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Pirna: Drei, die gutes Essen leben

Gourmet-Bauer Carsten Ullrich spricht mit einem Professor und einer Psychologin von der TU über Ernährung. Dabei gibt es einige Geständnisse, bald abrufbar als Podcast-Folge.

Von Heike Sabel
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Gespräch vor Broten nicht nur über Brot: Prof. Thomas Haenle, Psychologin Karin Gramatke und Landwirt Carsten Ullrich vom Hofladen 15.
Gespräch vor Broten nicht nur über Brot: Prof. Thomas Haenle, Psychologin Karin Gramatke und Landwirt Carsten Ullrich vom Hofladen 15. © Norbert Millauer

Schade, dass es kein Medium gibt, das neben Ton auch Duft übermittelt. Dann würden die Zuhörer des Podcast "You ask we explain" (Sie fragen wir erklären) der TU Dresden auch Brot, Schinken und Knacker oder eben Wein riechen. Doch so müssen sie sich mit der Vorstellung der Genüsse zufriedengeben. Die Gäste, die diese Woche in bzw. vor den Laden von Carsten Ullrich auf den Pirnaer Markt kamen, hatten beides und die Optik noch dazu. Hier wurde eine weitere Folge der Podcast-Reihe der Wissenschaftler aufgenommen.

Das Bühnenbild hätten sich kein Bühnenbildner besser ausdenken können. Über den Gesprächspartnern hängen die Knacker und hinter ihnen liegen die Brote. Es ist ein bisschen wie das Land, in dem Milch und Honig fließen - und auch die gibt es. Die Düfte betören und sie scheinen so gar nicht zu den technischen Requisiten zu passen, die den kleinen Laden namens Hof15 zum Studio machen. Ein paar Pirnaer verfolgen draußen das Geschehen. Das, was drinnen gesprochen wird, wird in die Kälte des Februarabends übertragen.

Argumentative Geschmackskiller

Ein Professor, eine Psychologin und ein Landwirt sprechen über "Du bist, was du isst - eine Debatte über Ernährung und Störungen". Das könnte anstrengend werden. Viel Fachwissen, erhobene Zeigefinger und wie schlecht es den Bauern geht. Den ersten Sympathiepunkt sammelt Prof. Dr. Dr. Thomas Henle, denn er ist auch Mitgründer und Gesellschafter der TU Dresden Brauerei GmbH. Psychologin Katrin Gramatke räumt mit dem argumentativen Geschmackskiller "gesunde Ernährung" auf und Carsten Ullrich ist viel zu gern Landwirt, als dass er jammert - jedenfalls nicht über seine Arbeit. Er hat seinen Laden hier am Markt vor knapp einem Jahr eröffnet. "Ein Mann, der immer Landwirt sein wollte", sagt er über sich selbst. Und einer, für den das Essen und dessen Zubereiten Genuss ist. Er stammt zwar nicht aus Pirna, kann sich aber inzwischen keinen schöneren Ort mehr vorstellen. Und so soll der Podcast auch Werbung für die Stadt sein.

Der Nährwert eines Taschentuchs

Die drei Gesprächspartner versprechen keine großen Kontroversen. Schon nach ihren ersten Sätzen ist klar, sie ticken bzw. essen gleich. Es gibt keine gesunden und ungesunden Lebensmittel, sagt Henle. "Wer immer Salat ist, lebt auch nicht gesund, denn Salat hat den Nährwert eines Taschentuchs." Unser Essen sei zu viel von Ver- und Geboten geprägt. Psychologin Gramatke spricht statt von gesunder von ausgewogener Ernährung. Es gebe beim Essen so viele Missverständnisse. Und: Essen ist so viel mehr als am Leben bleiben und sich versorgen. Ullrich wirbt für den Respekt vor dem Herstellen der Lebensmittel, das heißt, vor denen, die sie herstellen und vor denen, aus dem sie hergestellt werden, also zum Beispiel den Tieren. Sie zu essen, ist für ihn kein Widerspruch.

Der Podcast

  • Die Podcastreihe zu Berührungsängsten in der Medizin ist 2023 gestartet und erscheint monatlich.
  • Das Projekt der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden entsteht in Kooperation mit der Sächsischen Zeitung, dem Cosmo Wissenschaftsforum und der Dresdner Philharmonie.
  • Das Vorhaben wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Freistaat Sachsen im Rahmen der Exzellenzstrategie von
  • Bund und Ländern.
  • Abrufbar unter anderem auf Spotify, die aktuelle Ausgabe ab Mitte März.

Der Professor, die Psychologin und der Landwirt sind keine Apostel, die öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken - sie trinken ihn öffentlich und predigen auch kein Wasser. Die Dosis macht das Gift, sagt der Professor. Zehn Bier am Abend sind nicht gesund, aber ein Glas Wein geht - "ab und zu" ergänzt die Psychologin, ohne erhobenen Zeigefinger, sondern mit einem Augenzwinkern. "Das ganze Leben ist ein Abwägen von Nutzen und Risiko", sagt der Professor. Man möchte ergänzen: Wer sich immer gegen das Risiko entscheidet, vermeidet auch das Glück - sprich den Genuss.

Fastfood-Burger und Zucker im Kuchen

Fett? Iiih! Nutella? Pfui! Zucker? Nie! Die drei Fachleute machen reinen Tisch und werfen beliebte Vorurteile in die Futtertonne. Entspanntes Essen entsteht auch nicht durch Blümchen und Kerzchen auf dem Tisch. Carsten Ullrich geht auch mal einen Fastfood-Burger essen und die Psychologin verabscheut keinen Zucker im Kuchen. Viel schlimmer sei, zum Aufessen gezwungen zu werden, weil sonst die Sonne nicht scheint.

Der kalte Februarabend verscheucht einige der Zuhörer vorm Laden, während sie sich drinnen warm reden. Der Podcast wird Mitte März online abrufbar sein. Im Sommer soll es eine weitere Folge aus Pirna geben, dann in einer lauen Nacht mit genussvollem Appetit.