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Warum ist der Latte Macciato in Sachsen so teuer?

Bis zu 5,40 Euro zahlt man in Sachsen für die Kaffeespezialität. Und es soll noch teurer werden. Dabei kostet der Kaffeeanteil nur wenige Cent pro Glas.

Von Susanne Plecher
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Oben dicker Milchschaum, unten Milch und Espresso in Schichten: So muss ein Latte Macciato aussehen. Mike Brettschneider hat ihn in seinem Café Momo in Freiberg zubereitet.
Oben dicker Milchschaum, unten Milch und Espresso in Schichten: So muss ein Latte Macciato aussehen. Mike Brettschneider hat ihn in seinem Café Momo in Freiberg zubereitet. © kairospress

Gurgelndes Röhren, dann ergießt sich dicker Milchschaum ins Glas. Zischendes Pfeifen, der Espresso träufelt darauf. Glas auf Teller, Löffel dazu – fertig ist der Latte Macciato.

Die italienische Variante des Milchkaffees wird in einem hohen Glas serviert, in dem sich ein kleines Schauspiel ereignet, wenn Kaffee und Milch sich in Wirbeln vermischen und anschließend schichtweise absetzen. Für viele ist ein Latte, wie er kurz genannt wird, etwas Herrliches. Doch der Genuss wird immer teurer.

5-Euro-Grenze ist gerissen

Kostete ein Glas vor wenigen Jahren meist unter 3,50 Euro, haben die ersten Gastronomen die 5-Euro-Grenze gerissen. Angefangen haben Flughäfen und Raststätten. Inzwischen ist ein Glas Latte auch in vielen beliebten Touristen-Orten teuer, wie ein SZ-Preisvergleich ergab. Die Preise wurden Anfang August online abgefragt.

Zum Beispiel im Café Toscana direkt an der berühmten Stahlbrücke „Blaues Wunder“ in Dresden. Dort werden für den besonders starken Latte mit doppeltem Espresso 5,40 Euro fällig. Nur wenige Kilometer elbabwärts, im Kaffeehaus im Italienischen Dörfchen, zahlt man für den normalen Latte Macciato 4,90 Euro – mit Blick auf Elbe und Theaterplatz zwar, aber der Kuchen ist trotzdem nicht inbegriffen.

Das US-amerikanische Kaffee-Franchiseunternehmen Starbuck´s verlangt 4,59 Euro, das traditionelle Kaffeehaus Müller in Plauen nimmt 4,30 Euro. Bei Cortina in Chemnitz werden 4,20 Euro fällig, in der Saigerhütte in Olbernhau 3,80 Euro. Mit 3,50 Euro vergleichsweise günstig ist der Latte im Bistro zur Pyramide in Seiffen, im Ratscafé in Görlitz oder im Alex in Zwickau.

Expertentipp von Kaffeeröster und Barista Mike Brettschneider: Die Milch muss sich erst etwas abkühlen, bevor der Espresso einläuft. Sonst vermischen sich beide Flüssigkeiten zu schnell - und setzen sich nicht in den typischen Schichten ab.
Expertentipp von Kaffeeröster und Barista Mike Brettschneider: Die Milch muss sich erst etwas abkühlen, bevor der Espresso einläuft. Sonst vermischen sich beide Flüssigkeiten zu schnell - und setzen sich nicht in den typischen Schichten ab. © kairospress

In schöner Lage mitten in Freibergs Altstadt befinden sich Kaffeerösterei und Café Momo. Der Caffe Latte kostet hier 4,40 Euro. 2009, als er neu im Sortiment aufgenommen worden war, zahlte man für das Glas 2,80 Euro.

Der Latte besteht zu 80 Prozent aus Milch

„Jedes dritte Kaffeegetränk, das bei uns über den Tresen geht, ist ein Latte Macciato“, sagt Betreiber Mike Brettschneider. Über 80 Prozent aufgeschäumte Milch, dazu ein Espresso, der mit der doppelten Menge Wasser zubereitet wird – mehr komme in den klassischen Latte nicht hinein. Kakaopulver als Deko oder Sahne als Verfeinerung sind für den Puristen „Unsitten“.

Die Espressobohnen röstet er selbst und verwendet dafür Arabica- und Robustabohnen aus fairem Anbau. Trotz der hohen Qualität des Rohstoffs beträgt der reine Kaffeepreis pro Tasse nur zwischen zehn und zwölf Cent, egal ob Cappuccino, Espresso oder normaler Kaffee.

