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Strehla will Wolf abschießen lassen

Seit Wochen ist ein Wolf Thema in Strehla bei Riesa. Er tötete mehrere Zuchttiere und soll in der Stadt gesichtet worden sein. Reicht das für die Entnahme?

Von Jörg Richter
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Erich Knott zeigt die Stelle im Zaum, an der ein Wolf sich einen Weg zum Wildgehege am Strehlaer Stadtrand grub.
Erich Knott zeigt die Stelle im Zaum, an der ein Wolf sich einen Weg zum Wildgehege am Strehlaer Stadtrand grub. © Jörg Richter

Strehla. Die Hirschkühe sind unruhig. Sie laufen im Wildgehege von Erich Knott auf und ab. Kein Wunder. Nach den Geschehnissen der letzten Tage und Nächte sind die Tiere noch schreckhafter als sonst. "Sie wittern den Wolf", vermutet der 77-Jährige. "Der ist bestimmt ganz in der Nähe." Und das am helllichten Tag.

Am vergangenen Wochenende ist ein Wolf zweimal nachts in das Wildgehege am Rande von Strehla eingedrungen und hat jeweils eine Hirschkuh getötet. Am Montag war er offenbar so dreist, seiner neuen "Speisekammer" am Nachmittag einen Besuch abzustatten. Daraufhin flüchtete die gesamte Herde in die Freiheit.

Wie sie das geschafft hat, ist unklar. Knott zeigt auf ein Loch im Drahtzaun, durch das sich die schlanken Tiere möglicherweise in ihrer Panik durchgezwängt haben. Mittags soll das Damwild noch im Gehege gewesen sein, hätte ihm ein Kollege bestätigt. Am Nachmittag erreichten den Strehlaer, der sich zu dieser Zeit auf einer Baustelle in Berlin aufhielt, mehrere Telefonanrufe. Alle berichteten ganz aufgebracht, dass seine Herde ausgebrochen sei.

Aufgebrachte Bevölkerung

Noch am selben Abend waren die meisten Hirschkühe wieder im Gehege, so Knott. Er hatte es aufgelassen und die Tiere mit Mais angelockt. Mittlerweile ist auch die Stelle, an der sich der Wolf unter dem Zaun durchgebuddelt hat, mit Feldsteinen verschlossen. Hier kommt er nicht mehr durch.

Das Damwild im Gehege von Erich Knott ist seit Tagen unruhig. Hier war ein Wolf mehrmals auf Beutetour zu Besuch.
Das Damwild im Gehege von Erich Knott ist seit Tagen unruhig. Hier war ein Wolf mehrmals auf Beutetour zu Besuch. © Andreas Weihs

"Die Bevölkerung ist ganz schön aufgebracht", schimpft Erich Knott. Er berichtet, dass mehrere Strehlaer erst vor Kurzem beobachtet haben wollen, wie ein Wolf zwei Rehe in die Innenstadt gejagt habe. Sehr wahrscheinlich handelte es sich dabei um denselben Einzelgänger.

Ein weiterer Hinweis, dass ein Dackel von einem Wolf gebissen wurde, bestätigt sich nicht. Dessen Besitzerin, die unerkannt bleiben möchte, hatte lediglich beobachtet, wie ihr Hund in den letzten Wochen "etwas durch den Wind" gewesen sei, als er möglicherweise den Wolf in der Nähe des Grundstücks gewittert habe. Eine später angebrachte Wildkamera sollte Aufschluss bringen. Bisher ohne Erfolg.

Stadtverwaltung ist machtlos

"Ja, der Wolf hat in den letzten Tag vermehrt in Strehla zugeschlagen", teilt Strehlas Ordnungsamtsleiter Robert Wölk auf Anfrage von Sächsische.de mit. "Aktuell wird nach unseren Informationen von einem einzelnen Tier ausgegangen." Dieses wurde nach Bürgerinformationen auch tagsüber in unmittelbarer Stadtnähe, in Grundstücken, gesichtet.

"Die Stadt Strehla ist in den meisten Fällen leider machtlos, da die Zuständigkeit dafür nicht bei uns liegt", sagt Wölk. "Hier ist klar das Land beziehungsweise der Bund gefordert." Die Stadtverwaltung würde nun versuchen, beim zuständigen Ministerium eine Entnahme des Wolfes zu beantragen.

Bei der Fachstelle Wolf sind in diesem Jahr vier Rissmeldungen aus der Stadt Strehla eingegangen. Das bestätigt die Pressestelle des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Drei Vorfälle betrafen das Damwild-Gehege von Erich Knott (26. April, 6. und 8. Mai). In einem anderen Gehege wurden am 17. Februar zwei Schafe gerissen. Zudem sei in diesem Jahr eine Sichtungsmeldung im Wolfsmonitoring eingegangen. Sie stammt von Anfang März, als Autofahrer beobachteten, wie ein einzelner Wolf die B182 zwischen Oppitzsch und Forberge überquerte und über das Feld davon trabte.

Wann ist ein Wolf ein Problemfall?

Ob das alles reicht, den Wolf als Problemfall einzuordnen, hängt davon ab, wie das fortlaufende Wolfsmonitoring das Verhalten des Wildtieres einschätzt. Zu einem auffälligen Verhalten zähle unter anderem das wiederholte Aufsuchen von Grundstücken, zum Beispiel zur Futtersuche auf Komposthaufen oder das Annähern an Menschen beziehungsweise auch das Interesse gegenüber Menschen oder Wohnsiedlungen. "Pauschalisieren lässt sich ein auffälliges Verhalten nicht, weil es immer abhängig von der jeweiligen Situation ist", so Pressesprecherin Karin Bernhardt.

Zudem verlange das wiederholte Töten von Weidetieren, die sachgerecht geschützt waren, besondere Aufmerksamkeit. Die Sächsische Wolfsmanagementverordnung regelt unter anderem für typische Situationen, wann Wölfe vergrämt oder entnommen werden dürfen.

Bisher zwei genehmigte Abschüsse in Sachsen

Allerdings sei seit Inkrafttreten dieser Verordnung (Ende Juli 2019) in Sachsen noch kein Wolf zum Abschuss freigegeben worden, teilt Karin Bernhardt mit. Davor sind im Freistaat 2008 und 2018 von Amts wegen zwei „Entnahmen“ vollzogen worden. Im Jahr 2017 sind zwei befristete Ausnahmegenehmigungen zum Töten eines Wolfes erteilt worden. Jedoch war in einem Fall der Problem-Wolf nicht mehr auffindbar. In dem anderen Fall wurde der Abschuss durch Widerspruch und Klage ausgesetzt.

Um das Verhalten eines Wolfes oder eines Rudels besser einschätzen zu können, ist die Fachstelle Wolf auf Hinweise aus erster Hand angewiesen, teil das Landesamt mit. Das ist sowohl online als auch per Telefon oder E-Mail möglich: https://www.wolf.sachsen.de/wolfshinweise-melden-3978.html.