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Schlag der Kirchturmuhr vor Gericht

Der Stundenschlag der Bloßwitzer Kirche beginnt jetzt erst um 7 Uhr. Der viertelstündige Zeitschlag bleibt stumm. Das hat aber eine andere Ursache.

Von Jürgen Müller
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Der Stundenschlag der Bloßwitzer Kirche um 6 Uhr störte einen Anwohner. Er zog vor Gericht.
Der Stundenschlag der Bloßwitzer Kirche um 6 Uhr störte einen Anwohner. Er zog vor Gericht. © Sebastian Schultz

Stauchitz. Fast drei Jahrzehnte hat sie zwangsweise geschwiegen, die Turmuhr der Bloßwitzer Kirche. Die Zeiger der Uhr aus dem Jahr 1871 drehten sich schon lange nicht mehr, auch das Schlagwerk war defekt. Daran hätte sich wohl vorläufig nichts geändert, denn die Kirchgemeinde hatte kein Geld für die Sanierung. Doch dann geschah ein kleines Wunder. Anonyme Geldgeber spendeten mehrere Tausend Euro, damit die Uhr wieder instandgesetzt werden kann.

Insgesamt 13.000 Euro kostete die Sanierung der Kirchturmuhr, das meiste kam aus der Spende. Auch ein neues, elektrisches Schlagwerk wurde angeschafft, das war der ausdrückliche Wunsch der Spenderfamilie.

An die Ruhe gewöhnt?

Seit gut zwei Jahren nun drehen sich die Zeiger der Uhr wieder, zeigt sie an, was die Stunde geschlagen hat. Stündlich schlägt die Glocke, zudem viertel einmal, halb zweimal und dreiviertel jeder Stunde dreimal.

Doch das gefällt nicht jedem im Ort. Manche hatten sich wohl über die 30 Jahre an die Ruhe gewöhnt. Einer nun klagte gegen die Kirchgemeinde vor dem Zivilgericht des Landgerichts Dresden. Der Kläger, der nach eigenen Angaben seit 18 Jahren in der Nähe der Kirche wohnt, fühlte sich vom Schlagen der Turmuhr gestört. Er müsse oft nachts arbeiten und könne sich dadurch nicht konzentrieren. Zudem werde er früh von den Schlägen der Turmuhr geweckt.

Vor Gericht einigten sich beide Seiten auf einen Vergleich. Statt ab 6 Uhr schlägt die Turmuhr jetzt erst ab 7 Uhr. Ab 22 Uhr ist der stündliche Glockenschlag ohnehin abgeschaltet. Das war auch vorher schon so.

Allerdings sind die Viertelstundenschläge jetzt auch nicht mehr zu hören. Hat das etwas mit der Klage zu tun, wie der Kläger behauptet? Nein, sagt die Kirchgemeinde, dies habe einen anderen Grund. Fast zeitgleich mit der Turmuhr wurden auch drei der vier Kirchenglocken sowie der Glockenturm erneuert. Die 500 Jahre alten Stücke schepperten, weil sie Risse hatten. Jetzt sollten sie eigentlich wieder 500 Jahre halten. Die kleinste der Glocken, die den Viertelstundenschlag abgibt, ist allerdings defekt. Sie ist jetzt in den Niederlanden, wo sie und die beiden anderen Glocken saniert und repariert werden.

Glockenläuten ist Kulturgut

"Beschwerden über das Schlagen von Kirchturmuhren oder das Glockengeläut gibt es immer mal wieder. Vor allem wegen der Riesaer Trinitatiskirche. Zumeist sind es Zugezogene, die sich beschweren", sagt Pfarrer Martin Scheiter, der derzeit die vakante Pfarrstelle in Staucha besetzt, nachdem der bisherige Pfarrer Johannes Grasemann im Juli in den Ruhestand gegangen war. "Das Glockengeläut dient religiösen Zwecken, dagegen kann man nicht klagen. Beschwerden gibt es trotzdem immer mal wieder. Wir werben dann um Verständnis, schließlich handelt es sich um ein Kulturgut", sagt Pfarrer Scheiter. Anders verhält es sich allerdings mit dem Zeitschlag zur vollen Stunde und jede Viertelstunde. Diese haben keine solche Bedeutung, weil sie nicht religiösen Zwecken dienen. Genau diesen Stundenschlägen galt die Klage.

Wenn die Lautstärke der Glockenschläge nachts den Grenzwert überschreitet, kann eine Nachtabschaltung angeordnet werden. "Wir haben aber von Anfang an, von uns aus, den Stundenschlag von 22 bis 6 Uhr abgeschaltet", sagt Mitarbeiterin Ute Frankowski. Im Übrigen hätten zwei Gutachten des Umweltamtes ergeben, dass der Wert eingehalten würde.

Die meisten Bloßwitzer aber freuen sich, dass die Turmuhr nach 30 Jahren repariert wurde, die Zeit anzeigt und zur vollen Stunde schlägt. Sollte die kleine Glocke reparierbar sein, wird sie voraussichtlich ab Jahresende von 7 Uhr morgens bis 22 Uhr jede Viertelstunde wieder zu hören sein.

Laut Pfarrer Martin Scheiter wurden die Kosten des Gerichtsstreites dem Kläger auferlegt. Die Kirchgemeinde muss allerdings eine erkleckliche Summe an Anwaltskosten zahlen. Sie hat im Gegensatz zum Kläger keine Rechtsschutzversicherung.