Bei billigem Industriekaffee seien sieben bis acht Cent pro Tasse üblich, sagt Brettschneider, der Mitglied in der Deutschen Röstergilde ist. „Das ist marginal. Daher ist die Herangehensweise, in der Gastronomie billigen Kaffee zu verwenden, wirklich dämlich.“

Das Teuerste am Latte sei die Milch. Im Momo wird frische Biomilch und immer häufiger Hafer- oder Sojamilch verwendet, die noch preisintensiver ist. „Wenn Sie es so nehmen, verkaufe ich überwiegend Wasser und Service.“

Im Momo in Freiberg stammen die Kaffeebohnen aus fairem Anbau und werden selbst geröstet. Trotz der hohen Qualität beträgt der reine Kaffeeanteil pro Getränk nur zehn bis zwölf Cent.
Im Momo in Freiberg stammen die Kaffeebohnen aus fairem Anbau und werden selbst geröstet. Trotz der hohen Qualität beträgt der reine Kaffeeanteil pro Getränk nur zehn bis zwölf Cent. © kairospress

Doch, wenn der Warenpreis so niedrig ist, wie kann es dann sein, dass es eklatante Preisunterschiede von bis zu 1,50 Euro pro Glas gibt? Axel Klein, Chef des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Sachsen, erklärt das so: „Alex Zwickau ist Systemgastronomie und gehört zu einer Kette mit 38 Restaurants in Sachsen. Die haben ganz andere Einkaufspreise als ein Einzelkämpfer.“

Die teuren Innenstadtlagen kämen hinzu. Schließlich müsse der Wirt nicht nur die Warenkosten in den Preis jedes Getränks und jeder Speise einkalkulieren. Auch Personal, Energie, Betriebs- und Verwaltungskosten, Abschreibung für Maschinen, Zubehör und Möbel sowie die Miet- und Pachtausgaben gehörten dazu.

Die Faustregel "Einkaufspreis mal drei" ist Geschichte

Dass Gastronomen die höchsten Gewinnmargen bei den Getränken erzielen, ist bekannt. Früher galt dafür die Faustformel: Einkaufspreis mal drei. „Das ist lange vorbei“, sagt Klein. „Vor allem seit den massiven Preis- und Lohnsteigerungen der letzten Zeit“, erklärt er. „Stromkosten verdoppelt, Personalkosten um 30 Prozent gestiegen, gleichzeitig haben die Umsätze das Vor-Corona-Niveau noch längst nicht erreicht“, rechnet Klein vor.

Und malt schwarz: „Anfang 2024 wird der Latte Macciato noch einmal mindestens 20 Prozent teurer.“ Zum Jahresende nämlich endet die Absenkung der Mehrwertsteuer in Gaststätten. Die Bundesregierung hatte damit im Rahmen des Corona-Steuerhilfegesetzes die Steuer für Speisen vorübergehend von 19 auf sieben Prozent reduziert. Gleichzeitig wird der Mindestlohn noch einmal um 41 Cent pro Arbeitsstunde steigen. „Das wird sehr viele Gastronomen sehr hart treffen“, sagt Klein.

Latte außer Haus kostet weniger Steuern als drinnen

Allerdings waren Getränke von der Steuerreduzierung ausgenommen. Fragt sich, warum deren Preise dann steigen sollen. Irritierend ist zudem, dass alle Getränke, die mindestens zur Hälfte aus Milch bestehen, generell mit dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent besteuert werden – wenn sie außer Haus verkauft werden. Der Latte fällt darunter. Für den Kaffee wiederum, der mit Wasser gebrüht wird, gilt der normale Steuersatz von 19 Prozent. „Manche Anbieter machen sich das zunutze und verkaufen ihre Milchgetränke außer Haus, bieten aber drinnen trotzdem Sitzplätze oder Aufenthaltsmöglichkeiten an“, sagt Mike Brettschneider.

Dass ab Januar quer durch Sachsen 70 Cent bis 1,08 Euro mehr pro Glas Kaffeehimmel verlangt werden sollen, kann er sich nicht so recht vorstellen. „Erstmal abwarten, ob das alles wirklich so kommt. Fakt ist: Wenn ich die Getränke zu teuer mache, kauft sie keiner mehr.“

Den Preis für den Latte will er maximal leicht anheben, um den höheren Mindestlohn auszugleichen. „Vorausgesetzt, dass der Milchpreis stabil bleibt“, sagt er und lässt seine Siebträgermaschine röhren.