Wülknitz. "Es wächst zusammen, was zusammen gehört." Willy Brandts berühmtes Zitat, einen Tag nach dem Fall der Berliner Mauer, erfährt eine neue Bedeutung. Denn der kleine Ort Heidehäuser soll endlich eins werden.
Zwar leben die Menschen hier seit ewigen Zeiten Zaun an Zaun, können, anders als im ehemals geteilten Deutschland, sich jederzeit besuchen und ein Schwätzchen halten. Dennoch trennt sie eine unsichtbare Mauer – die Gemeindegrenze zwischen Wülknitz und Zeithain.
Wie eine große Nase zieht sie sich von Norden her mitten in den Ort hinein, der eigentlich zur Gemeinde Wülknitz gehört und von dort aus auch verwaltet wird. Laut Grundbuchamt – und das gilt ja bekanntlich als allmächtig – sind die etwa die Hälfte der rund 80 Einwohner von Heidehäuser keine Wülknitzer, sondern eigentlich Zeithainer.
Das wurde 2019, kurz vor der Kommunalwahl, deutlich. Ein langjähriger Ortsvorsteher durfte nicht zur Wahl in der Gemeinde Wülknitz antreten, weil sein Wohnhaus in Heidehäuser auf Zeithainer Flur steht. Das sorgte nicht nur im Dorf für reichlich Kopfschütteln, gibt es dort immer weniger Menschen, die sich für so ein Ehrenamt bereiterklären.
Der ehemalige Wülknitzer Bürgermeister Hannes Clauß kommentierte damals die Posse um den von der Wiederwahl ausgeschlossenen Ortsvorsteher im Gemeindeblatt so: "Dass sich die Gemarkungsgrenze zu Zeithain merkwürdigerweise durch den Ort zieht, folglich das Wohnpflegeheim sowie zwei bewohnte Grundstücke auf Zeithainer Flur liegen und deren Bewohner offiziell Zeithainer sind, war zwar bekannt, störte jedoch weder Generationen von Zeithainer, Lichtenseer und Wülknitzer Gemeinderäten noch das Kommunalamt des Landkreises."
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Clauß kündigte damals an, dass die offene Grenzfrage im Zuge eines Flurneuordnungsverfahrens für die Dörfer Lichtensee, Tiefenau und Heidehäuser geklärt werden soll. Die Gemeinde Zeithain und Wülknitz seien gemeinsam mit Kommunalamt und Flurneuordnungsbehörde dabei, eine vertragliche Regelung zur Gebietsregulierung vorzubereiten.
Vier Jahre später ist es nun so weit. Der Gemeinderat Wülknitz soll am Montag auf seiner nächsten Sitzung über den Entwurf der Umgliederungsvereinbarung zwischen der Gemeinde Zeithain und der Gemeinde Wülknitz abstimmen. Stimmt er zu, soll der Entwurf ausgelegt und die Einwohner angehört werden. Wann sich der Zeithainer Gemeinderat damit beschäftigt, ist nicht bekannt.
Wülknitz soll etwas größer werden
Ziel ist, Flurstücke zu tauschen. Dabei soll nicht nur der Fall Heidehäuser berücksichtigt werden. Insgesamt 50 Flurstücke will Zeithain an Wülknitz abtreten und erhält im Gegenzug 47. Bei diesem Flächentausch von jeweils rund 41 Hektar wird die Gemeinde Wülknitz geringfügig größer – ganz genau um 771 Quadratmeter.
Die Gemeindeverwaltung Wülknitz rechnet bis zum Abschluss des Verfahrens mit einem Zeitraum von bis zu sechs Monaten. "In Hinblick auf die anstehenden Wahlen in 2024 sollte das Verfahren zügig durchgeführt werden", heißt es in der Beschlussvorlage.
Die nächste Kommunalwahl soll am 9. Juni 2024 durchgeführt werden. Wenn sich beide Gemeinden bis dahin auf einen Flächentausch geeinigt haben, kann die Posse endlich ein Ende haben und jeder Einwohner von Heidehäuser sich zur Wahl für den Ortsvorstand stellen.