Grimma. Der Arbeitsplatz der Männer liegt in 17 Metern Höhe. Genau 81 Stufen müssen sie auf dem Gerüst nach oben steigen. Sie arbeiten am Pfahlkopf des dritten von vier Pfeilern, die neben der Autobahnbrücke bei Grimma in die Höhe wachsen. Auch der Vierte am anderen Muldeufer wird schon gebaut. In etwa vier Wochen soll er fertig sein.
Es sind die Pfeiler für die Behelfsbrücke, über die der Verkehr der A14 fließt, wenn die Großbrücke abgerissen wird. Erst vor 52 Jahren, mit dem Bau der Autobahn zwischen Engelsdorf bei Leipzig und Deutschenborora, wurde die Brücke errichtet.
Aber die Instandhaltung reicht nicht mehr aus, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Gründe sind Hochwasserschäden und der Verkehr auf der Strecke zwischen Leipzig und Dresden, der sich seit der Wende extrem erhöht hat.
„Die neue Brücke soll aber mindestens 70 bis 80 Jahre stehen und architektonischen Ansprüchen genügen“, sagt Peter Bartuschka, in der Entwurfs- und Ingenieurbüro Straßenwesen GmbH (EIBS) für die Bauüberwachung zuständig.
Während die Pfeiler für die Behelfsbrücke rechteckig und innen hohl sind, werden die endgültigen Brückenpfeiler aus Vollbeton bestehen. „Die Form wird einem Oktaeder ähneln, sich bis zu zwei Drittel der Höhe verjüngen und dann wieder nach oben aufweiten“, erklärt Bartuschka.
Statt auf bisher fünf wird die neue Brücke nur auf vier Pfeilern ruhen. Dadurch ist ein größerer Abstand zum Muldeufer möglich.
Bis die Fahrzeuge über die Behelfsbrücke umgeleitet werden, vergeht noch einige Zeit. Aber ein Jahr nach dem Spatenstich für die neue Großbrücke hat sich auf der Baustelle schon einiges getan – auch wenn die Vorbeifahrenden auf der Brücke davon nur wenig sehen.
Reste von alter Baustelle entdeckt
Wo das bereits möglich ist, werden parallel zu den Pfeilern für die Behelfsbrücke Spundwandkästen für die Tiefgründung der Pfeiler der Ersatzbrücke gesetzt – auch, wenn die erst in zwei Jahren benötigt werden.
Durch die Nähe zur Mulde füllen sich nicht nur diese Spundwandkästen, sondern auch andere Baugruben mit Wasser. Das wird in ein extra angelegtes, 200 Quadratmeter großes Absetzbecken gepumpt. In dem sinkt der mitgeführte Schmutz auf den Boden und das saubere Wasser wird durch einen Überlauf in die Mulde zurückgeführt.
„Wir liegen im Plan. Was wir uns für das erste Jahr vorgenommen haben, hat geklappt“, sagt Hartmut Schurig, Baubevollmächtigter der DEGES, einer Projektmanagementgesellschaft von Bund und Ländern. Das Baugrundgutachten hatte an einigen Stellen Felsen im Untergrund ausgewiesen. Dies habe, mit kleinen Abweichungen, auch so zugetroffen.
Bei der archäologischen Untersuchung und der Munitionserkundung vor dem Start der Arbeiten habe es keine Funde gegeben, aber dann während der Arbeiten. „Wir sind auf Überreste von Fundamenten der Krananlagen des ursprünglichen Baus gestoßen“, so Peter Bartuschka.
Auffallend ist die rund 2.500 Quadratmeter große Halle direkt neben der Autobahn. Für diese, die darin stattfindenden und diverse Nebenarbeiten sind 65.000 Kubikmeter Erde aufgeschüttet und verfestigt worden.
Behelfsbrücke mit vier Spuren
In der Halle werden die Brückenteile – im Stahlbaujargon Schuss genannt – zusammengefügt. Die 361 Meter lange Brücke wird letztendlich aus 22 Schüssen zusammengesetzt. Einer ist im Durchschnitt 18 Meter lang, wobei die Schüsse an den Enden der Brücke kürzer und in der Mitte länger sind, betont Bartuschka.
Bevor die einzelnen Schüsse in der Halle miteinander verschweißt werden, müssen sie im Freien gedreht werden. „Denn sie werden hochkant angeliefert“, sagt der EIBS-Mitarbeiter.
In der Halle erhalten die Schüsse auch einen Korrosionsschutz und in der Mitte wird ein Kabelschacht für Strom- und Mobilfunkleitungen eingebaut. Das reine „Stahlgerüst“ wiegt pro Überbau 2.700 Tonnen. In der Mitte hat die Brücke eine Höhe von fünf Metern, zum Ende hin sind es noch 2,50 Meter.
Die Behelfsbrücke wird, wie die derzeitige, vier Fahrspuren haben, allerdings wie in einem Baustellenbereich. Das heißt, die in Fahrtrichtung jeweils rechte Spur hat eine Breite von 3,50 Metern.
Die Überholspur ist zwei Meter breit. Eine Standspur gibt es nicht. Damit die nötige Gesamtbreite erreicht wird, werden seitlich an die Schüsse noch vier Meter lange Kragarme angeschweißt.
Aus der Halle ragt bereits ein sogenannter Vorschubschnabel. Durch die abgerundete Form wird beim Verschub das Aufsetzen der Brückenteile auf die Pfeiler erleichtert.
„Es ist sehr anspruchsvoll, den Überbau ohne technische Unterstützung auf die Pfeiler zu schieben“, sagt Peter Bartuschka. Und Hartmut Schurig ergänzt: „Bei der aktuellen Brücke war das nicht möglich, weil die Technik noch nicht so ausgereift war. Damals wurde mit Hilfsstützen gearbeitet.“
Sieben Verschub-Phasen nötig
Der erste sogenannte Verschub ist für Dezember geplant. Sechs weitere werden in den kommenden sechs bis sieben Monaten folgen. Etwa im Juni 2024 soll die Stahlkonstruktion auf der anderen Seite angekommen sein. Dann müssen noch die Fahrbahnplatten verlegt und die Geländer montiert werden.
Voraussichtlich im Frühjahr 2025 werde der Verkehr schrittweise von der jetzigen auf die Behelfsbrücke verlegt. Dann können der Anriss und Neubau der Großbrücke beginnen. Die Fertigstellung des Ersatzneubaus ist für 2027 vorgesehen.