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City Outlet: Wie Pirnas neue Einkaufsmeile funktionieren kann

Ein neues Konzept soll helfen, leere Läden zu füllen. Die Chancen dafür stehen gut, weil Pirna eine Reihe an Vorzügen hat, die andere Städte nicht haben.

Von Thomas Möckel
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Kunden und Besucher auf der Jacobäerstraße: Sie soll künftig Teil der City-Outlet-Achse sein.
Kunden und Besucher auf der Jacobäerstraße: Sie soll künftig Teil der City-Outlet-Achse sein. © Daniel Förster

Als Henryk Vogel Anfang 2023 in der Kaffeebar "Eleven" in der Pirnaer Altstadt saß und aus dem Fenster auf die Schuhgasse schaute, sah er vor allem eines: wenig. Wenige Menschen, wenige fröhliche Gesichter, wenige bummelnde Kunden. Wovon er auf dem Weg zum Café jedoch mehr gesehen hatte, waren die leerstehenden Geschäfte in der Pirnaer Innenstadt. Es war der Moment, in dem er beschloss, etwas zu tun.

Erst allein, dann mit Mitstreitern, entstanden Idee und Konzept, den Einzelhandel in Pirna völlig neu zu denken und die Stadt zum "City Outlet Pirna" zu entwickeln – also zu einem großen Outlet-Center dergestalt, dass namhafte Hersteller künftig in bislang leerstehenden Geschäften ihre Markenwaren anbieten und sie – wie bei einem Outlet typisch – mit starken Preisnachlässen verkaufen. Eine Projektgruppe, der mehrere Akteure aus Pirna angehören, hat das Konzept innerhalb eines Jahres verfeinert und jetzt publik gemacht.

Ganz neu sind solche Vorstöße nicht, laut Vogel hätten sich bereits über 30 Städte bundesweit mit ähnlichem Konzept versucht, außer Bad Münstereifel – wo es den bislang einzigen City Outlet in Deutschland gibt – seien die anderen gescheitert. Manche, weil sie keine touristische Anziehungskraft haben, andere, weil sie auf dem Weg dorthin weder die ansässigen Händler noch die Einwohner ausreichend mitnahmen. Warum nun ausgerechnet Pirna in dieser Hinsicht zur Musterstadt werden kann und die Chancen gutstehen, dass das City-Outlet-Konzept aufgehen könnte – Sächsische.de erläutert die Details.

Welche kritischen Faktoren zwingen zum Handeln?

Der für die Pirnaer Innenstadt so typische Einzelhandel mit den vielen kleinen individuellen Geschäften vollzieht schon seit geraumer Zeit einen gravierenden Wandel – ausgelöst durch mehrere besonders kritische Faktoren, denen es entgegenzuwirken gilt, um das Gefüge zu erhalten. Laut des Pirnaer Stadtmarketings schreitet das Laden-Sterben von Jahr zu Jahr weiter fort. Das liegt auch daran, dass die inhabergeführten Geschäfte weniger werden – weil viele mutige Pirnaer, die nach der Wende einen Laden eröffneten, jetzt in den Ruhestand gehen. Mehrere von ihnen suchen schon seit längerer Zeit vergeblich Nachfolger.

Erschwerend kommt hinzu, dass Pirna so nah an Dresden liegt. Die Landeshauptstadt – angesichts ihrer Größe überproportional mit Einzelhandel bestückt – zieht massiv Kaufkraft ab, beispielsweise durch den Kaufpark Nickern, die Altmarkt-Galerie und die Centrum-Galerie. Somit geht in Pirna die Kundenfrequenz weiter zurück, Attraktivität und Vielfalt des derzeitigen Konsumangebotes sind eingeschränkt.

Wie kann das City Outlet in Pirna gelingen?

Aus Sicht von Henryk Vogel und anderer Experten besitzt Pirna gegenüber anderen Städten mehrere Vorzüge, die die Chance erhöhen, ein solches City-Outlet-Konzept zu realisieren. Vor allem Lage und Einzugsgebiet, sagt Vogel, seien hervorragend. Pirna sei grundsätzlich eine schöne, lebendige Stadt mit einer wunderschönen und attraktiven Altstadt, die ihresgleichen suche. In die Sanierung der historischen Substanz, über die Pirna im Zentrum verfügt, sind seit der Wende über Städtebaufördermittel mehr als 100 Millionen Euro nach Pirna geflossen.

