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Morgenlage in Sachsen: Schuster; Kretschmer im Faktencheck; Sachleistungen für Flüchtlinge

Vor Nominierung: Schuster räumt mit Missverständnis auf + Faktencheck: Verschlechtern Flüchtlinge die Schulqualität? + Landrat will Flüchtlingen "digitale Identität" geben

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Für Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) wird es heute Abend ernst. Er soll als Direktkandidat für die Landtagswahl 2024 nominiert werden.
Für Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) wird es heute Abend ernst. Er soll als Direktkandidat für die Landtagswahl 2024 nominiert werden. © dpa

Guten Morgen,

man soll das Fell nicht verteilen, bevor der Bär erlegt ist. Dieser alte Spruch ist stets mahnend zu hören, wenn mal wieder zu früh und zu wild spekuliert, welche Koalitionen, Posten und Karrieren für welche Partei möglicherweise "drin" wären nach der nächsten Landtagswahl. Die ist ja bekanntlich in Sachsen erst am 1. September 2024. Doch gemessen am zeitlichen Abstand dorthin, ist die Dichte der Geschichten jeglicher Art, die darauf hindeuten, dass vieles, wenn nicht gar fast alles schon gelaufen wäre, jetzt schon recht groß.

So hat man seit dieser Woche sogar schon das Gefühl, als ob sich insgeheim in Kürze Sahra Wagenknecht und Michael Kretschmer zu Koalitionsverhandlungen im Rotwein-Keller des saarländischen Eigenheims von Oskar Lafontaine (Wagenknechts Ehemann) treffen könnten. Das scheint ja manches schon so gut wie "geritzt".

Nun ja, es könnte noch Konkurrenz geben, denn auch Vertreter der (sächsischen) Linkspartei haben bereits angedeutet, dass sie sich – quasi im Notfall – aufopferungsvoll als Koalitionspartner dazwischen werfen würden, damit die CDU nicht ungeschützt in die Arme der AfD fällt.

Aber vielleicht warten wir dann doch noch ein wenig ab. Zu oft haben wir scheinbar sensationelle Politiker-Persönlichkeiten als Rakete in den Himmel der Öffentlichkeit schießen, dort langsam verglühen und unsanft zu Boden fallen sehen. Je früher der Abschuss von der Startrampe erfolgt, je weiter entfernt der Wahltermin liegt, umso gefährlicher für die Kandidatin oder den Kandidaten, sich und ihre Idee verbrennen zu sehen.

Ich wünsche Ihnen ein möglichst sonniges, erholsames Wochenende – vergessen Sie die Zeitumstellung nicht!

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion Sächsische.de

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Die wichtigsten News am Morgen:

Vor Nominierung: Schuster räumt mit Missverständnis auf

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) soll heute Abend in Lohmen offiziell als CDU-Direktkandidat für den Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 4 nominiert werden. Im Gespräch mit Sächsische.de räumt Schuster kurz vor der Nominierungsveranstaltung mit einem aus seiner Sicht entstandenen Missverständnis auf. Es geht um die "Dorfdepp-Äußerung" des 62-Jährigen während einer Pressekonferenz in Leipzig im Sommer. "Nachdem ich von einem Journalisten gefragt wurde: 'Leipzig trauen Sie sich wohl nicht zu?' habe ich geantwortet: 'Nur weil ich vom Land komme, bin ich noch lange kein Dorfdepp. Natürlich kann ich auch Leipzig oder Dresden." Er weist den Vorwurf zurück, gegenüber der Landbevölkerung respektlos und überheblich aufzutreten.

Derweil hat der Freitaler CDU-Stadtrat Candido Mahoche bei einer Nominierungsveranstaltung knapp die Mehrheit der Delegiertenstimmen verfehlt - obwohl er der einzige Bewerber war. Seine Kandidatur war von der Landtagsfraktionsspitze unterstützt worden. Mahoche kam Anfang der 80er-Jahre aus Mosambik nach Freital. Dort kümmert sich der gelernte Braumeister und Familienvater seit Längerem um die Integration von Migranten in Sportgruppen. Nach der verpatzen Nominierung soll es demnächst einen zweiten Anlauf geben - eventuell mit dem Kreisvorsitzenden Peter Darmstadt. Die Freie Presse fragt Mahoche, ob er wegen seiner Hautfarbe nicht aufgestellt worden sei. "In Freital ist alles möglich, in der CDU sowieso", sagt Mahoche. Aber: "Ich möchte keine schmutzige Wäsche waschen." Unterdessen haben die Mitglieder des CDU-Kreisverbandes Bautzen Bernd Grüber zum Direktkandidaten im Wahlkreis 52, Bautzen 1, gewählt.

