen Hausbesitzern im Gespräch, aber die gegenwärtige finanzpolitische Lage ist für viele ein K.-o.-Kriterium", sagt Anja Dietel.

  • Der altersgerechte Umbau von Wohnungen oder eines gesamten Gebäudes wird über das Förderprogramm LZP mit maximal 40 Prozent bezuschusst, der Eigenanteil beläuft sich damit auf 60 Prozent.

  • Für Sanierungen von Privathäusern gibt es ebenfalls Zuschüsse, etwa wenn in die Gebäudehülle (Dachstuhl, Putz, Wärmedämmung) oder Außenanlagen (z.B. Zäune oder Tore) investiert wird. Das Ganze wird pauschal mit 25 Prozent gefördert, der Eigenanteil beträgt somit 75 Prozent.

  • Beide Maßnahmen haben zum Ziel, den den Wohnstandort Innenstadt zu stärken und Aufenthalts- und Lebensqualität zu erhöhen. (Quelle: Stadt Riesa)