SZ + Pirna
Merken

Neue Einkaufs-Idee: Wie Pirna zu einem City Outlet werden soll

Leere Läden und Kaufkraftverlust beuteln den Einzelhandel zunehmend. Ein neues Konzept könnte viele Probleme lösen – und wohl so auch nur in Pirna funktionieren.

Von Thomas Möckel
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Henryk Vogel, hier mit Christian Flörke und Robert Körner (v.l.): Mit dem City Outlet ein Alleinstellungsmerkmal mit Magnetkraft kreieren.
Henryk Vogel, hier mit Christian Flörke und Robert Körner (v.l.): Mit dem City Outlet ein Alleinstellungsmerkmal mit Magnetkraft kreieren. © Mike Jäger

Fast ein Jahr lang arbeiteten die Beteiligten weitgehend im Verborgenen, kaum ein Detail drang nach außen, das Thema war sensibel und planungsaufwendig. Nach und nach waren weitere Akteure einzubetten, es sollte erst öffentlich werden, wenn alles vorbereitet und spruchreif ist. War es erst die Idee eines Einzelnen, mündete diese in ein Gemeinschaftswerk. Es braucht viele Mitstreiter, um alle mitzunehmen und letztendlich die Pirnaer von dem Projekt zu überzeugen.

Dabei geht es um nichts Geringeres als einen Plan, die Pirnaer Innenstadt kräftig zu beleben, mit neuen Läden, mit Kunden, mit Touristen, mit Gastronomie, mit Kultur. All das hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Verkehrs- und Parkplatzsituation. Herausgekommen dabei ist nun ein Konzept, das das Einkaufen in Pirna revolutionieren und viele bestehende Probleme auf einmal lösen soll – und in dieser Form eben auch nur in Pirna funktionieren könnte. Sächsische.de gibt einen ersten Überblick über die Details.

Wie ist die Ausgangslage beim Handel in Pirna?

Pirna leidet, wie viele anderen Mittelzentren in Deutschland, darunter, dass in der Innenstadt zunehmend Läden leer stehen, oft die Folge altersbedingter Geschäftsaufgaben oder Problemen bei der Geschäftsnachfolge aufgrund des demografischen Wandels. Erschwerend für den stationären Handel kommt der seit der Corona-Pandemie sprunghaft gewachsene Onlinehandel hinzu. Nach Aussage von Robert Körner, Projektleiter Stadtmarketing bei der Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna (SEP), sei die Kaufkraft im Landkreis eine der niedrigsten bundesweit, ein Großteil davon werde auch noch von Dresden abgezogen. Die Folgen: Die Kundenfrequenz bricht ein und die Pirnaer Innenstadt wird unattraktiver.

Um diesem Umstand mit einer Strategie zu begegnen sowie Einzelhandel und Gastronomie zu stärken, hat die SEP in einem ersten Schritt eine Leerstandsanalyse in Auftrag gegeben, die Ende vergangenen Jahres fertig wurde. Das Ergebnis: Im untersuchten Gebiet in der Innen- und Altstadt stehen 73 Gewerbeeinheiten leer, das entspricht einer Leerstandsquote von 32 Prozent. "Daraus haben wir enormen Handlungsbedarf abgeleitet", sagt Körner, "damit Pirna nicht weiter ausblutet." Denn florierende Innenstädte definierten sich zum Großteil über den ansässigen Handel. Vor allem brauche Pirna ein Konzept mit einem Alleinstellungsmerkmal, eines, das die Stadt von anderen abhebt. Das scheint nun gefunden zu sein.

Was ist im City Outlet Pirna geplant?

Mittlerweile ist das Konzept spruchreif, die Stadt zu einem „City Outlet Pirna“ zu entwickeln: ein riesiger innerstädtischer Outlet-Store mit vielen einzelnen Geschäften in der bestehenden Ladenstruktur mit einem einzigartigen Händler-Angebot. In einem klassischen Outlet-Center siedeln sich viele einzelne Geschäfte an, in der Regel von Markenherstellern, die dort Waren mit großen Rabatten verkaufen. Henryk Vogel, Ideen- und Impulsgeber, Initiator und Motor des City-Outlet-Konzepts, räumt diesbezüglich gleich mit einem Vorurteil auf. Outlet-Ware sei keine Ramsch-Ware, sondern Markenware, die ohne Zwischenhändler verkauft wird. "Markenhersteller verramschen ihre Produkte nicht", sagt Vogel, "weil das der Marke schadet."

Wie soll das City Outlet entstehen?

