Sächsische Forscher sind zurück aus der Arktis

Der Arbeitsplatz ist nun wieder etwas besser geheizt. Vorbei sind die Minusgrade im eiskalten Hangar hinterm Polarkreis. Der Meteorologie-Professor ist zurück mit seinem Team in den Büros der Leipziger Universität. Zurück von der wohl bedeutendsten deutschen Nordpolarexpedition mit Flugzeugen. Kiruna in Nordschweden war für sie das Basecamp.
Nie hatte Deutschland mehr Fluggeräte gleichzeitig am Nordpol und in der Arktis an sich. Manfred Wendisch, Direktor des Instituts für Meteorologie der Leipziger Universität, hat diese Expedition koordiniert.
Sie hatten Pech mit der Technik, aber Riesenglück mit dem Wetter. Mehr als 100 Wissenschaftler von sechs Universitäten, fünf Instituten und internationale Partner waren dabei. Wendisch selbst und sein Team haben sich einen Monat lang mit dem Stratosphärenflugzeug Halo die oberen Luftschichten in bis zu 15 Kilometern Höhe am Nordpol angeschaut. Was heißt angeschaut – durchflogen, durchleuchtet, vermessen, verglichen. 150 Flugstunden sind bei den 18 Flügen zusammengekommen, mehr als vorgesehen.
Halo, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zur Verfügung gestellte Flugzeug, konnte eine Woche lang nicht fliegen. Ein Teil musste getauscht werden. Dass so etwas selbst unter schwersten Bedingungen binnen Tagen gelingt, auch das gehört zu den logistischen Herausforderungen einer solchen Expedition.

Halo ist wieder geflogen. Und mit ihm die beiden Polarflugzeuge vom Alfred-Wegner-Polarinstitut AWI. Weil ihre Reichweite kleiner ist, waren sie auf Spitzbergen stationiert und damit näher am Nordpol.
Auch sie kommen jeweils auf rund 100 Flugstunden. "Die Polarflieger haben überwiegend zusammen mit uns gemessen. Sie haben sich die kleinräumigen Dinge in der Atmosphäre angeschaut, und wir mit Halo alles großflächig darüber", berichtet Manfred Wendisch der Sächsischen Zeitung.
Vom Ballon aus kamen dünne Nadelstiche in die Atmosphäre. Der ließ zig Messgeräte auf 1.000 Meter Höhe steigen. Die Forscher vom Tropos, dem Leipziger Leibniz-Institut für Troposphärenforschung, sind auch jetzt noch in der deutschen Polarstation auf Spitzbergen. Der Fesselballon Beluga steigt dort in den arktischen Frühling auf. Schnee hatten die Forscher dort bereits genug, berichtet Holger Siebert vom Tropos.
Mit Schneesturm und viel Schneeschaufeln hatte für sie die Expedition im März begonnen. Die Tage darauf hatte der extreme Wind die Startvorhaben der Wissenschaft einfach weggeblasen. 15 Flüge mit Beluga waren es bis Ostern dann geworden. Die Forscher hatten auf etwas mehr gehofft.

Hitzeperioden in der Arktis
"Dass diese Jahreszeit herausfordernd und kompliziert werden würde, war im Vorfeld klar", berichtet Holger Siebert. Aber auch hier zählt wie bei Halo am Ende nur der Erfolg: "Wir haben einige interessante Messungen machen können und übergeben das Feld nun der zweiten Gruppe."
Seit Ostern ist Team 2 in Ny Alesund und lässt dort noch bis Mitte Mai den Tropos-Ballon steigen. "Hoffentlich in ein paar erreichbare Wolken und mit interessanten Bedingungen." Viel zu wenig ist bislang von den Luftmassen über der Arktis bekannt.
Immer mehr versteht die Wissenschaft nun, wie stark sich die Veränderungen dort bis zu uns auswirken. Extremwetterperioden auch hier in Sachsen werden maßgeblich von dort gesteuert über einen bis zu 500 Kilometer pro Stunde schnellen Jetstream in acht bis zehn Kilometern Höhe.
Extremwetter bei uns
Durch die sich stark erwärmende Arktis verändert sich die Lage diese Jetstreams, und damit auch die Wetterlagen. Die Folgen sind mitunter extrem. Die Dürren und Hitzeperioden in den letzten Sommern zum Beispiel, die Flut vom Ahrtal. Schnee bis zu den Mittelmeerinseln. Oder bei uns lange Kälteperioden wie vergangenes Jahr im Frühjahr.
Mit ihrem Sonderforschungsbereich "Arktische Verstärkung" arbeiten Leipziger Wissenschaftler mit Forschern aus Bremen, Köln und Bremerhaven zusammen. Warum erwärmt sich die Arktis viel schneller als andere Regionen? Und welche Folgen hat dies, auch für uns? Antworten darauf soll es in den kommenden Jahren geben. Die größte Flugexpedition passt dazu.
"Das, was wir wollten, haben wir bekommen, und noch mehr", sagt Professor Manfred Wendisch. "Das wissenschaftliche Ziel ist mehr als erreicht worden." Was nicht heißt, dass die Wissenschaft jetzt schon schlauer ist als vorher. Die eigentlich harte Arbeit beginnt erst. Massenweise Daten sind auszuwerten.
Die ersten Ergebnisse sollen Mitte Juli vorgestellt werden, die ersten Schlussfolgerungen werden im Laufe des Jahres veröffentlicht. Die komplette Auswertung wird aber Jahre dauern. Genug Zeit, um den nächsten Flug mit der Halo in die Arktis zu planen. Auch das dauert Jahre. "Wir haben bereits konkrete Ideen", so Wendisch; mehr aber sagt er dazu noch nicht. Fünf Jahre Planung und Vorbereitung waren es bei der eben beendeten Expedition Halo-AC3.
Was wundert es da noch, wenn wegen technischer Probleme am Anfang die Nerven beim Team blanklagen. Doch die Forscher wurden entschädigt: Massive Warmlufteinbrüche in die Arktis. Kälteflüsse von dort in den Süden, ein polares Tief und kompakte, driftende Luftmassen – von allem, was die Forscher sich erhofft hatten, war was dabei. Mit dem Wetter hatten die Meteorologen also ziemliches Glück.
