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Wie krank ist Wladimir Putin?

Immer häufiger wird Russlands Außenminister Lawrow nach dem Gesundheitszustand Putins befragt. Er dementiert alle Spekulationen. Aber Fragen bleiben.

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Um die Gesundheit von Russlands Präsidenten Wladimir Putin brodeln seit längerem die Gerüchte.
Um die Gesundheit von Russlands Präsidenten Wladimir Putin brodeln seit längerem die Gerüchte. © Alexander Nemenov/POOL AFP/AP/dpa

Von Frank Herold

Kreml-Astrologie wurden in den Zeiten des Kalten Krieges die Versuche genannt, etwas über den Gesundheitszustand der Mächtigen in der Sowjetunion zu erraten und daraus auf den Zustand des ganzen Landes zu schließen. Es scheint, diese Zeiten sind wieder angebrochen. Um die Gesundheit von Russlands Präsidenten Wladimir Putin brodeln seit längerem die Gerüchte.

Entscheidende Veränderung

Außenminister Sergej Lawrow hat die Spekulationen am Wochenende in einem Interview mit dem französischen Fernsehsender TF1 zurückgewiesen. Er tat dies nicht zum ersten Mal – und der Minister antwortet sinngemäß immer wieder wie diesmal: "Ich glaube nicht, dass vernünftige Menschen in dieser Person Anzeichen für irgendeine Art von Krankheit oder Gebrechen sehen können." Damit hat der alle Nuancen der Sprache beherrschende Diplomat sofort all jene disqualifiziert, die doch etwas zu sehen glauben und die ihre Ferndiagnosen auch nicht zurückhalten.

Aufgedunsen? Wladimir Putin am 9. Mai bei der Siegesparade
Aufgedunsen? Wladimir Putin am 9. Mai bei der Siegesparade © Mikhail Metzel/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Aber dass sich Lawrow der Frage nach der Gesundheit Putins immer wieder stellen muss, markiert eine entscheidende Veränderung. Anders als in den USA, wo sich Präsidenten regelmäßigen Gesundheitschecks für ihre Amtsfähigkeit unterziehen müssen und deren Ergebnisse auch veröffentlicht werden, hat der Kreml zu solchen Fragen noch nie öffentlich Stellung genommen.

Ritt mit freiem Oberkörper

Aber die Gesundheit Putins war am Beginn von dessen Macht durchaus ein öffentliches Thema. In den ersten Jahren präsentierte ihn seine PR-Maschine als einen kraftstrotzenden Macho in den "besten Jahren". Putin legte seine Gegner beim Judo aufs Kreuz.

Er sprang am Dreikönigstag nach altem Brauch ins Eisloch, um sich von seinen Sünden reinzuwaschen. Putin jagte, fischte und ritt mit freiem Oberkörper durch die Wildnis. Dass der Präsident gesund lebte, dem Wodka nicht zusprach, war Allgemeinwissen.

Bis Putin 2012 schmerzverzerrt humpelnd im Fernsehen zu sehen war. Er sei vom Pferd gefallen, hieß es gerüchteweise. Seitdem wird immer wieder über Rückenprobleme berichtet, die er mit starken Schmerzmitteln behandeln müsse.

Danach wurde Putin kaum noch als Spitzensportler präsentiert, höchstens einmal in nichtssagenden Sequenzen beim Eishockey mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko.

Die Kreml-Astrologen haben den Rückenproblemen inzwischen einen ganzen Strauß weiterer "Diagnosen" hinzugefügt, für die es keine überzeugenden Beweise gibt. Fast alle beruhen nicht einmal auf Augenschein, sondern nur auf den Bildern, die die Medien von Putin übertragen.

Putins Hände zittern auffällig: das könnten Anzeichen für einen Tremor sein, also beginnenden Parkinson. Putins Gesicht zeigt Gewichtsveränderungen in auffallend kurzer Zeit: mal mager, in letzter Zeit aber öfter auch auffällig aufgeschwemmt. Das könnte auf Steroide, starke Schmerzmittel, zurückzuführen sein. Anzeichen für eine Krebserkrankung? Schilddrüse?

Munter spekuliert wird seit geraumer Zeit auch über den Geisteszustand Putins. Welchen Einfluss hatten die vielen Monate auf ihn, die der russische Präsident seit dem Beginn der Corona-Pandemie faktisch in Selbstisolation in einer seiner Residenzen verbrachte und meist nur über Videokonferenzen mit seinen Untergebenen verbunden war?

Die Diskussionen kommen für den russischen Präsidenten zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Mitten im Krieg und kurz vor seinem 70. Geburtstag im Oktober. Auch wenn es nur Gerüchte sind, bleibt doch etwas hängen. Es ist nicht das Bild von dem starken Führer, der genug Kraft hat, sein Land in die Zukunft zu führen. Es ist die Frage: Und wenn doch etwas dran ist?