SZ + Dippoldiswalde
Merken

Letzte Brauerei aus Dippoldiswalde steht zum Verkauf

Es geht um die Lehrbrauerei der Lebensmitteltechniker in Dippoldiswalde. Das ist ein günstiges, aber auch sehr spezielles Angebot.

Von Franz Herz
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Hier war die Brauanlage in Dipps 2016 noch voll in Funktion.  Ausbilder Enrico Wolf vermittelt Raoul Dippmann (re.), Anne Spatzier und Sascha Gaber die Finessen des Bierbrauens. Dippold Bräu ist jetzt Geschichte.
Hier war die Brauanlage in Dipps 2016 noch voll in Funktion. Ausbilder Enrico Wolf vermittelt Raoul Dippmann (re.), Anne Spatzier und Sascha Gaber die Finessen des Bierbrauens. Dippold Bräu ist jetzt Geschichte. © Egbert Kamprath

Es war die letzte funktionierende Brauerei in der Stadt Dippoldiswalde. Ihr Bier hatte einen eigenen Namen „Dippold Bräu“. Da waren auch interessante Geschmacksnoten dabei. Die Marke ist sogar beim Patent- und Markenamt registriert. Aber nirgendwo hing ein Wirtshausschild, das Getränk war nicht zu kaufen. Es handelte sich um die Lehrbrauerei im Beruflichen Schulzentrum "Otto Lilienthal" Freital/Dippoldiswalde, und die Brauanlage steht jetzt zum Verkauf.

Nicht auf große Mengen ausgelegt, funktioniert aber voll

Das Landratsamt bietet derzeit die Brauanlage mit allem Zubehör auf dem Versteigerungsportal Zoll-Auktion.de zum Verkauf an. Das komplette Sudhaus mit Filter und Gärtanks ist noch voll funktionstüchtig. 20.200 Euro will der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge für die Anlage haben. Allerdings ist das Interesse bisher gering. Obwohl das Angebot schon über zwei Wochen im Netz steht, hat bisher kein Bieter Interesse angemeldet.

Das Angebot ist aber schon sehr speziell. Die Brauerei ist nicht auf große Mengen ausgelegt, sondern allein darauf, den Studierenden in Dippoldiswalde den Brauvorgang zu vermitteln. Die Anlage wurde in den 1990er-Jahren extra für die Anforderungen der Dippser Schule bei der Firma Pacovské Strojírny im tschechischen Pacov/Patzau gebaut. Den Hersteller gibt es heute noch. Er ist spezialisiert auf Anlagen für Brauereien, die chemische und pharmazeutische Industrie.

20.000 Euro sind sehr günstig

Gearbeitet hat an dieser Anlage auch der Dippser Jürgen Bußler. Er ist Diplom-Ingenieur für Lebensmitteltechnik (FH) und kennt auch die Geschichte der Anlage. Allein die Brauanlage hat damals in den 1990er-Jahren rund 70.000 D-Mark gekostet. Das war aber noch günstig, erinnert sich Jürgen Bußler. Deutsche Hersteller hätten über 200.000 Euro für eine vergleichbare Anlage verlangt. Dazu kommen noch das weitere Zubehör, wie Kühlung und Leitungen. Das hat nach Bußlers Schätzung auch noch mindestens 100.000 D-Mark gekostet. Er hält die rund 20.000 Euro, die der Landkreis jetzt dafür haben will, für sehr günstig.

Sogar eigene Bierdeckel hatte die Bildungsfördergemeinschaft für das Getränk aus der Lehrbrauerei drucken und die Marke schützen lassen.
Sogar eigene Bierdeckel hatte die Bildungsfördergemeinschaft für das Getränk aus der Lehrbrauerei drucken und die Marke schützen lassen. © Archiv
2016 genoss der damalige Oberbürgermeister von Dippoldiswalde, Jens Peter, im Verkostungsraum des Beruflichen Schulzentrums das Bier.
2016 genoss der damalige Oberbürgermeister von Dippoldiswalde, Jens Peter, im Verkostungsraum des Beruflichen Schulzentrums das Bier. © Egbert Kamprath
Hier wurden im Läuterbottich der Brauanlage Malz und Wasser vermischt. Daraus entstand dann das "Dippold Bräu".
Hier wurden im Läuterbottich der Brauanlage Malz und Wasser vermischt. Daraus entstand dann das "Dippold Bräu". ©  Egbert Kamprath

