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Muss jedes Restaurant jetzt zwei Speisekarten haben, Herr Klein?

Seit Jahresbeginn liegt der Mehrwertsteuersatz bei 19 statt bei 7 Prozent. Es gibt eine Ausnahme. Das sagt Sachsens Dehoga-Chef Axel Klein dazu.

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Der Wilsdruffer Axel Klein ist Hauptgeschäftsführer Dehoga Sachsen. Er sagt, was er von den neuen , alten Steuersätzen in der Gastronomie hält.
Der Wilsdruffer Axel Klein ist Hauptgeschäftsführer Dehoga Sachsen. Er sagt, was er von den neuen , alten Steuersätzen in der Gastronomie hält. © kairospress

Herr Klein, die Pizzeria Bella Vista in Malter arbeitet seit diesem Jahr mit zwei Speisekarten - eine gilt für das Restaurant, die andere für die Abholung. Wie viele Restaurants in der Region machen das?

Das Thema betrifft alle Gastwirte, die ein Außer-Haus-Geschäft haben. Sie müssen die unterschiedlichen Steuersätze berücksichtigen. Viele kennen das von McDonalds. Wer zum McDrive fährt, zahlt sieben Prozent Mehrwertsteuer auf das Essen, wer im Restaurant isst, zahlt 19 Prozent.

Die Frage ist, ob die Gastwirte die Speisen zu unterschiedlichen Endpreisen verkaufen, wie es die Pizzeria tut?

Grundsätzlich ist es so, dass das Außer-Haus-Geschäft durch die Corona-Pandemie bei vielen Gastronomen stärker geworden ist - es war für viele die einzige Möglichkeit zu überleben durch staatliche Zwangsschließungen. Die Endpreise muss jeder Gastwirt genau kalkulieren. Bei den gestiegenen Kosten ist das wichtiger denn je. Denn auch viele Kunden sind preissensibel und vergleichen die Preise im To-go-Geschäft sehr genau.

Wie begründet der Gesetzgeber die unterschiedliche Besteuerung?

Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass auf Lebensmittel nur sieben Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden. Das kann jeder sehen, der im Supermarkt einkauft. Für Obst und Gemüse und andere Artikel gilt dieser ermäßigte Steuersatz. Und er gilt auch für Fertiggerichte - und als solche gelten Speisen, die von Restaurants zubereitet und außer Haus verkauft werden. Der Gesetzgeber hätte nur noch einen Schritt weitergehen und festlegen müssen, dass dieser Steuersatz auch für frisch zubereitete Speisen im Restaurant gilt, wie es zu Corona-Zeiten der Fall war. Heute gelten diese Speisen wieder als veredelt und zubereitet und unterliegen dem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Diesen Unterschied beklagen wir seit 30 Jahren. Wir fordern, dass dieser beseitigt wird. Wir halten das für eine Steuerungerechtigkeit.

Die Unterschiede sind wirklich schwer zu verstehen...

Sie gelten auch für Kantinen und Caterer, die Schulen und Kindertagesstätten beliefern. Wer das Essen vor Ort frisch zubereitet, muss 19 Prozent Mehrwertsteuer abführen. Wer das Essen anliefert, berechnet nur sieben Prozent. Langfristig macht das einen Unterschied. Das heißt, derjenige, der nur sieben Prozent abführt, steht unternehmerisch besser da und überlebt, weil er - vorausgesetzt, er verlangt den gleichen Preis für das Essen - zwölf Prozent mehr in der Kasse hat. Und wenn man das über 30 Jahre macht, dann führt das zu Entwicklungen, welche nicht zu einer gesunden Ernährung beitragen und unsere Unternehmen benachteiligt.

Gibt es diese Unterschiede auch in anderen EU-Ländern?

In 23 von 27 EU-Staaten gilt der ermäßigte Steuersatz auch für Restaurantbesuche. Darunter sind fast alle Nachbarländer Deutschlands - also auch Polen, Tschechien und Österreich. Unterschiede wie bei uns machen die Regierungen in Dänemark, Lettland, Estland und Malta.

Was würde es bringen, den Steuersatz wieder zu senken?

Das könnte die Gastronomie beleben. Auch das Schulessen könnte mancherorts schmackhafter werden. Mit einer Steuersenkung würde man auch den regionalen Erzeugern helfen. Die verkaufen auch an die Gastronomie und stärken somit regionale Wirtschaftskreisläufe.

Und schließlich könnte man den Tourismus fördern. Viele Urlauber gehen ins Wirtshaus und wollen dann regionale Produkte essen. Gastronomie ist mehr als nur Nahrung zu sich nehmen. Gasthäuser haben ein besonderes Flair, dort treffen sich Menschen - sie sind ein Teil unserer Kultur.

Seit Jahren nimmt die Zahl der Gasthäuser ab. Dazu tragen auch Faktoren wie Fachkräftemangel und ein verändertes Freizeitverhalten bei, oder?

Das ist richtig. Aber auch die hohe Besteuerung ist sicher ein Grund. Nicht zu vergessen, dass auch in der Gastronomie - wie für alle Unternehmer - immer mehr Bürokratie hinzugekommen ist und viele Nebenkosten, aber auch Strom- und Gaspreise enorm gestiegen sind. Tatsache ist, dass es in 40 Prozent der 420 sächsischen Gemeinden keine Gastwirtschaft mehr gibt. Das kann jeder sehen, der mit offenen Augen durchs Land fährt. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen, da gab es in jedem Ortsteil eine Gaststätte mit regionaler Küche - nicht alle waren Sterne-Restaurants. Aber hier gab es Essen "mit Seele". Da trafen sich die Einheimischen mit Kind und Kegel, Wanderer, Touristen oder der Kegelclub. Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die Politik muss die Rahmenbedingungen für Unternehmer wieder attraktiv gestalten. Wir fordern Wertschätzung und Vertrauen in das Unternehmertum.

Auch das Restaurant in den Dippser Parksälen steht leer. Gibt es Hoffnung?

Es ist immer schwierig, so etwas wiederzubeleben. Denn wenn eine Gaststätte einmal geschlossen ist, muss wieder viel investiert werden, um einen Restart zu ermöglichen. Und das Geld muss wieder erwirtschaftet werden. Die Margen sind nicht wie in der Autoindustrie. Ich habe mich zuletzt vor zwei Jahren mit den Parksälen beschäftigt. Damals versuchte die Stadt einen Nachfolger oder ein neues Konzept zu finden. Einfach ist es nicht. Vielleicht würde dort ein anderes Modell funktionieren. Es gibt Ideen, wie man die Besucher dort auch ohne Pächter gut versorgen könnte, über eine Art Caterer.

Die Leitung der Parksäle ist pessimistisch. Es gebe nur noch wenige Caterer in der Region, und die hätten die Preise kräftig erhöht, heißt es.

Da sprechen Sie ein weiteres Thema an. Alle wollen Regio, Bio, Tierwohl, hohe Qualität, gute Löhne, Service meist am Wochenende – das hat eben seinen Preis und nur wenn dieser bezahlt wird, kann ein Unternehmen überleben oder neue Konzepte verwirklichen.

Das Gespräch führte Maik Brückner.