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Sachsens Regierungschef Kretschmer drängt Habeck zu mehr Wirtschaftsreformen

Wirtschaftsminister Robert Habeck und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer lieferten sich in Berlin einen spannenden, aber überaus fairen Schlagabtausch zur Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Die Debatte im Video.

Von Annette Binninger
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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, re.) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diskutierten am Montag über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, re.) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) diskutierten am Montag über die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland. © Bundesministerium für Wirtschaft/Screenshot: Sächsische.de

Berlin/Dresden. Es ist ein spannender Schlagabtausch zwischen dem grünen Bundeswirtschaftsminister und dem bereits seit Wochen wahlkämpfenden CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen - Robert Habeck und Michael Kretschmer diskutieren in Berlin. Eingeladen hatte Habeck den sächsischen Regierungschef im Rahmen einer Gesprächsreihe des Bundeswirtschaftsministeriums ("Transformationsgespräche"), in der es um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland geht. Ausreichend Gesprächsstoff gibt es, zumal Kretschmer als einer der schärfsten Ampel-Kritiker unter den Ministerpräsidenten gilt.

Wie kann in der gegenwärtigen schwierigen Situation - nach der großen Krise um die Energieversorgung - ein neuer Aufschwung gelingen? Und wie geht beides zusammen: die Sicherung des Wohlstands und mehr Maßnahmen gegen den Klimawandel? Aber es soll auch darum gehen, "wie diesbezügliche Konflikte und Meinungsverschiedenheiten in unserer freiheitlichen und offenen Gesellschaft ausgetragen werden können", hieß es in der Einladung.

Zu Beginn des zweistündigen Aufeinandertreffens machte Gastgeber Habeck dem sächsischen Ministerpräsidenten zunächst öffentlich ein überraschendes Kompliment. "Ich finde es sehr stark, wie Sie in einem politisch nicht einfachen Umfeld die demokratische Herausforderung annehmen und immer wieder das Gespräch mit den Menschen suchen", sagte Habeck. "Das imponiert mir sehr."

Kretschmer dankte im Gegenzug für die Einladung des Bundesministers. "Wir müssen vorleben, dass man anständig miteinander umgehen und diskutieren kann, auch wenn wir in vielen Dingen unterschiedliche Positionen haben."

Die Gesprächsrunde beginnt ab Minute 20:17

Gleich zu Beginn der Debatte drängt Sachsens Ministerpräsident Kretschmer die Bundesregierung, schnellstens mehr für die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu tun. „Dieses Land muss erstmal wieder Wind unter die Segel bekommen“, sagt Kretschmer.

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Derzeit schwächten vor allem die unsichere Energiepolitik, eine Verknappung am Arbeitsmarkt sowie zu viele bürokratischen Bestimmungen das Wachstum in Deutschland, kritisiert Kretschmer. „Wir müssen bestimmte bürokratische Regeln zumindest auf das europäische Niveau zurückschneiden.“ Zudem schlägt Kretschmer vor, das Lieferkettengesetz für fünf Jahre auszusetzen.

In puncto Arbeitszeit pocht Kretschmer erneut auf die 40-Stunden-Woche und damit weniger Ausnahme-Regelungen für Teilzeit-Arbeit.

Habeck: „Schöne Grüße in das Wunderland Sachsen“

Habeck erinnert in seiner Erwiderung daran, dass die Große Koalition - also Union und SPD - das Lieferkettengesetz damals auf den Weg gebracht hätten. Er verstehe durchaus die Klagen von Unternehmen, die ermüdet seien von den vielen Vorschriften und Auflagen. „In der Summe haben wir uns verlaufen“, da stimme er durchaus zu, so Habeck. Eine bestimmte „Verschlankung“ sei zwar möglich, aber Habeck warnt vor zu hohen, kurzfristigen Erwartungen.

Zudem erinnert er daran, dass viele bürokratische Regelungen Ländersache seien und dort Änderungen möglich seien. Das betreffe beispielsweise die Bauordnung oder Regelung für den Aufbau von Windkraft-Anlagen („schöne Grüße in das Wunderland Sachsen“, fügt Habeck spitz hinzu mit Blick auf den großen Ausbau-Rückstand Sachsens).

Er sehe das Thema Arbeitskräfte als größte Wachstumsbremse für die Zukunft, sagt Habeck. Auch darum sei eine klar geregelte Zuwanderung auch so wichtig.

Kritisch äußert sich Habeck bezüglich mancher, aus seiner Sicht populistischer und spitzer Äußerungen von Kretschmer gegenüber der Ampel-Regierung. Entscheidend vor allem im Kampf gegen Rechtspopulismus sei es, wie die demokratischen Parteien mit und übereinander redeten, sagt Habeck.

Das Aufeinandertreffen zwischen Habeck und Kretschmer war mit Spannung erwartet worden. Mehrfach hat Kretschmer in den vergangenen Monaten die Energiewende für gescheitert erklärt und sich vehement für Atomkraft ausgesprochen. Sachsen belegt beim Ausbau der erneuerbaren Energien einen der hinteren Plätze. Kretschmer gilt allgemein als einer der schärfsten Kritiker der Ampel-Regierung in Berlin.

Doch Habeck gilt bei solchen Debatten durchaus als beachtlicher Kontrahent. Erst vor Kurzem hatte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Habecks spitzes "Florett" in der verbalen Auseinandersetzung zu spüren bekommen. Beide waren Ende Februar nach München gereist, um auf einer Veranstaltung des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) über die Probleme und die Zukunft des deutschen Handwerks zu sprechen. Dass beide sich weder politisch noch menschlich allzu gut verstehen, ist bekannt. Und so dauerte es nicht lange, bis es zu einem scharfen Schlagabtausch zwischen Söder und Habeck um den Atom-Ausstieg kam.

Söder ist hinlänglich als vehementer Verfechter der Atomkraft bekannt. Es sei ein Fehler, Atomenergie aus dem Ausland zu importieren, obwohl Deutschland sie selbst hätte haben können, indem die Bundesregierung die verbliebenen Atommeiler über den April 2023 hinaus hätte weiterlaufen lassen. Der Ausstieg mitten in der Energiekrise sei ein Fehler gewesen, sagte Söder auf dem Münchner Podium. Doch Habeck konterte geschickt, indem er daran erinnerte, dass es die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD gewesen sei, die 2011 beschloss, aus der Kernenergie auszusteigen. Söder habe doch dereinst - damals noch bayerischer Umweltminister - sogar mit Rücktritt gedroht, wenn dieser Austritt nicht schnellstmöglich beschlossen und vollzogen werde.

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