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Das ist Pirnas neue, gläserne Kaffee-Schaurösterei

Tino Wunderlich, Inhaber von Schmole-Kaffee, holt das Handwerk aus dem Hinterzimmer ins Licht. Es ist auch eine Hommage an jene, die den Rohstoff liefern.

Von Thomas Möckel
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Vollbracht: Tino Wunderlich entlässt die Kaffeebohnen aus der Röstmaschine, schlechte liest er dann noch mit der Hand aus.
Vollbracht: Tino Wunderlich entlässt die Kaffeebohnen aus der Röstmaschine, schlechte liest er dann noch mit der Hand aus. © Norbert Millauer

In der Trommel der schwarzen Maschine beginnt es leise zu knistern und zu knacken, Tino Wunderlich hält sein Ohr dicht daran, für ihn sind die Tönchen der Böhnchen ein besonderer Klang, ein Hinweis darauf, dass es nicht mehr lange dauert, er darf den entscheidenden Moment nicht verpassen. Im Innern lässt ein Rührwerk 14 Kilo Kaffeebohnen rotieren, damit sie die heiße Luft gleichmäßig umweht. Ein Gasbrenner bringt sie auf Temperaturen, etwa 200 Grad werden es zum Finale sein. Durch die Hitze steigt die Oberflächenspannung, die Bohnen platzen leicht auf, das ist der Tongeber für den knisternden Sound. Versiegt der Geräuschfluss, ist es gleich so weit.

Was da knackend im Kopf der Röstmaschine heranreift, ist der Grundstoff für jenes Getränk, was nicht nur morgens millionenfach in deutsche Tassen fließt: Kaffee. Wunderlich ist Inhaber des Geschäfts „Ernst Schmole Nachfolger Kaffeerösterei“ an der Ecke Dohnaische/Lange Straße, einer der traditionsreichsten Läden in der Pirnaer Altstadt, es gibt ihn seit 1880. Es ist die einzige Kaffeerösterei im weiten Umfeld, jede Bohne wird hier selbst veredelt. Wenn er die Röstmaschine anwirft, steigt das Aroma in viele Nasen, weil sich der Kaffeeduft, den die Absauganlage aus dem Aggregat zieht, jedes Mal wie ein Aromatuch über die Pirnaer Altstadt legt.

Nachschub für den Verkaufsraum und das Café gegenüber wird ständig gebraucht. Bislang röstete Wunderlich die Bohnen in Räumen hinter dem Kaffeegeschäft, der Öffentlichkeit weitgehend verborgen. Nun aber hat er die große Röstmaschine, Baujahr 2017, die aber genauso gebaut ist wie ihr 90 Jahre altes Pendant, ins Zentrum des Ladens gestellt und den Verkaufsraum damit zur ersten gläsernen Schaurösterei umgestaltet. Durch die Fenster und gelegentlich auch dicht an der Maschine können Neugierige den Bohnenveredlungsprozess nun beobachten – es ist Teil eines mehrere Monate dauernden Umbauprozesses.

Café, Vinothek und Laden an einem Ort

Wunderlich betreibt im Eckhaus gegenüber dem Kaffeeladen auch das „Ernst Schmole Nachfolger Weinhaus & Café“ - bislang zwei getrennte Geschäfte, in denen es etwas zu kaufen gab. Vielen Kunden war das nicht bewusst, gelegentlich wurden sie hin- und hergeschickt, wenn sie etwas aus dem anderen Laden benötigten, oder das Personal eilte über die Lange Straße, um es fix zu holen. „Zwei Läden für den gleichen Zweck waren nicht mehr zeitgemäß“, sagt Wunderlich. Fortan sollten beide getrennte Wege gehen.

Anfang 2024 begann der Umbau, in dem Haus, in dem sich bereits das Café befand, vereint Wunderlich nun Laden, Vinothek und Kaffeehaus an einem Ort. Er ließ den Verkaufsraum umgestalten, eine neue Theke bauen, die Kaffeebehälter, Schütten und das Mahlwerk zogen mit ein. Gleich am Eingang hat die Röstmaschine aus den 1930er Jahren ihren Platz gefunden, sie dient jetzt als Espresso-Tisch.

Gleich dahinter zog die Vinothek ein, mit künstlichem Weinlaub an der Decke, dazwischen hängen Lampen wie Trauben herab. 300 verschiedene Rebensäfte liegen in den Regalen, dazu noch viel mehr Sorten Schokolade. Im Raum daneben können die Gäste wie gewohnt etwas trinken und essen. „Ich bin sehr stolz darauf, dass uns das nach zwei Monaten Umbau alles geglückt ist“, sagt Wunderlich. Auf diese Weise wurde im einstigen Kaffeeladen Platz für einen lang gehegten Wunsch.

