Sachsen
Merken

Morgenlage in Sachsen: Grenzkontrollen; Mehr Asylplätze; Neuer Bundeswehr-Standort; Unterrichtsausfall

Erste Erfolge bei Grenzkontrollen + Mehr Plätze in Erstaufnahmen + Kommt Bundeswehr nach Weißwasser? + Unterrichtausfall auf neuem Höchststand

 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Unter anderem an der A17 hat die Bundespolizei mit stationären Grenzkontrollen begonnen. Dabei wurden bereits Schleuser gefasst.
Unter anderem an der A17 hat die Bundespolizei mit stationären Grenzkontrollen begonnen. Dabei wurden bereits Schleuser gefasst. © Marko Förster

Guten Morgen,

manchmal werden die Dinge, die scheinbar so wichtig sind und uns täglich so mächtig in der sächsischen Landespolitik beschäftigen, so winzig und klein, dass es fast beschämend ist, in sie so viel Zeit investiert zu haben.

Da laufen nun die ersten verschärften Grenzkontrollen in Sachsen. Der Innenminister, der das monatelang forderte, freut sich, die Polizei-Gewerkschaft ärgert sich. Und der Ministerpräsident schlägt überraschend noch ein neues Kapitel in der jahrelangen, ermüdenden Diskussion über eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen auf – eine "Obergrenze" von 200.000 pro Jahr sei viel zu hoch, sagt er in Berlin. Aber ob irgendeine Obergrenze überhaupt jemals kommt?

Ein paar Fernsehbilder aus Israel wischen all diese Themen zügig vom Tisch. Bilder von einer Pressekonferenz in Tel Aviv. Es sind Menschen, die ihre Angehörigen vermissen, sie entführt vermuten irgendwo im Gaza-Streifen. Menschen mit einem deutschen Pass. Darum nutzen ihre Angehörigen jetzt dieses kleine abendliche Fenster der Öffentlichkeit, den Besuch des deutschen Bundeskanzlers, der die Aufmerksamkeit auf ihre vermissten Lieben lenkt. Weil alles helfen könnte, wenn man selber gerade so gar nichts tun kann.

Da ist die junge Frau, die nicht ein oder zwei Angehörige vermisst, sondern zehn Mitglieder ihrer Familie. Sie trägt erstaunlich unemotional, matt und zermürbt von zehnfacher Ungewissheit ihre Geschichte vor, bittet Deutschland um Unterstützung. Da ist die Mutter von Shani Louk, der 22-jährigen jungen Frau, die nach einem Musikfestival in die Hände der Terroristen fiel.

Meine Welt ist aus den Angeln gehoben, sagt der junge Vater, der seine Frau und seine beiden kleinen Töchter vermisst. Nicht weiß, ob sie verletzt oder wo sie sind, ob sie noch leben. Seine Familie habe die Großmutter in Aschkelon besucht, ohne ihn, der weit weg gewesen sei an diesem schicksalhaften Sonntagmorgen, als brutale Terroristen der Hamas, in Israel einfielen.

Die Berichte, Bitten, Flehen, das Drängen der Zurückgelassenen bleiben noch lange im Gedächtnis. Auch als Mahnung für all diejenigen, die glauben, das mit der uneingeschränkten Unterstützung für Israel könnte oder gar sollte schon bald enden.

Da ist diese eine große Sorge: Wann werden wohl die ersten Zweifel laut geäußert – auch hier in Sachsen – ob und warum man Israel überhaupt uneingeschränkte Unterstützung zusagen muss. Der Tag wird kommen. Ob die Antworten auf diese Fragen dann wirklich überzeugend ausfallen werden?

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion Sächsische.de

"Politik in Sachsen - Die Morgenlage" als E-Mail-Newsletter - hier kostenlos anmelden

Die wichtigsten News am Morgen:

Kretschmer: "Grenzkontrollen sind etwas Bitteres"

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) begrüßt die gestarteten stationären Grenzkontrollen. Zugleich schränkte er am Dienstag nach einer Kabinettssitzung mit Vertretern der Bundesregierung in Berlin ein: "Stationäre Grenzkontrollen sind etwas Bitteres." Dennoch müsse nun das Signal an Fliehende gesandt werden: "Es hat keinen Wert, nach Deutschland zu kommen." Er forderte ein deutliches Absenken der Flüchtlingszahlen in Form einer Obergrenze. "Ich glaube, dass zurzeit keine 200.000 Menschen pro Jahr möglich sind", sagte er.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist derweil unzufrieden mit der Art und Weise der stationären Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und auch der Schweiz. Der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, sagte, die Gewerkschaft habe sich nach der Ankündigung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf "flexible, mobile und lageangepasste Kontrollen" eingestellt und nicht auf "stumpfe stationäre feste Kontrollstellen wie an der österreichischen Grenze". Das sei aber, was man jetzt an diesen Grenzabschnitten erlebe - allerdings ohne die für ein solches Vorgehen notwendige Ausstattung.

