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Das Vogtland will den Welterbetitel

Als achtes Weltwunder bezeichnen die Vogtländer ihre 170 Jahre alte Göltzschtalbrücke. Nun soll ein besonderer Status folgen.

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Ein Zug der Vogtlandbahn überquert die Göltzschtalbrücke. Das imposante Bauwerk wird am Donnerstag 170
Ein Zug der Vogtlandbahn überquert die Göltzschtalbrücke. Das imposante Bauwerk wird am Donnerstag 170 © dpa/Jan Woitas

Netzschkau. Mit fast einhundert Bögen in rötlicher Farbe überspannt sie das Tal der Göltzsch und gilt als Wahrzeichen des Vogtlandes: Am Donnerstag vor 170 Jahren wurde die Göltzschtalbrücke als größte Ziegelsteinbrücke der Welt eingeweiht. Nun soll das Bauwerk aus mehr als 26 Millionen Ziegelsteinen noch mehr Aufmerksamkeit erhalten. Das Ziel: Das historische Viadukt soll Unesco-Weltkulturerbe werden. Auf dem langen Weg dorthin hat die Brücke im Vierländereck von Sachsen, Thüringen, Bayern und der Region Böhmen in Tschechien schon eine Expertenkommission überzeugt.

Zu Recht werde sie auch als achtes Weltwunder bezeichnet, ist Christa Trommer überzeugt. Sie ist die Vorsitzende des Fremdenverkehrsvereins "Nördliches Vogtland". Schon zehn Jahre nach der Eröffnung der ersten deutschen Eisenbahnverbindung 1835 hätten die Pläne für die Brücke im Vogtland begonnen. "Sie war enorm wichtig für die Nord-Süd-Verbindung. Noch heute fahren die Züge aus Dresden und Leipzig in Richtung Nürnberg und München über dieses Bauwerk." Es habe einer bis heute unglaublichen Ingenieurskunst bedurft, um das Mittelgebirge mit der Eisenbahn zu überwinden.

Doch die imposante Brücke ist nicht nur für den Verkehr bedeutsam, sie lockt auch Touristen an. Mehr als eine Million Menschen habe der Fremdenverkehrsverein seit Mitte der 90er Jahre vor Ort informiert. "Wir haben genau Strichliste geführt", erklärt Trommer. "Dieses große Interesse an der Göltzschtalbrücke müsste noch besser genutzt werden." Da die Brücke frei zugänglich ist, könne die Zahl von 100.000 Besuchern jährlich nur eine Schätzung sein, betont sie.

© Deutsche Bahn AG/Robert Grahn

Um bei Touristen künftig noch mehr zu punkten, braucht es aus ihrer Sicht eine bessere Infrastruktur samt Toiletten und Gastronomie. "Und bedauerlicherweise wird die Elstertalbrücke als die kleine Schwester der Göltzschtalbrücke oft vergessen." Dabei führe sie auf derselben Bahnstrecke ein paar Kilometer entfernt über das Tal der Weißen Elster, sei am selben Tag eröffnet worden und habe mit Johann Andreas Schubert (1808-1870) denselben Konstrukteur.

Die Deutsche Bahn unterhält in Deutschland nach eigenen Angaben mehr als 25.700 Eisenbahnbrücken unterschiedlichster Bauart. Jörg Bönisch als Pressesprecher für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen betont, die beiden Viadukte im Vogtland über die Göltzsch und die Weiße Elster gehörten zu den imposantesten und eindrucksvollsten in Betrieb befindlichen Eisenbahnbrücken in diesen Bundesländern. "Besonders hoch zu würdigen sind die ingenieurtechnische Leistung und Weitsicht sowie der Mut ihrer Konstrukteure und Erbauer. Dadurch sind die beiden Brücken heute noch voll funktionsfähig und betriebssicher."

Laut Bönisch entsprechen sie noch immer den gewachsenen Anforderungen heutiger und künftiger Verkehrsströme, auch was Geschwindigkeiten, Oberleitung und Achslasten betrifft. Jedoch sei der Aufwand für die jährliche Inspektion und Instandhaltung nicht unerheblich. Die Göltzschtalbrücke erhielt im Zusammenhang mit der Elektrifizierung bis 2011 eine neue Fahrbahnwanne - begleitend dazu gab es weitere Sanierungen unter anderem am Mauerwerk.

Touristische Aufwertung

Touristisch soll das Areal an der Brücke nach dem Willen der anliegenden Städte Reichenbach und Netzschkau nun aufgewertet werden. Dazu ist laut Reichenbachs Oberbürgermeister Raphael Kürzinger (CDU) eine Machbarkeitsstudie bei einem Leipziger Büro in Auftrag. Geplant sind unter anderem Orientierungssysteme, Grundstücksankäufe sowie Rad- und Wanderwege. Außerdem soll sich die Parkplatzsuche für Autofahrer und die Situation für Fußgänger verbessern. Laut Kürzinger dürften die Kosten den ersten Plänen nach zwischen 15 und 25 Millionen Euro liegen.

Gekrönt werden sollen die Bemühungen um eine Aufwertung dieses Wahrzeichens durch den Welterbetitel. Dazu sei eine 60-seitige Bewerbung beim Land Sachsen abgegeben worden, sagt Kürzinger. "Ich hoffe natürlich, dass die Göltzschtalbrücke als historisches Wahrzeichen exzellenter Ingenieurbaukunst das Rennen macht. Sie soll endlich auch in der Welt ihre Anerkennung finden."

Eine Expertenkommission unter Vorsitz von Sachsens Landeskonservator Alf Furkert haben die Vogtländer schon überzeugt. Das Gremium hat im Auftrag des Landes drei sächsische Welterbe-Bewerber unter die Lupe genommen. Dazu gehören auch die Stätten des Meissner Porzellans und das Hauptgestüt Graditz bei Torgau. Als Empfehlung wurde die Göltzschtalbrücke auf Platz 1 gesetzt. Folgt das Kabinett den Experten, dann ist sie einer der beiden sächsischen Welterbe-Vorschläge für die Kultusministerkonferenz im Herbst.

Doch auch ohne Welterbetitel wird gefeiert - und zwar das Brückenjubiläum. Am Donnerstagabend (15. Juli) haben sich anlässlich der Erstbefahrung die Ministerpräsidenten Sachsens und Thüringens, Michael Kretschmer (CDU) und Bodo Ramelow (Linke), für einen Besuch angekündigt.

Am selben Tag wird Christa Trommer mit Vereinskollegen um 10.00 Uhr am Parkplatz 1 auf interessierte Besucher warten. Bei einer Führung informieren sie über Legenden und Wahrheiten rund um das Viadukt. Und am Freitag und Samstag präsentiert die Vogtland Philharmonie unter dem Titel "Sounds of Hollywood" an der Brücke berühmte Filmmusiken unter freiem Himmel. (dpa)