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Gefragter Corona-Tropfen

Die Gaststätten sind zu, die Weihnachtsfeiern fallen aus - aber einen Trost gibt es offenbar doch noch.

Von Christoph Scharf
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Wilfried Thiel lebt in Gröditz und hat sich mit der Riesaer Vinothek einen Traum verwirklicht. Dort hat er mehr als 600 Sorten Wein im Angebot.
Wilfried Thiel lebt in Gröditz und hat sich mit der Riesaer Vinothek einen Traum verwirklicht. Dort hat er mehr als 600 Sorten Wein im Angebot. © Sebastian Schultz

Riesa. Was macht man, wenn der Staat die Gaststättenschließung nochmal um ein paar Wochen verlängert? Und Weihnachtsfeiern ohnehin in diesem Jahr wegen der Corona-Regeln abgesagt sind? Man lässt es sich zuhause gut gehen. "Mittlerweile läuft das Geschäft wieder ganz gut", sagt Wilfried Thiel von Riesas einziger Vinothek. Das war beim ersten Lockdown im Frühjahr noch ganz anders. "Damals dachten die Kunden, wir wären zu - obwohl wir doch da waren", sagt der Weinhändler.

Doch das Geschäft an der Lauchhammerstraße sollte nicht lange leer bleiben. Im Sommer wurde es schon besser: Weil sehr viele Leute, anders als geplant, wegen Corona im eigenen Land Urlaub machten, packten sich manche dafür auch ein, zwei Kisten Wein in den Kofferraum. So war die Versorgung auch auf dem Campingplatz gesichert. "Sonst wären die vielleicht nach Italien in Urlaub gefahren. Und da hätte ich mir auch keinen Wein eingepackt", sagt Thiel.

Und im Spätsommer gingen in der Vinothek am Hafen dann auch die Spirituosen mit einem Mal deutlich besser. Ob Gin, Wodka, Whisky - teils gab es ein Umsatzplus von 20 Prozent, sagt der Geschäftsinhaber. Der Volksmund spreche schon vom "Corona-Tropfen". Dass Alkohol medizinisch nützlich gegen Corona sei, will Wilfried Thiel allerdings nicht behaupten. Und glaubt man der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, wirkt Alkohol ab einer Konzentration von mindestens 60 Prozent zwar als Desinfektionsmittel auf der Haut, beim Trinken entfaltet es so eine Wirkung allerdings nicht.

Ohnehin ist Thiel nicht der Händler für den schnellen Rausch. Hierher kommen eher die Feinschmecker. In normalen Jahren etwa bietet er eine Whisky-Verkostung an, die trotz Kartenpreisen von mehr als 40 Euro ständig ausverkauft sind. "Dieses Jahr musste das natürlich ausfallen", sagt der Händler. Wer will sich schon mit Maske und Mindestabstand zusammensetzen, um Whiskys zu verkosten? An die 50 Karten hatte er schon verkauft, als er absagen musste. "Trotzdem kam keiner von den Kunden, um sich das Geld zurückzuholen", freut sich Thiel über das Vertrauen. Nun will er die Karten als Gutscheine für sein Sortiment akzeptieren.

Die Riesaer Vinothek am Hafen bleibt an der Lauchhammerstraße, auch wenn im Stadtteil schon einige Läden zugemacht haben. Der Vorteil dort sei der große Parkplatz, sagt der Inhaber.
Die Riesaer Vinothek am Hafen bleibt an der Lauchhammerstraße, auch wenn im Stadtteil schon einige Läden zugemacht haben. Der Vorteil dort sei der große Parkplatz, sagt der Inhaber. © Sebastian Schultz

Ohnehin wird das Weihnachtsgeschäft spannend: Normalerweise ist das der Zeitraum, in dem er den besten Umsatz im Jahr macht. Aber dieses Mal? "Das ist ein großes Fragezeichen", sagt der 60-Jährige. Weil deutschlandweit die Weihnachtsmärkte ausfallen, sitze der Handel auf zig Millionen Litern Glühwein. Und weil der nicht in der typischen Ein-Liter-Flasche abgefüllt sei, sondern im Zehn-Liter-Kanister, könne man ihn auch nicht einfach an Privatleute verkaufen. "Eine Party mit Freunden zuhause darf ja keiner machen."

Aber Glühwein werden die Leute wohl trinken wollen - und deshalb hat der Weinhändler seinen Flaschenvorrat in diversen Sorten schon aufgestockt. Vom Sächsischen Winzerglühwein in rot, weiß, rose über Bioglühwein bis zum Produkt seines "Hauslieferanten" Schenk Siebert aus der Pfalz. "Einige Kisten habe ich schon verkauft", sagt Thiel. Und da es offenbar Leute gibt, die selbst auf einem Weihnachtsmarkt partout keinen Glühwein trinken, hat er vor zwei Jahren noch einen Wintersecco ins Programm aufgenommen - den trinkt man kalt.

An Geschenkverpackungen soll es jedenfalls nicht mangeln: Der Weinhändler hat für die Adventszeit vorgesorgt.
An Geschenkverpackungen soll es jedenfalls nicht mangeln: Der Weinhändler hat für die Adventszeit vorgesorgt. © Sebastian Schultz

Anderen Getränkehändlern geht es derzeit schlechter: Anders als beim Fassbier für die Gastronomie werden Wein und Spirituosen bei Thiel nicht ganz so schnell schlecht. Und ohnehin mache die Gaststätten-Belieferung nur einen kleinen Teil seines Umsatzes aus. "Schlimm, was das für andere Händler bedeutet", sagt Thiel. "Und für die Gastronomie."

Viele Betroffene würden zwar Kurzarbeitergeld bekommen. Aber damit müsse man haushalten, zumal auch das sonst anfallende Trinkgeld in der Gastronomie wegfalle. Manch andere Kunden würden sich aber jetzt ganz bewusst was gönnen. "Sonst war beim Wein oft ein Flaschenpreis von zehn Euro für viele die Schmerzgrenze. Jetzt gehen auch etwas teurere Weine", sagt Thiel. Das liege vermutlich daran, dass die Leute im Urlaub oder in der Gaststätte sonst deutlich mehr für eine Flasche ausgegeben hätten - und das so gesparte Geld für etwas Besonderes ausgeben wollen.

Gespannt schaut der Weinhändler nun auf die Vorweihnachtszeit. Erfahrungsgemäß kommen Kunden bis aus Torgau, Oschatz, Dahlen, Bad Liebenwerda zu ihm - während die Großenhainer eher nach Meißen oder gleich nach Dresden fahren. "Die Flüsse trennen, das merkt man im Handel", sagt Thiel. Und hofft, dass das nächste Jahr wieder etwas normaler wird.

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