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Sachsen könnte "Topstandort für Cannabis" werden

Der nahe Dresden für medizinische Zwecke produzierende Anbieter Demecan rechnet mit der Legalisierung Ende 2022. Er sieht Sachsen als Topstandort.

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Ein Mitarbeiter einer schweizer Firma arbeitet in einer Indoor-Anlage, in der Cannabis sativa-Pflanzen für den medizinischen Gebrauch angebaut werden.
Ein Mitarbeiter einer schweizer Firma arbeitet in einer Indoor-Anlage, in der Cannabis sativa-Pflanzen für den medizinischen Gebrauch angebaut werden. © Christian Beutler/KEYSTONE/dpa (Symbolbild)

Von Björn Hartmann

Seit Jahrzehnten wird diskutiert, mit der Ampelkoalition soll es soweit sein: Cannabis wird für den privaten Gebrauch freigegeben. Es entsteht ein neuer, legaler Milliardenmarkt. Doch auch wenn bereits zahlreiche deutsche und ausländische Unternehmen darauf warten, es könnte noch einige Zeit dauern: „Wir gehen von einer Legalisierung eher Ende 2022, Anfang 2023 aus“, heißt es beim deutschen Anbieter Demecan. „Die Legalisierung ist für uns als deutschen Cannabispionier und einzigem unabhängigen deutschen Unternehmen mit eigenem Cannabisanbau natürlich eine gigantische Wachstumschance.“

Der Deutsche Hanfverband schätzt die derzeit illegal konsumierte Menge auf jährlich 200 bis 400 Tonnen. Jetzt errechnete der Ökonom Justus Haucap von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, dass die Freigabe von Cannabis allein dem Staat 4,7 Milliarden Euro jährlich bringen würde. Eingerechnet sind Steuereinnahmen von 1,8 Milliarden Euro aus einer Cannabissteuer, dazu kommen höhere Gewerbe- und Umsatzsteuer sowie zusätzliche Lohnsteuer und Sozialabgaben. Denn Haucap erwartet, dass rund 27.000 legale neue Arbeitsplätze in der Branche entstehen. Zudem spart der Staat Ausgaben für Strafverfolgung und Justiz. Die Studie geht von einem Cannabis-Endpreis von unter zehn Euro je Gramm aus – einschließlich Steuern.

Zahlreiche Anbieter sind bereits im Markt – sie beschäftigen sich wie Demecan, Cansativa aus Frankfurt, Aphria, das zum kanadischen Tilray-Konzern gehört, aus Neumünster und Vertanical aus Gräfelfing bei München mit Medizinalcannabis, das in Deutschland bereits seit 2017 freigegeben ist – unter strengen Auflagen. 2021 hat der Markt eine Größe von geschätzt 12,5 Tonnen – das meiste wird importiert.

Demecan gehört zu den Unternehmen, die von Anfang an dabei sind. Arzt Adrian Fischer, Rechtsanwalt Constantin von der Goeben und Ökonom Cornelius Maurer gründeten das Unternehmen 2017 in Berlin. Der Name ist die Abkürzung von Deutsches Medizinal Cannabis. Das Unternehmen ist eines von dreien, die in Deutschland Cannabis für medizinische Zwecke anbauen dürfen. Zudem verkaufen die Berliner als Großhändler Produkte aus Cannabis an Apotheken. Die Ware kaufen sie bei australischen und niederländischen Unternehmen ein.

Demecan baut sein Cannabis auf einem ehemaligen Schlachthof in Ebersbach nördlich von Dresden an. Auf rund 5.000 Quadratmetern, etwas kleiner als ein Fußballfeld, wachsen seit Oktober 2021 Pflanzen. Die erste Ernte ist für Januar 2022 geplant. Konkurrent Aphria ist etwas schneller. Er hat im schleswig-holsteinischen Neumünster bereits geerntet. Der dritte Anbieter, Aurora Cannabis, deutsche Tochter eines kanadischen Konzerns, baut in Sachsen-Anhalt an.

Zehn Tonnen pro Jahren wären relativ schnell möglich

Demecans Produktions- und Büroräume sind deutlich größer als der Teil, der jetzt genutzt wird. „Wir dürfen aktuell knapp eine Tonne Cannabisblüten. Kurzfristig können wir die Kapazität auf bis zu 1,5 Tonnen, mittelfristig auf bis zu zehn Tonnen pro Jahr erhöhen“, sagt ein Demecan-Sprecher. Das Unternehmen beschäftigt derzeit mehr als 70 Mitarbeiter. Über den Umsatz schweigt es sich aus – durchaus üblich in einer jungen Firma, die noch im Aufbau steckt.

Auch wenn der Markt vielversprechend ist: Wer mitmischen will, muss viel Geld mitbringen. Denn der Aufwand ist hoch, etwa wegen der pharmazeutischen Auflagen zur Qualität. Um medizinisches Cannabis in immer gleicher Qualität anbauen zu können, haben die Gewächshäuser wenig mit klassischen Glaskästen zu tun. Die Technik kontrolliert unter anderem Luftfeuchtigkeit, Licht, Temperatur. Zudem unterliegt Cannabis dem Betäubungsmittelgesetz. Entsprechend hoch sind die Sicherheitsauflagen, die einiges kosten: Die Cannabis-Produktion muss speziell abgeschirmt sein, selbst Abfälle dürfen nicht einfach in den Biomüll.

Diese Regeln dürften auch gelten, wenn die Bundesregierung Cannabis als Genussmittel freigibt. Vorgesehen ist, den Stoff über eigens lizenzierte Stellen verkaufen zu lassen. Ob das Apotheken sind, Kneipen oder Kioske, ist , wie vieles andere rund um das Thema, noch offen. Zudem will die Bundesregierung die Qualität regeln – vergleichbar etwa beim Alkohol. Unklar ist auch noch, wie schnell sich der illegale in einen legalen Markt verwandelt. In Kanada war nach zwei Jahren die Hälfte des Marktes legal. Das Land hat Cannabis 2018 komplett freigegeben. Deshalb sind dort auch schon länger größere Unternehmen auf dem Markt.

Demecan hat in mehreren Runden Millionen von Investoren aus dem klassischen deutschen Mittelstand und von Risikokapitalgebern bekommen. Die bisher letzte Finanzierungsrunde lief im April. Den Umbau des Schlachthofs in Ebersbach hat das Land Sachsen mitfinanziert. Demecan glaubt, Sachsen „kann jetzt der wichtigste Standort für den wachsenden Cannabismarkt in Deutschland werden“.