Kunden könnten so ein einzigartiges Einkaufserlebnis in einer historischen Altstadt erleben, ergänzt durch vielfältige Erlebnis-Gastronomie, also viele individuelle Restaurants und Cafés – und eben nicht wie andernorts durchzogen von System-Gastronomie wie beispielsweise große Fastfood-Ketten.

Hinzu kommt, dass Pirna schon von sich aus als "Tor zu Sächsischen Schweiz" eine touristische Anziehungskraft entfalte, viele Menschen kommen extra hierher, um die Stadt und die nahe Sächsische Schweiz zu sehen. Das allein beschere der Stadt schon eine große Besucherzahl – alles auch potenzielle Kunden eines City Outlets.

Darüber hinaus gibt es rings um Pirna ein enormes Kaufkraft-Potenzial, wie Vogel analysiert hat. Ein Besuch im Outlet, sagt er, sei kaum zufällig, sondern werde meist zielgerichtet geplant, teilweise als Familienausflug. Bis zu 90 Fahrminuten nehmen Kunden für eine Fahrt zum Outlet auf sich – in diesem Bereich liegen beispielsweise Dresden, Chemnitz und Leipzig, aber auch Nordtschechien, ein Gebiet mit rund fünf Millionen potenziellen Kunden. In diesem Verbundraum gibt es kein Outlet-Center, das nächstgelegene große befindet sich in Prag. Ebenso interessant als mögliches Kundenklientel: Die Sächsische Schweiz zählt 1,7 Millionen Besucher, Dresden 1,8 Millionen Gäste im Jahr.

Auch könnte sich Pirna mit einem City Outlet konsequent vom Einzelhandelsangebot in Dresden differenzieren und auch für die Landeshauptstadt Magnetwirkung entfalten – weil es so etwas in Dresden nicht gibt. Ebenso seien Outlet-Center laut Vogel ein erprobtes Geschäftsmodell mit Wachstumspotenzial und resistent gegen den Online-Handel. Dass Markenhersteller weiter darauf setzen, zeigt ein Beispiel aus Pirnas Partnerstadt Remscheid: Dort entsteht derzeit auf der grünen Wiese ein Outlet-Center für 150 Millionen Euro.

Wie soll die Outlet-Flaniermeile aussehen?

Aus Sicht der Initiatoren verfügt Pirna über eine ideale Achse, um dieses City Outlet zu etablieren, etwa 1,2 Kilometer lang, fußläufig gut zu erreichen. Dreh- und Angelpunkt – und somit zentraler Mobilitätspunkt – soll der Busbahnhof sowie der derzeit noch wilde Parkplatz daneben sein, wobei sich vor allem bei der Anzahl der Pkw-Parkplätze noch einiges tun soll und muss. Danach werden die Kunden über die Gartenstraße gelotst, die perspektivisch zu einer verkehrsfreien Flaniermeile werden könnte.

Weiter geht es dann über die Jacobäerstraße, Dohnaische Straße und Breite Straße bis zur Volkshauskreuzung. Zentraler Punkt auf der Route ist dann später das Hotel "Zum schwarzen Adler" am Dohnaischen Platz, den eine sächsische Investorengruppe, zu der auch Pirnaer gehören, in den kommenden Jahren in neuer alter Schönheit auferstehen lassen möchte, einschließlich des Saales, der künftig auch als Kulturstätte dienen soll. Ende 2026, so der Plan, könnte der Hotelneubau stehen, der Komplex verfügt später auch über Gewerbeflächen. Das Areal vor dem Hotel will die Stadt zu einem verkehrsberuhigten Bereich umgestalten lassen.

Einbezogen in das City Outlet wird auch die gesamte Altstadt, um die Gassen zu beleben und weil über die Gassen die Wege zur Erlebnisgastronomie und zu den Kulturangeboten führen.