Die Bundespolizei meldet unterdessen erste Erfolge. Schon kurz nach dem Start der Kontrollen ist den Beamten am Montagabend an der A17 ein mutmaßlicher Schleuser ins Netz gegangen. Dabei handelt es sich den Angaben zufolge sich um einen Syrer, der versucht haben soll, sechs seiner Landsleute nach Deutschland zu bringen. Der Mann wurde vorläufig festgenommen. Später seien zudem einige türkische Staatsbürger in zwei Reisebussen festgestellt worden. Auch ihnen fehlten gültige Einreisedokumente. Außerdem griff die Bundespolizei zehn Menschen auf, die am Rand der A 17 zu Fuß in Richtung Kontrollstelle unterwegs waren. Die Beamten gehen nun davon aus, dass die Schleuser vermehrt auf Schleichwege ausweichen, wie unser Report von der Grenze zeigt. Zugleich versucht die Polizei, Staus an den Grenzen zu vermeiden.

Sachsen will deutlich mehr Erstaufnahme-Plätze schaffen

Sachsen will die Kapazitäten für Geflüchtete in den Erstaufnahmezentren sukzessive auf rund 10.000 Plätze aufstocken. Das teilt die Landesdirektion Sachsen (LDS) mit. Aktuell sind die Erstaufnahmezentren laut Landesdirektion zu circa 80 Prozent ausgelastet. Derzeit gibt es 8.825 Plätze. Jedoch könne man "in der Praxis nie alle Plätze einer Aufnahmeeinrichtung" belegen. Derzeit werde gemeinsam mit dem sächsischen Finanz- und Innenministerium und dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement geprüft, welche Objekte als Aufnahmezentren in Frage kommen. Auch "Zelt- oder Containerlösungen, die Anmietung von Kapazitäten in Hotels sowie Turnhallen" werden in Betracht gezogen.

Um die Unterbringung und Integration von Geflüchteten besser zu organisieren, fordert Sozialministerin Petra Köpping (SPD) in der Leipziger Volkszeitung die Wiedereinsetzung des "Lenkungsausschusses Asyl". Ein solches Gremium gab es früher schon einmal. "Eine strategische, auch kurzfristige landesweite Abstimmung und Koordination aller Verantwortungsträger von Freistaat und den Kommunen im Bereich Asyl ist dringend notwendig", betont die Ministerin. Die AfD-Fraktion im Landtag kritisiert die Entscheidung zur Ausweitung der Kapazitäten. Dies sei das "komplett falsche Signal an die Bundesregierung", erklärt Partei- und Fraktionschef Jörg Urban. "Es ist längst überfällig, dass alle Bundesländer einen Aufnahmestopp verhängen."

Standortentscheidung für Bundeswehr noch dieses Jahr

Die Entscheidung zur Stationierung weiterer Verbände der Bundeswehr in Sachsen soll voraussichtlich noch in diesem Jahr fallen. Das kündigte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag nach der gemeinsamen Sitzung des sächsischen Kabinetts mit Bundesministern in Berlin an. "Die Frage ist nicht, ob wir in Sachsen, sondern wo wir in Sachsen stationieren", zitierte die Sächsische Staatskanzlei den Verteidigungsminister. Laut Staatskanzlei betrachtet das Verteidigungsministerium bis Jahresende mögliche Orte in den Landkreisen Bautzen und Görlitz für eine Stationierung von Truppenteilen. Es geht um die Ansiedlung von zwei Bataillonen. Diese bestehen aus 300 bis 1.000 Soldaten. Als möglicher Standort ist etwa Weißwasser im Gespräch.

Acht Prozent der Schulstunden sind ausgefallen

Die Zahl der ausgefallenen Unterrichtsstunden in Sachsen hat einen neuen Höchststand erreicht. Im vergangenen Schuljahr sind acht Prozent der Unterrichtsstunden ausgefallen, die nach geltender Stundentafel an allgemein- und berufsbildenden Schulen gehalten werden sollten. Das ergibt sich aus Zahlen, die die Schulen an das Kultusministerium melden. Hinzu kommen noch die Stunden, die in einem anderen Fach vertreten wurden. "Wir haben genügend Stellen, aber es fehlt an grundständig ausgebildeten Bewerbern auf dem Markt", heißt es aus dem Kultusministerium. Demnach müssten zusätzlich 1.220 Lehrerinnen und Lehrer in Vollzeit eingestellt werden, um den Unterricht vollständig abzudecken. Das erste Halbjahr sei außerdem von einem außergewöhnlichen Krankheitsgeschehen geprägt gewesen, so das Ministerium. Am höchsten ist der Ausfall mit 13,7 Prozent an Förderschulen und mit 10,8 Prozent an Oberschulen.

Der Newsletter "Politik in Sachsen"

© Screenshot

>> Noch mehr News, die Titelseiten-Übersicht aller sächsischen Zeitungen und die Terminvorschau gibt es in der Komplettversion der "Morgenlage" jeden Morgen 5 Uhr bequem als E-Mail-Newsletter. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen. <<