Faktencheck: Verschlechtern Flüchtlinge die Schulqualität?

Gefährden Geflüchtete wirklich die Bildungsqualität in Sachsens Schulen? "Wir können die Qualität der Bildung nicht mehr garantieren, weil wir Schüler beschulen müssen, die von außen kommen", hat Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) jüngst bei einer Veranstaltung in Bautzen gesagt. Die Koalitionspartner SPD und Grüne reagierten entsetzt. Doch wer liegt richtig? Wie Sächsische.de in einem Faktencheck analysiert, gibt es derzeit rund tausend Jugendliche, die ohne Eltern nach Sachsen gekommen sind und für die die Schulpflicht gilt. Viele von ihnen sind Analphabeten und haben in ihrem Heimatland keine Schule besucht. Aber: Der Lehrermangel - ein entscheidender Faktor für die Bildungsqualität - war schon lange vor der aktuellen Migrationssituation ein Problem. Neben einer fatalen Sparpolitik beim Personal wurde nur langsam auf steigende Schülerzahlen und neue Herausforderungen für die Schulen reagiert. Die Integration von Geflüchteten ist dabei nur ein Aspekt von vielen. Hinzu kommt: Weniger Zuwanderung wird das Problem Lehrermangel an Sachsens Schulen nicht lösen. Hier geht es zur kompletten Analyse.

Landrat will Flüchtlingen "digitale Identität" geben

Landrat Dirk Neubauer (parteilos) hat seinen am Mittwoch in der Kreistagssitzung geäußerten Plan, als erster Landkreis in Sachsen Asylbewerbern statt Geld Sachleistungen auszugeben, konkretisiert. "Wir haben anlässlich eines Abstimmungsgespräches Ende September den Staatssekretär Conrad Clemens darüber unterrichtet, dass wir bereits seit Anfang September ein digitales System planen: Das kann Geld- und Sachleistungen vollständig abbilden", sagt Neubauer auf Nachfrage von Sächsische.de. Clemens ist Leiter der Landesvertretung und seitens des Ministerpräsidenten mit der Abstimmung des Systems Sachleistung mit dem Bund zuständig. Zurzeit laufen Abstimmungen, ob eine bundesweite Lösung angestrebt wird oder nicht. Deshalb sei zu früh, um über Details zu sprechen, so Neubauer. "Erstmal geht es darum, herauszufinden, ob wir allein entscheiden, ob es landes- oder bundesweit geregelt wird." Der Landrat will eine digitale Identität für Geflüchtete.

In der Kreistagssitzung lehnte eine Mehrheit Mehrausgaben für Asylbewerber erneut ab. Neubauer erklärte den Beschluss für rechtswidrig und widersprach ihm. Nun muss die nächsthöhere Behörde eine Entscheidung treffen.

Sachsens Wirtschaft kritisiert neue Lkw-Maut

Von der Neuregelung der Lkw-Maut in Deutschland sind nach Angaben der Dresdner Industrie- und Handelskammer (IHK) allein in Ostsachsen rund 3.000 Unternehmen betroffen. Bundestag und Bundesrat hatten das Gesetz am vergangenen Freitag verabschiedet. Demnach verteuert sich die Nutzungsgebühr für Autobahnen und Bundesstraßen zum 1. Dezember um eine zusätzliche CO2-Komponente. Ab Juli 2024 soll die Mautpflicht dann auch für kleinere Transporter mit mehr als 3,5 Tonnen gelten. Handwerksbetriebe bleiben davon ausgenommen, ebenso emissionsfreie Laster bis Ende 2025. IHK-Präsident Andreas Sperl nennt als Rechenbeispiel einen typischen Mittelständler aus dem Dresdner Umland, der mit zwanzig 40-Tonnern und fünf Lkw bis zwölf Tonnen bundesweit liefert. Die Erhöhung koste ihn 410.000 bis 450.000 Euro zusätzlich im Jahr. Die meisten würden versuchen, die Kosten umzulegen – was am Ende der Kette zu erhöhten Preisen bei Gewerbekunden und Endverbrauchern führe. Für Betriebe, die keinen Preisspielraum gegenüber Auftraggebern hätten, "kann die Luft für den Fortbestand durchaus dünn werden", so Sperl. Auch von anderen Stimmen der sächsischen Wirtschaft gibt es breite Kritik. Selbst das von der Neuregelung ausgenommene Handwerk jubelt nur verhalten.

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