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Was die Nachbarn vom Riesaer Stahlwerk erwarten

Lärm und Lkw-Verkehr sind die beiden großen Themen beim Bürgerdialog im Stadtteil Gröba. Zumindest in einem Punkt ist Besserung in Sicht.

Von Stefan Lehmann
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Blick aus Richtung Am Gucklitz aufs Stahlwerk. Die Nachbarn in der Siedlung fühlen sich vor allem vom Lärm aus dem Stahlwerk beeinträchtigt. Der könnte sich künftig spürbar reduzieren, hofft Feralpi.
Blick aus Richtung Am Gucklitz aufs Stahlwerk. Die Nachbarn in der Siedlung fühlen sich vor allem vom Lärm aus dem Stahlwerk beeinträchtigt. Der könnte sich künftig spürbar reduzieren, hofft Feralpi. © Andreas Weihs

Riesa. Die Aula des Werner-Heisenberg-Gymnasiums ist großzügig bestuhlt. Ein guter Teil der Plätze werden am Dienstagabend frei bleiben. Vielleicht ein gutes Zeichen? Immerhin hat Feralpi zum Bürgerdialog geladen, um mit den Anwohnern über deren Befindlichkeiten zu sprechen. Immerhin um die 30 Gäste dürften es aber dennoch sein, die sich in der Aula verteilen. Mit dem Zuspruch sei man jedenfalls durchaus zufrieden, heißt es später vom Unternehmen. Sächsische.de gibt einen Überblick über die Themen des Abends.

Rund 200 Millionen Euro an Investitionen

Ehe es zur Diskussion ging, stellten Werksdirektor Uwe Reinecke und der Direktor für Umwelt und Sicherheit Mathias Schreiber noch einmal die laufenden und geplanten Investitionen auf dem Gelände vor. Viel Zeit nahm dabei insbesondere das geplante Walzwerk B ein, für das im Sommer der erste Spatenstich erfolgt war. Allein für dieses Werk geht Feralpi von mehr als 100 Millionen Euro Investitionskosten aus. Alles in allem werde man bis 2024 mehr als 200 Millionen Euro investiert haben. Ein klares Bekenntnis zur Region, sagte Uwe Reinecke.

Schon der Aufbau des neuen Walzwerks wird eine Reihe von Veränderungen auf dem Stahlwerksgelände mit sich bringen. Unter anderem muss ein neues Umspannwerk errichtet werden, darüber hinaus eine dritte Aufbereitungsanlage für das Kühlwasser. Die neu zu errichtenden Walzanlagen selbst erstrecken sich dann von der grünen Halle ausgehend einmal in Richtung der Halle des Drahtwerks und dann zu den Arbonia-Hallen. Früher wurden dort Heizkörper produziert, nun soll die Halle zumindest in Teilen wieder der Stahlproduktion zugeführt werden. Damit würden heute leerstehende Hallen reaktiviert, betonte Mathias Schreiber. Auch die alten Bürotrakte und Sanitäranlagen seien für Feralpi noch nutzbar.

Lärmbelastung ist Thema Nummer eins

In der anschließenden Diskussion mit den Nachbarn wurde schnell deutlich, was den Anwohnern ganz besonders unter den Nägeln brennt. "Der Lärm belastet uns seit Jahren", erklärte ein Anwohner der Florian-Geyer-Straße. Gerade in der letzten Zeit sei der Krach besonders groß gewesen, hauptsächlich durch den Schrottplatz. Eine Frau aus dem Publikum pflichtete ihm bei. "Es ist gruslig, hier muss etwas passieren."

Das Thema ist kompliziert, sagt Mathias Schreiber. Die am stärksten betroffenen Wohnhäuser Am Gucklitz befinden sich in einiger Entfernung, auf der anderen Seite der Bahngleise. Wollte man dort mit Lärmschutzwänden arbeiten, müssten diese 15 bis 20 Meter hoch sein. Das sei schon statisch sehr kompliziert.

Mittelfristig könnte die Schrottaufbereitung tatsächlich leiser werden: Gerade wird in Riesa ein neues Schrottkonzept umgesetzt. Das sieht unter anderem eine weitere Einhausung des Schrottplatzes vor. Umgesetzt wird es in zwei Stufen, die zweite läuft ab 2024, aber die ersten Gebäude werden schon jetzt errichtet – und könnten schon einen Teil zur Schallabschirmung beitragen. Schon im Frühjahr 2023 soll außerdem das Fallwerk eingehaust sein, das sich etwas weiter westlich der übrigen Stahlwerksanlagen befindet. "Dann hat sich das Thema Staub und Lärm aus diesem Bereich erledigt", sagt Mathias Schreiber.

