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So lief der Rauswurf von Sachsens Innenminister Wöller

Wegen etlichen Skandalen hat Regierungschef Michael Kretschmer Roland Wöller am Freitag entlassen. Mit diesem Schlussstrich hatten viele nicht mehr gerechnet. Es war ein Rauswurf mit langem Anlauf.

Von Gunnar Saft
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Freitagvormittag am Nebeneingang zur Staatskanzlei in Dresden: Roland Wöller, der soeben entlassene CDU-Innenminister, verlässt 9.29 Uhr den Dienstsitz des sächsischen Ministerpräsidenten.
Freitagvormittag am Nebeneingang zur Staatskanzlei in Dresden: Roland Wöller, der soeben entlassene CDU-Innenminister, verlässt 9.29 Uhr den Dienstsitz des sächsischen Ministerpräsidenten. © Matthias Rietschel

Der Entlassungskandidat Roland Wöller kämpfte noch hoffnungsvoll um seinen wichtigen Kabinettsposten, als die Entscheidung gegen ihn längst gefallen war.

Sachsens nunmehr doppelter Ex-Minister – vor zehn Jahren war er freiwillig als Kultusminister zurückgetreten – diskutierte noch am Donnerstag lange mit Ministerpräsident Michael Kretschmer. Dieser hatte Wöller Ende 2017 wieder an den Dresdner Kabinettstisch geholt und ihn zu Sachsens neuem Innenminister gemacht. Es war der Höhepunkt einer inzwischen 30-jährigen Bekanntschaft der beiden CDU-Politiker, die sich damals am Ziel ihrer Wünsche sahen und seitdem zwei der wichtigsten Regierungsposten innehatten.

Stundenlange Aussprache

Das letzte intensive Gespräch zwischen Beiden, keine 24 Stunden vor der verkündeten Entlassung Wöllers, soll außergewöhnlich lange gedauert haben – etwa drei Stunden. Ein eindeutiger Hinweis darauf, wie weit die einst engen politischen Vertrauten mittlerweile bei der Einschätzung der aktuellen Lage auseinanderliegen.

Auf der einen Seite der politisch angeschlagene und affärengeplagte Innenminister, der bei sich selbst keine gravierenden Verfehlungen sieht, sondern die Schuld für die regelmäßigen Pannen in seinem Verantwortungsbereich anderen zuweist. Seine eigene Arbeit als Minister, den Eindruck vermittelte Roland Wöller bis zum Schluss, sieht er dagegen fast ohne jeden Fehl und Tadel an.

Ihm gegenüber ein Ministerpräsident, dessen Koalitionsregierung, aber vor allem auch die eigene Partei immer stärker unter der Personalie Wöller litt. Schlagzeilen über immer wieder neue Polizei-Skandale sowie über Vetternwirtschaft bei der Vergabe lukrativer Staatsposten machten allen zu schaffen. Und die bevorstehenden Kommunalwahlen im Juni, bei denen die Christdemokraten um etliche ihrer Landrats- und Bürgermeisterposten fürchten müssen, verstärkten die Nervosität Woche für Woche. Am Ende war es nicht nur die Opposition, die der Meinung war: Wöller muss weg.

Entscheidung fiel Ostern

Wann genau Michael Kretschmer seinem Duz-Freund dabei direkt ins Gesicht gesagt hat, dass es für ihn nicht mehr weitergeht, ist bisher nicht bekannt. Dass Wöller seinen Ministerposten räumen muss, stand nach SZ-Informationen jedoch schon vor dem Vier-Augen-Gespräch fest.

Nachfolger Armin Schuster, so ist zu hören, hatte für seine Zustimmung, dass er als neuer Innenminister künftig nach Sachsen und nach Dresden wechselt, immerhin mehrere Tage Bedenkzeit. Die Entscheidung soll dann bereits an den vergangenen Osterfeiertagen gefallen sein – und damit noch vor den neuesten Schlagzeilen, wonach sächsische Elite-Polizisten nun auch einen Ski-Urlaub als Fortbildungsreise deklariert und bezahlt bekommen haben sollen.

Zu den genauen Umständen des Rauswurfs von Roland Wöller, der sich bis zuletzt einem freiwilligen Rücktritt und damit einem nach außen hin verbindlicherem Rückzug widersetzte, erklärte sich Michael Kretschmer am Freitag nicht. Allein, auch seine wenigen öffentlichen Sätze zum brisanten Thema sind vielsagend. So lobte er Wöller am Ende für dessen Verdienste um 1.000 zusätzliche Polizeistellen im Land, für ein neues modernes Polizeigesetz und für sein Engagement für die freiwilligen Feuerwehren. Eine überschaubare Anerkennung nach immerhin mehr als vier Amtsjahren in einem der wichtigsten Kabinettsressorts.

Im Gegenzug verwies der Ministerpräsident aber deutlich auf Probleme und Defizite. "Zuletzt hatte ich das Gefühl, dass wir nur noch über vermeintliche oder tatsächliche Skandale geredet haben." Was der Freistaat, was die Staatsregierung jetzt aber dringend bräuchten, seien "Kraft, Vertrauen und neue Ideen". Und das, da legte sich Kretschmer sofort fest, bringe Armin Schuster, den er bereits seit 2002 persönlich kenne und schätze, alles mit.

Rückzug mit dem Privatauto

Dass er mit der Berufung eines Nachfolgers, der mit den Details sächsischer Landespolitik allenfalls partiell vertraut sein dürfte, auch Kritik in den eigenen CDU-Reihen auslöst, darauf ging der Regierungschef nicht ein. Zumal diese Einwände noch hinter vorgehaltener Hand erhoben werden.

Die Erleichterung, dass sich Kretschmer tatsächlich zur Entlassung seines langjährigen Weggefährten durchgerungen hat, überwiegt. Viele hatten nicht mehr daran geglaubt, dass es zu diesem Schnitt kommt. Was die Klagen über eine Kretschmer zugeschriebene Führungsschwäche, der bisher keinen seiner Minister entlassen hatte und auch keinerlei Anzeichen für eine Kabinettsumbildung machte, immer neu entfachte. Möglich, dass deshalb auch Roland Wöller bis zuletzt an seine Chance glaubte.

So soll er als Noch-Minister kurz vor der Entlassung das eigene PR-Team angewiesen haben, sein Image durch eine Kampagne in den sozialen Netzwerken wieder aufzupolieren. Doch dazu kam es nicht mehr. Am Freitagvormittag blieben ihm nur die Entlassungsurkunde und das Privatauto, in dem seine Frau auf ihn wartete.