Andererseits ist die Anlage zu groß für einen Hobbykeller. Man würde schon ein großes Haus, eine Scheune oder etwas Ähnliches benötigen, um sie aufzubauen. Und der Abbau, Transport mit neuem Aufbau würden auch einen vierstelligen Betrag kosten, schätzt Bußler.

In Dipps studiert, und im Ruhestand selbst ausgebildet

Er ist gebürtiger Stralsunder und hat von 1965 bis 1968 in Dippoldiswalde studiert, Ingenieur der Lebensmittelindustrie hieß sein Studienfach damals. Schon damals hat er an verschiedenen Lehranlagen die Braukunst gelernt. Er erinnert sich noch an eine gläserne Brauerei in der damaligen Ingenieurschule. Er arbeitete dann in seiner Heimatstadt und an anderen Orten, bis er schließlich, nachdem 1982 Feldschlößchen neu gebaut worden, in Dresden als Schichtleiter anfing. Da seine Frau aus Dippoldiswalde stammt, hat sich die Familie hier angesiedelt.

Im Ruhestand engagierte er sich dann hier in der Brau-Ausbildung für sein Fach von 2007 bis 2022. Er kennt also die Lehrbrauerei in- und auswendig. Diese gehört zu der Tradition der Müllerschule in Dipps. Hier wurden ja keine Brauer unterrichtet, sondern Lebensmittelingenieure und seit 1992 Lebensmitteltechniker. Die lernten auch noch Backen, Brennen und andere Techniken der Lebensmittelherstellung.

Lehrer mussten Biersteuer bezahlen

Das Brauen war auch nicht ganz einfach. Erst mussten die Lehrer es beim Zollamt anmelden, damit auch der Finanzminister zu seiner Biersteuer kommt. Obwohl er aus den Dippoldiswalder Abgaben nicht reich wurde. Hier haben die Lehrer bei einem Brauvorgang in der Regel einen Hektoliter Bier gebraut. Das reichte für den Unterricht, wurde in aller Regel aber noch auf dem Schulgelände getrunken.

"Dippold Bräu" ist beim Patentamt registriert

Dabei haben die Berufsschullehrer zusammen mit der Fördergemeinschaft für die Schule auch auf stilechte Präsentation geachtet. Es gab einen Verkostungsraum, der einem gemütlichen Kneipenzimmer in nichts nachstand. Der Verein hat auch Bierdeckel für das "Dippold Bräu" drucken lassen. Bußler hat davon noch einige. Selbst um eine Eintragung der Marke beim Patent- und Markenamt hat sich die Bildungsfördergemeinschaft 2012 gekümmert. Der Markenschutz wurde vor zwei Jahren noch einmal verlängert. Heute hält der Dippser Wolfram Hagstotz die Rechte an der Marke.

Und zu den Tagen der offenen Tür hat das Berufliche Schulzentrum auch regelmäßig Informationen zu der Brauerei angeboten. 2016 wurde hier sogar an den uralten Braustreit zwischen Dippoldiswalde und Freiberg erinnert, der im Mittelalter schon einmal juristisch entschieden wurde. Das "Dippold Bräu" hielt dabei mit dem Freiberger Pils mit. Wenn allerdings die Brauanlage verkauft ist, wird auch diese Tradition in Dippoldiswalde beendet sein.

Die Ausbildung zum Lebensmitteltechniker ist offenbar nicht mehr gefragt. Das Berufliche Schulzentrum beantwortete Fragen dazu nicht. Nach Informationen von Sächsische.de kommen seit einem Jahr nicht mehr genug Interessenten für diesen Zweig zusammen.