Klassische Outlet-Center sind meist außerhalb der Städte auf der grünen Wiese gebaut, viele Geschäfte unter einem Dach, die in sich oft einer Kleinstadt nachgebildet sind. Das will Pirna nicht. Hier sollen vielmehr die vorhandenen Strukturen genutzt werden, die Markenhersteller sollen mit ihren Geschäften in leerstehende Läden einziehen, insgesamt 16.000 Quadratmeter könnten auf diese Weise sofort vermietet werden. Damit das Konzept aufgeht, brauche es laut Vogel etwa vier bis fünf sogenannte Ankermieter – also große, namhafte Hersteller von Markenware – die dann in einer Sogwirkung 40, 50 oder auch 60 weitere Geschäfte anlocken könnten.

Wer hat die Idee entwickelt?

Die Ursprungsidee zum City Outlet Pirna stammt von Henryk Vogel, gebürtiger Pirnaer, lange zur See gefahren, er hat im Management großer internationaler Konzerne gearbeitet und ist über diesen Weg zurückgekehrt in seine Heimatstadt. Seither macht er sich Gedanken, diese Stadt weiterzuentwickeln. Weil er aber niemandem dieses Konzept überstülpen, sondern viele Beteiligte für dieses Projekt begeistern und auf dem Weg mitnehmen wollte, holte er sich weitere Akteure ins Boot. Im Sommer 2023 gründete sich dann die Projektgruppe „City Outlet Pirna“, der die Initiatoren, Vertreter der SEP, der Stadt, die Volksbank Pirna sowie der Verein „Citymanagement Pirna“, der die ortsansässigen Händler und Gastronomen vertritt, angehören. Seither trifft sich die Projektgruppe alle 14 Tage, um die Pläne zu verfeinern.

Was ist mit den ansässigen Händlern?

Als die Idee erstmals vorgestellt wurde, gab es laut Robert Körner anfangs eine gesunde Skepsis – vor allem dergestalt, wie sich ein solches City Outlet auf die Stadt, die Händler, den Verkehr und vieles andere auswirkt. Nach einem Besuch im bundesweit einzigen City Outlet in Bad Münstereifel waren dann viele von der Idee angetan. „Wir sind überzeugt davon, dass wir damit für Pirna ein Alleinstellungsmerkmal kreieren können, von dem eine wirtschaftliche Magnetkraft ausgeht“, sagt Körner. Das war auch der Ansatz von Henryk Vogel, nach einer Ideenphase das Projekt breit aufzustellen. Denn der City Outlet könne nur funktionieren, wenn alle dabei mitgenommen werden. Zudem kann sich jeder Pirnaer – so er denn möchte – später mit Anteilen an einer Genossenschaft beteiligen, die Mitgesellschafter einer Projektgesellschaft wird, die das Projekt „City Outlet“ künftig betreut.

Wie fallen die ersten Reaktionen aus?

SEP-Geschäftsführer Christian Flörke sieht in dem City Outlet eine riesige Chance für ganz Pirna und hält diesen radikalen Wandel auch für alternativlos. Hauke Haensel, Vorstandschef der Volksbank Pirna, die die jetzt in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie finanziert, zeigt sich begeistert von der Idee, vor allem auch von der Möglichkeit der genossenschaftlichen Beteiligung. Die Stadt begrüße laut Bürgermeister Markus Dreßler grundsätzlich jede Idee und Initiative, die Pirna positiv belebe. Nun müssten Umsetzbarkeit und Verträglichkeit geprüft werden. Und Anne Carl, Büroleiterin des Citymanagement-Vereins, berichtet nach einem Treffen mit 50 ansässigen Händlern und Gastronomen, die Idee des City Outlet sei sehr wohlwollend aufgenommen worden.

Wie geht es jetzt weiter?

Henryk Vogel wird das Projekt jetzt in den einzelnen Stadtratsfraktionen vorstellen. Parallel dazu erarbeitet die „ecostra GmbH“, eine der führenden Wirtschafts-, Standort- und Strategieberatungen in Europa, eine Machbarkeitsstudie, das wird etwa drei Monate dauern. Danach folgt eine Wirtschaftlichkeitsanalyse als finale Stufe zu Ansiedlung von Markenpartnern, sie benötigt etwa fünf Monate Zeit. Zudem lässt die Stadt in einer Studie untersuchen, wie sich das Projekt auf Verkehr, Anwohner und Infrastruktur auswirkt. Laut Vogel könnte das City Outlet möglicherweise in anderthalb bis zwei Jahren mit den ersten 25 bis 30 Geschäften starten.