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Leipziger "Fahrradgate"-Prozess gegen Polizistin geht in zweite Runde

Polizeihauptmeisterin Anke S. soll mindestens 265 Fahrräder aus der Asservatenkammer illegal verhökert haben. Seit Dienstag steht sie in Leipzig erneut vor Gericht.

Von Sven Heitkamp
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Die frühere Verantwortliche der Asservatenkammer der Polizeidirektion Leipzig (r) sitzt im Verhandlungssaal des Landgerichts Leipzig.
Die frühere Verantwortliche der Asservatenkammer der Polizeidirektion Leipzig (r) sitzt im Verhandlungssaal des Landgerichts Leipzig. © dpa

Leipzig. Der erste Prozess gegen die Leipziger Polizistin Anke S., die Hunderte sichergestellte Fahrräder illegal an Kollegen, Freunde und Bekannte verhökert haben soll, war im März wegen eines Formfehlers ihres Anwalts geplatzt – am Dienstagfrüh begann nun die zweite Runde: Wieder saß die Polizeihauptmeisterin auf der Anklagebank und musste mehrere Stunden lang die minutiöse Anklageschrift der Dresdner Generalstaatsanwalt hören.

Laut den Ermittlungen soll die ehemals Verantwortliche der Asservatenkammer zwischen August 2014 und November 2018 mindestens 265 teils hochwertige Fahrräder an andere Beamte, Familienmitglieder, Freunde und Bekannte weitergegeben haben – in mindestens 94 Fällen auch gegen eine „Spende“ von meist 50 Euro – insgesamt knapp 4.800 Euro. Ihr erster Anwalt Thomas Morguet hatte nach wenigen Verhandlungstagen erklärt, dass er auch andere Beteiligte in dem Verfahren vertritt und ein Interessenkonflikt bestehen könnte. Jetzt beginnt der Prozess von vorn.

Die suspendierte Polizeihauptmeisterin muss sich wegen Bestechlichkeit, Diebstahl und Urkundenfälschung verantworten. Die 47-Jährige hatte im ersten Anlauf ein Geständnis abgelegt, aber sich zugleich im Recht gesehen: Sie sei davon ausgegangen, dass sie die gestohlenen, aber wieder aufgefundenen Fahrräder herausgeben durfte. Sie seien von Versicherungen freigegeben worden und konnten ihres Wissens nach an Vereine übergeben werden.

Spenden gingen an Gartenverein ihres Vaters

Die Herausgabe sei sogar in einer Dienstberatung besprochen worden, immer mehr Kollegen hätten sie darauf angesprochen. Die Spenden habe sie an den kleinen Gartenverein ihres Vaters Andreas abgeführt. Auch Richter Rüdiger Harr hatte angedeutet, er könne sich vorstellen, auf eine Verurteilung wegen Diebstahls zu verzichten. Die Angeklagte habe „herrenlose“ Räder abgegeben, die weder die alten Besitzer noch deren Versicherungen haben wollten. Denkbar sei, dass sie nur eine Geldstrafe bekomme. Die Staatsanwaltschaft hielt indes an ihrer Anklage fest und will eine Haftstrafe auf Bewährung erreichen.

Zurzeit sind 15 weitere Verhandlungstage bis Ende Oktober angesetzt. Die allermeisten Verfahren gegen weitere Kollegen und Vorgesetzte wurden indessen während der juristischen Aufarbeitung – teils gegen Zahlung einer Geldauflage – eingestellt. Ermittler berichteten zudem von chaotischen Zuständen in der Asservatenkammer.

Bei der neu geschaffenen „ZentraB Fahrrad“ habe es keine Vorerfahrungen gegeben, Räume und Personal hätten kaum ausgereicht, zumal viele Vorbesitzer von gestohlenen Rädern nicht auf Abhol-Aufforderungen reagierten. Der Fall hatte vor vier Jahren als „Fahrradgate“-Skandal bundesweit Schlagzeilen gemacht.