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Zeithain: Fliegerbombe lag nur knapp unter der Erde

Das Zeithainer Kieswerk Holcim und die Polizei geben Einzelheiten zum Bombenfund am Montag bekannt. Der Sprengkopf lag fast 79 Jahre lang unentdeckt nicht einmal einen halben Meter im Untergrund.

Von Jörg Richter
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Diese Bomben und Granaten sind für Ausbildungszwecke beim Kampfmittelbeseitigungsdienst in Zeithain vorgesehen. Anhand dieser lässt sich die Herkunft baugleicher Fliegerbomben bestimmen.
Diese Bomben und Granaten sind für Ausbildungszwecke beim Kampfmittelbeseitigungsdienst in Zeithain vorgesehen. Anhand dieser lässt sich die Herkunft baugleicher Fliegerbomben bestimmen. © Lutz Weidler

Zeithain. Eine Fliegerbombe sowjetischer Bauart hat am Montag die Menschen in der Gemeinde Zeithain im Atem gehalten. Sie war am Vormittag auf dem Gelände des Kiestagebaus der Firma Holcim gefunden worden. Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Sachsen hatten sie am Nachmittag gesprengt.

"Zum Glück haben sie ihren Sitz bei uns gleich um die Ecke und hätten sogar zu Fuß zur Fundstelle laufen können", sagt Holcim-Geschäftsführer Thomas Steglich. "Da sind wir schon etwas privilegiert." Deshalb seien die Sprengmeister auch schnell vor Ort gewesen und mussten nicht erst noch durch den halben Freistaat fahren, wie es sonst der Fall ist, wenn sie nach Dresden, Leipzig oder an andere Einsatzorte in Sachsen gerufen werden.

Wie Steglich bestätigt, sei die Fliegerbombe bei Erdarbeiten entdeckt worden. Holcim lässt zurzeit eine weitere Fläche des bereits begonnenen Abbaufeldes IV für den Kiesabbau vorbereiten. Es handelt sich dabei um das Gebiet zwischen den beiden Gasleitungen, die quer durch den Tagebau verlaufen, und dem Waldweg, der zum ehemaligen Röderauer Waldbad führt.

Planierraupe brachte Bombe ans Tageslicht

Eine Planierraupe schiebt momentan auf dieser Fläche den Mutterboden zur Seite. Dabei sei die Bombe zum Vorschein gekommen. Deren Fahrer hatte den Ernst der Lage sofort erfasst und richtig gehandelt und den Fund gemeldet, lobt Steglich. So konnte das Gebiet relativ schnell in einem Umkreis von 500 Meter abgesperrt und Anwohner evakuiert werden. Auch drei einheimische Betriebe, darunter Elektro-Barth in Röderau, wurden informiert, dass sich ihre Mitarbeiter in Sicherheit begeben sollen.

Laut Steglich habe sich die Fliegerbombe nur knapp unter der Erde befunden, in etwa 40 Zentimeter Tiefe. Der Holcim-Geschäftsführer fragt sich, warum die Bombe nicht schon früher entdeckt worden ist. Das Kies-Unternehmen hatte das Gebiet vorher von Archäologen untersuchen lassen. Sie hatten mehrere, streifenweise Probe-Schachtungen gemacht. Jede etwa fünf Meter breit, 150 bis 200 Meter lang und einen halben Meter tief. Die Fliegerbombe habe sehr wahrscheinlich im Boden zwischen zwei dieser Streifenschachtungen gelegen.

Das Polizeiverwaltungsamt Dresden, dem der Kampfmittelbeseitigungsdienst in Zeithain unterstellt ist, stuft die Fliegerbombe als "sowjetisches Großkampfmittel im Kaliber 100 kg" ein. Dessen Sprecher Andreas Weiner bestätigt, dass die Fliegerbombe wegen der Nähe zur Gasleitung erst verlagert werden musste, bevor sie gesprengt werden konnte.

Von der Sprengung gegen 16.15 Uhr war im Umland nichts zu hören. Auch nicht im nahe gelegenen Kieswerk, so Steglich. Die Kampfmittelsprengmeister hätten eine drei Meter tiefe Grube ausheben lassen, die Bombe darin versenkt und die Grube wieder mit Erde auffüllen lassen. Dann wurde gezündet und die Fliegerbombe damit unschädlich gemacht.

Die Bombe ist ein Relikt aus den letzten Kriegstagen an der Elbe zwischen Riesa und Strehla. Sehr wahrscheinlich wurde sie im April 1945, als die Rote Armee näher rückte, abgeworfen. Bei welchem Fliegerangriff genau, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen.

Rund 79 Jahre unentdeckt

Die Lorenzkirchnerin Ina-Maria Pradella schilderte in ihren "Erinnerungen an die letzten Kriegstage im April 1945", dass die Zeithainer Munitionsfabrik am 20. April 1945 bombardiert worden sei. "Eine riesige Explosion war zu hören und erschütterte die umliegenden Dörfer", schreibt Ina-Maria Pradella. Dieser gezielte Luftangriff ging aber auf das Konto der Amerikaner.

Jörg Runow vom Geschichts- und Traditionsverein Zeithain-Sachsen hält es eher für möglich, dass die Bombe in den Tagen danach bei einem Luftangriff sowjetischer Jak-Flieger ihr Ziel verfehlte und nicht explodierte. Einer dieser Luftangriffe ist vom 23. April 1945 bekannt, als an der Elbe bei Lorenzkirch Zehntausende Menschen auf den Elbwiesen ausharrten, in der Hoffnung, das Strehlaer Ufer zu erreichen. Zwei Tage zuvor hatte die NSDAP-Kreisleitung in Großenhain den Befehl an die Bevölkerung herausgegeben, alles Hab und Gut liegen zu lassen und auf die andere Elbseite zu flüchten.

Ob noch weitere Fliegerbomben in der Zeithainer Erde liegen, darüber könne das Polizeiverwaltungsamt Dresden keine Aussage machen, so Sprecher Weiner. Zwar gebe es Luftbildaufnahmen mit vereinzelten Trichtern, welche jedoch nicht zwangsläufig von Bomben stammen müssen.