Alles neu: Der Kaffeeverkauf ist nun ins Geschäft auf der anderen Ecke der Langen Straße in Pirna gezogen.
Alles neu: Der Kaffeeverkauf ist nun ins Geschäft auf der anderen Ecke der Langen Straße in Pirna gezogen. © Norbert Millauer

Zeigen, wie wertvoll handveredelter Kaffee ist

Im Schmole-Stammgeschäft lässt sich nun eine gläserne Rösterei bestaunen. Wunderlich hat die Röstmaschine mitten in den Raum gestellt, er knüpft damit an eine alte Tradition an. Früher, sagt er, habe man Handwerkern auch zusehen können, wie sie produzieren. Das will er wieder erlebbar machen. Er selbst röstete bislang auch im dunklen Kämmerlein, jetzt rückt er den Aromavorgang ins Licht, auch ganz tatsächlich. Schaufenster und Maschine sind auch nachts beleuchtet, durch die Scheiben können Neugierige jederzeit beim Rösten zuschauen, gelegentlich auch direkt an der Maschine. Weil jetzt alles fertig ist, wird er den Raum am 2. März nachmittags erstmals für Schaulustige öffnen, danach aber nicht jeden Tag, weil er sonst vermutlich kaum noch zum Arbeiten kommt.

Indem Wunderlich nun öffentlich röstet, will er den Menschen auch den Prozess zeigen, wie sein Kaffee entsteht, wie wertvoll der Rohstoff ist, dass bei ihm alles in Handarbeit geschieht und nicht vollautomatisiert wie in der Industrie, und dass ein solches handveredeltes Produkt auch seinen Preis hat. Von der "Kaffeehausmischung" beispielsweise kostet das Pfund knapp 13 Euro.

Überdies ist die Schaumanufaktur eine Hommage an jene, die die meiste Arbeit mit dem Kaffee haben, die Kaffeebauern und Pflücker auf den Plantagen weltweit. Es sind überwiegend kleine Familienbetriebe, von denen Wunderlich den Rohstoff bezieht, beispielsweise aus Brasilien, Kolumbien, Costa Rica, Äthiopien oder von der Insel Java. Bilder an den Wänden erzählen die Kaffeegeschichte vom Anbau bis zur Veredlung.

Das Rösten hat sich Wunderlich weitgehend selbst beigebracht, er ist Autodidakt, er lernte viel vom früheren Schmole-Röster Lothar Petasch, schaute sich im Internet viel von Röstern und Baristi ab. "Man lernt, indem man zusieht und mitmacht", sagt Wunderlich, "und auch jede Menge Kaffee verbrennt und wegwirft." Längst geht ihm das leicht von der Hand. Mit der gläsernen Rösterei hat er sich nun das Refugium geschaffen, was er sich lange wünschte. Sie ist zugleich sein Büro, er kümmert sich dort auch um den Kaffeeversand und Planung – und ums Rösten, je nachdem, was im Laden gegenüber gerade gebraucht wird. Alles entsteht frisch, ein großes Lager gibt es nicht.

Rohware: Anfangs sind die Kaffeebohnen noch grünlich und riechen nach nichts. Erst durchs Rösten bekommen sie ihr typisches Aroma.
Rohware: Anfangs sind die Kaffeebohnen noch grünlich und riechen nach nichts. Erst durchs Rösten bekommen sie ihr typisches Aroma. © Norbert Millauer

Trotz gegenüber der Industrie-Produktion

In der Röstmaschine hat es inzwischen aufgehört zu knistern. Wunderlich öffnet die schwere Eisenklappe. Die nun braunen Bohnen stürzen zu Tale in eine große Auffangschale mit Boden aus Lochblech, wo sie ein Rührwerk unablässig bewegt, damit sie abkühlen. Sorgsam sortiert er zu helle Bohnen per Hand aus, er weiß, dass eine einzige unreife Bohne eine große Ladung Kaffee geschmacklich total versauen kann.

Eigentlich, sagt er, sei Rösten eine eher langweilige Aufgabe. Er muss lediglich beobachten, was sich in den etwa 15 Minuten in der Maschine tut. Aber es hat für ihn auch etwas Beruhigendes. Die gläserne Rösterei bedeutet für ihn auch, für sich weiter angekommen zu sein, ein Stück Freude für sich und die Angestellten. „Und ein bisschen“, sagt Wunderlich, „ist die Manufaktur auch Trotz gegenüber der industriellen Kaffeeproduktion.“