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Kretschmer will Obergrenze von 60.000 Flüchtlingen pro Jahr bis 2030

Vor dem Asylgipfel mit Kanzler Scholz am Mittwoch fordert Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer eine neue Obergrenze für Flüchtlinge. Und er hofft auf die Wiederbelebung eines alten Abkommens.

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Am Mittwoch stehen Gespräche zur künftigen Asylpolitik in Deutschland bevor - und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fordert bereits vorab neue Obergrenzen für Zuwanderer.
Am Mittwoch stehen Gespräche zur künftigen Asylpolitik in Deutschland bevor - und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) fordert bereits vorab neue Obergrenzen für Zuwanderer. © Jan Woitas/dpa

Berlin. Vor dem für Mittwoch geplanten Gespräch zur Asylpolitik mit Bundeskanzler Olaf Scholz hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland gefordert. "50.000 oder 60.000 Flüchtlinge pro Jahr – mehr können das erst mal für die nächsten Jahre nicht sein, weil wir so eine große Integrationsanstrengung haben", sagte der CDU-Politiker der "Bild".

Diese Obergrenze ist Kretschmer zufolge bis 2030 nötig, weil Deutschland ausreichende Aufnahmekapazitäten fehlten. "Wenn Sie in die Kommunen schauen, wenn Sie sich anschauen, wie viele Integrationskurse gibt es und wie viele Deutschkurse, wie es in den Schulen aussieht – dann müssen wir diese Integrationsanstrengungen erst einmal leisten."

Kretschmer für erneutes EU-Türkei-Abkommen

Der Regierungschef sprach sich zudem für eine Erneuerung des EU-Türkei-Abkommens aus. "Wir müssen mit der Türkei dafür sorgen, dass dieses Abkommen, was Frau Merkel damals verhandelt hat, wiederbelebt wird. Die Türkei muss sich um diese Menschen kümmern. Wir helfen finanziell", sagte Kretschmer.

Die Türkei und die EU hatten 2016 einen Flüchtlingspakt unterzeichnet, in dem Ankara zusagte, gegen irreguläre Migration vorzugehen. Bestandteil der Abmachung war unter anderem, dass die EU Flüchtlinge und Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken konnte.

Kretschmer forderte nun erneut konsequentere Abschiebungen. Jeder abgelehnte Asylbewerber, der nicht abgeschoben werde, sei "ein Versagen des Staates, ist eine Niederlage und nicht hinzunehmen, weil die Bevölkerung das auch nicht hinnimmt". Der Ministerpräsident plädierte für mehr Abschiebeabkommen.

Die Bundesregierung müsse außerdem Entwicklungshilfe an Länder einstellen, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen. "Wir müssen diese sicheren Rückführungsabkommen haben. Wir wollen ja abschieben als Länder, aber scheitern immer wieder daran, dass diese Herkunftsländer Flüchtlinge nicht abnehmen. Und ehrlich gesagt, es kann nicht sein, dass wir Entwicklungshilfe bezahlen in Größenordnungen, aber diese Staaten und dann ihre Staatsbürger nicht wieder zurücknehmen", sagte Kretschmer.

Aus den Reihen der sächsischen Politik kamen gemischte Reaktionen. AfD-Fraktionschef Jörg Urban forderte, "Masseneinwanderung" müsse gestoppt und nicht verlangsamt werden. Im Übrigen sei Kretschmer unglaubwürdig. Im Juni 2023 habe er sich für eine Obergrenze von 200.000 Asylbewerbern jährlich ausgesprochen. Die Landeschefin des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), Sabine Zimmermann, verwies auf das Grundrecht auf Asyl. Wer vor Krieg oder aus politischen Gründen fliehe, müsse das auch bekommen. Nötig seien aber Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und eine stärkere Bekämpfung von Fluchtursachen.

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz zeigte sich auf dem Kurznachrichtendienst X kritisch zu Kretschmers Vorstoß. Menschen- und Grundrechte oder die Genfer Flüchtlingskonvention "spielen ja auch keine Rolle mehr", schrieb der frühere Ostbeauftragte der Bundesregierung. Der Dresdner FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst betonte: "Anstatt Obergrenzen vom Bund zu fordern, muss Ministerpräsident Kretschmer dafür sorgen, dass Ausreisepflichtige in Sachsen zügig das Land verlassen."

Vor Asylgipfel: Städte wollen schnelle Arbeitsaufnahme und Integration

Der Deutsche Städtetag hat vor dem Asylgipfel am Mittwoch zudem auf massive Probleme bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten hingewiesen. "Immer noch sind viele in Messehallen oder Zelten untergebracht, auch Familien mit Kindern", mahnte der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe (CDU). Die Länder müssten deutlich mehr Plätze in ihren Einrichtungen schaffen. Auch der Bund müsse eigene Unterbringungskapazitäten für die Erstaufnahme aufbauen.

Bei der Integration der vielen geflüchteten Kinder und Jugendlichen seien die Städte ebenfalls dringend auf die Unterstützung der Länder angewiesen, sagte Lewe der Deutschen Presse-Agentur. "Es mangelt an Schul- und Kitaplätzen, Sprachkursen und vor allem Personal", fügte er hinzu.

Mehr Tempo wünscht sich der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes zudem beim Abbau rechtlicher Hürden für arbeitswillige Asylbewerber und bei der Rückführung von ausreisepflichtigen Asylsuchenden ohne Bleibeperspektive. "Uns ist wichtig, dass Asylbewerber, die den Städten zugewiesen werden, sofort arbeiten dürfen - unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus", sagte Lewe. Dies sei heute noch nicht der Fall. Das würde nicht nur die Städte finanziell entlasten, sondern auch für bessere Integration sorgen. Unzufrieden zeigte sich der Städtetags-Präsident bei den angekündigten Vereinbarungen mit Herkunftsländern von Asylbewerbern. "Kaum ein Herkunftsland, mit dem verhandelt wurde, hat sich bisher verbindlich zur Rücknahme abgelehnter Asylbewerber verpflichtet", kritisierte er.

Deutscher Landkreiskreistag kritisiert Ampel: "Rückführungsoffensive" findet nicht statt

Auch der Deutsche Landkreistag hält weitere Maßnahmen zur Begrenzung der Migration für dringend erforderlich. "Die Beschlüsse vom November haben nicht nennenswert dazu beigetragen, zu mehr Kontrolle im Flüchtlingsgeschehen zu gelangen", sagte der Verbandspräsident Reinhard Sager dem "Handelsblatt". "Man arbeitet in den Landkreisen noch immer am Anschlag und muss zusätzlich viele neue Geflüchtete verkraften", betonte Sager. Die von der Ampel-Koalition angekündigte "Rückführungsoffensive" finde nicht statt.

Sager plädierte zugleich für eine stärkere Einbindung von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt. Unternehmen sollten aus seiner Sicht Geflüchtete stärker als bislang einstellen. "Hierfür sollte die gesetzliche Möglichkeit geschaffen werden, Asylbewerber schon nach kurzer Zeit zur Annahme zumutbarer regulärer Arbeit zu verpflichten", forderte Sager. (dpa mit SZ/ale)