Auf Anregung eines Anwohners will Uwe Reinecke auch noch einmal prüfen lassen, inwieweit sich die Arbeitsabläufe optimieren lassen, damit wenigstens am Wochenende längere Zeit Ruhe ist. Wunder könne er aber nicht versprechen. Der Werksdirektor verweist auf seine Zeit beim Gröditzer Stahlwerk. Da habe er nahe am Gelände gewohnt. "Und der Schrottplatz war immer zu hören."

Sorge um zunehmenden Lkw-Verkehr

Spätestens mit der Inbetriebnahme des neuen Walzwerks Ende 2024 soll auch mehr Baustahl das Werk verlassen. Auf dem eigenen Werkgelände baut Feralpi bis dahin vor: Die Wegeführung soll entzerrt werden; unter anderem, damit sich die Lkw nicht mehr bis auf die öffentlichen Straßen stauen.

Aber bedeutet mehr Produktion auch ein größeres Lkw-Aufkommen auf den Straßen? Diese Frage stellte Thomas Schadewitz. Mit der Antwort tat sich Mathias Schreiber nicht ganz leicht. Genehmigt sind schon seit längerer Zeit größere Transportmengen, faktisch blieb das Werk aber zuletzt darunter. Man muss also davon ausgehen, dass einer Steigerung der Produktion von einer auf 1,2 Millionen Tonnen Stahl auch entsprechend mehr Verkehr auf die Straße kommt – wenn es nicht gelingt, ihn auf die Schiene zu bringen.

Der Lkw-Verkehr belastet viele Gröbaer Anwohner, vor allem an der Lauchhammerstraße. Wenn das neue Walzwerk die Produktion aufnimmt, könnten es noch einige Lkw mehr werden – außer, die Bahn stellt mehr Güterzüge.
Der Lkw-Verkehr belastet viele Gröbaer Anwohner, vor allem an der Lauchhammerstraße. Wenn das neue Walzwerk die Produktion aufnimmt, könnten es noch einige Lkw mehr werden – außer, die Bahn stellt mehr Güterzüge. © Andreas Weihs

Hier sieht Uwe Reinecke einen wichtigen Knackpunkt: Die Zugbereitstellung klappe derzeit nicht so, wie das auch aus Sicht von Feralpi wünschenswert wäre. Etwa 30 Prozent des Schrotts und 20 Prozent des Baustahls würden derzeit nach beziehungsweise von Riesa aus mit dem Zug transportiert. "Wir hätten hier optimale Voraussetzungen, um diesen Wert zu verdoppeln." Aber das scheitere momentan an DB Cargo, nicht an Feralpi. Man habe schon Mühe und Not, einmal in der Woche einen Zug aus Lonato zu bekommen.

Einhausungen sollen Schadstoffausstoß reduzieren

Schadstoffwerte hatten in der Vergangenheit schon häufig für Schlagzeilen gesorgt, wenn es um Feralpi ging. Wegen vermeintlich zu hoher Dioxinbelastung hatte sich Anfang der 2000er-Jahre eine Bürgerinitiative gegründet, die das Stahlwerk seither kritisch im Blick hat. Auch das hat dazu beigetragen, dass Feralpi mittlerweile jährlich seine Bemühungen und Kenngrößen in einem Umweltbericht offen legt. BI-Gründer Jan Niederleig hatte denn auch eine Reihe von Fragen, die sich unter anderem mit Chromwerten befassten und mit der neu gebauten Kuppel auf dem Schmelzhausdach. Er habe das Gefühl, nach dem Umbau sei es sogar lauter geworden.

Ob das objektiv der Fall ist, sollen in Kürze Messungen klären, sagte Mathias Schreiber. Was die Chrombelastung angeht, so würden die Werte weiter gesenkt – auch hier seien die umfangreichen Einhausungen und die stückigere Schrottaufbereitung wichtige Maßnahmen.

In ferner Zukunft könnte Feralpi auch Warmwasser bereitstellen

Ein Randthema am Abend war auch die Frage, was eigentlich mit der heißen Luft aus dem Werk passiert. Während Feralpi schon das Reifenwerk mit Dampf versorgt, sieht es beim neuen Walzwerk schwieriger aus. Die 30 Grad Celsius am Ende der Walzstraße reichten nur noch für ein Gewächshaus. Weiter vorn im Produktionsprozess gibt es aber Potenzial, um in Zukunft beispielsweise Warmwasser zu erzeugen. Noch steckt diese Idee aber ganz am Anfang.

Nicht alle Fragen und Anliegen konnten Mathias Schreiber und Uwe Reinecke direkt beantworten. Man wolle mit den Anwohnern aber weiter im Dialog bleiben, versprach der Werksdirektor. Wer wollte, konnte dazu seine Kontaktdaten in ein Formular am Eingang eintragen – um so aktuell über Maßnahmen auf dem Laufenden zu bleiben.