Sachsen
Merken

Morgenlage in Sachsen: Bauernproteste; CDU-Ärger um Listenplätze; Grundsteuer

Umweltminister wegen Bauern unter Druck + Debatte um CDU-Listenplätze - Entscheid am Sonnabend + Grundsteuer: Initiative schlägt Freistaat Ausweg vor

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Sachsens Agrarminister Wolfram Günther steht derzeit wegen verzögerter Zahlungen an die Bauern unter Druck.
Sachsens Agrarminister Wolfram Günther steht derzeit wegen verzögerter Zahlungen an die Bauern unter Druck. © dpa

Guten Morgen,

wenn ein Politiker nur noch brüllt und schreit, um trotz Mikrophon Tausende von lärmenden Demonstranten zu übertönen, dann ist das für keinen gut. Weder für die Stimme des Politikers – in diesem Falle Bundesfinanzminister Christian Lindner auf der Berliner Bauern-Demo – noch für die politische Auseinandersetzung im Allgemeinen. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass eben nicht jeder Politiker so kommunikativ begabt ist, dass er zu erkennen vermag, wann er welche Bühne mit welchen Inhalten wirklich betreten sollte. Und wann er lieber mal eine meiden sollte.

Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther hatte zwar in der vergangenen Woche auch eine Demo-Bühne ausgelassen. Doch bekam er am Freitag noch einmal kräftig verbal eine deutliche „Abreibung“. Die sächsischen Bauern legten ihm – gelinde ausgedrückt – den Rücktritt nahe. Wenn die wegen technischer Probleme im Ministerium noch ausstehenden Agrar-Zahlungen an die Bauern nicht bis Ende Januar flössen, hätten sie durchaus schon einen Ersatzkandidaten für Günther – und sogar einen Grünen.

Äußerst diplomatisch, aber doch deutlich reagierte dagegen gestern auf Nachfrage Sachsens Ministerpräsident Kretschmer, dem die Bauern die Entlassung des Gescholtenen nahegelegt hatten. Kretschmer hatte sich öffentlich entschuldigt für die Zahlungsmisere – eine sehr ungewöhnliche Geste. Aber noch weiter dürfte der „Nicht-Angriffs-Pakt“ auf den Koalitionspartner dann doch nicht reichen. „Ich nehme ihn nicht in Schutz, greife ihn in der Geschichte aber auch nicht an“, sagte Kretschmer.

Bei manchem sächsischen CDU-Vertreter soll derweil die heimliche Schadenfreude über die offene politische Flanke des grünen Landwirtschaftsministers dann doch überwiegen. Und man dürfte sich zum ersten Mal in dieser Legislatur darüber freuen, dass kein CDU-Mann – wie es stets seit der Wende war – den gelegentlich heiklen Posten innehat.

Herzlichst,

Ihre Annette Binninger, Leiterin Politikredaktion Sächsische.de

Die wichtigsten News am Morgen:

Umweltminister wegen Bauern unter Druck

Sachsens Landwirte haben am Montag weiter ihrem Unmut über die von der Bundesregierung geplanten Subventionskürzungen Luft gemacht. Mit Traktoren und Lkw waren Bauern bei der Großdemonstration in Berlin dabei. Zudem gab es im Freistaat weiter einzelne Blockaden, vor allem im Raum Chemnitz und im Bereich Görlitz. Insgesamt hatten sich seit Sonntagabend Bauern mit rund 1.000 Fahrzeugen auf den Weg in die Hauptstadt gemacht. Weitere reisten in etwa 30 Bussen an, die der Landesbauernverband charterte. Im Landkreis Bautzen sind für die kommenden Tage weitere Blockaden an den Autobahnauffahrten angemeldet. Ein Treffen mit den Berliner Ampel-Fraktionsspitzen ist am Montag ergebnislos zu Ende gegangen. Alle Entwicklungen bei den Bauernprotesten gibt es in unserem Newsblog.

Bei sächsischen Bauern richtet sich der Unmut auch gegen Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne). Der Landesbauernverband hatte Günther am Freitag ein Ultimatum gestellt. Am Montag gab es erneut Rücktrittsforderungen der AfD-Fraktion im Landtag, der Freien Wähler und der konservativen Heimatunion - eine Basisbewegung in der sächsischen CDU. Hintergrund sind verspätete Auszahlungen von EU-Geldern an die Landwirte im Freistaat. Kritik gibt es dabei auch von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). "Ich habe mich dafür entschuldigt, wie es gelaufen ist. Trotzdem ist das noch Alles sehr ärgerlich", sagte der Regierungschef am Montag gegenüber Sächsische.de. Offen lässt er, inwieweit er künftig auf die Forderungen zur Entlassung von Minister Günther eingehen wird. "Ich nehme ihn nicht in Schutz, aber greife ihn in der Geschichte auch nicht an."

Zahlen aus dem Agrarbericht verdeutlichen, dass gerade sächsische Betriebe besonders abhängig von den Hilfen sind. In den 6.000 sächsischen Betrieben, die haupterwerblich Landwirtschaft betreiben, stammen drei Viertel des Einkommens aus Agrarsubventionen. Damit liegt Sachsen mit Brandenburg an der Spitze. Die geplanten Kürzungen beim Steuerrabatt für Agrardiesel sind für viele sächsische Betriebe hingegen kein größeres Problem.

Debatte um CDU-Listenplätze - Entscheid am Sonnabend

Der Listenvorschlag des sächsischen CDU-Parteivorstands für die anstehende Landtagswahl sorgt weiter für Diskussionen. Für Unverständnis bei einigen sorgt beispielsweise der achte Listenplatz von Sandra Gockel. Die Chefin der Frauen-Union eckt kürzlich bei einigen Parteispitzen an, weil sie bei der Wahl für einen weiteren sächsischen CDU-Vizeposten erfolgreich gegen die Bundestagsabgeordnete Christiane Schenderlein angetreten war. Nun befinden sich aber viele CDU-Größen plötzlich hinter Gockel: Kultusminister Christian Piwarz auf Platz 9, Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow auf elf und Regionalminister Thomas Schmidt nur auf Platz 13. Mit der CDU in der Stadt und im Landkreis Leipzig sind sogar ganze Parteiregionen sauer, weil sie ihre Vertreter benachteiligt sehen. Auch die vom Landesvorstand vorgelegte Kandidatenliste für die EU-Wahl im Juni wird an der Basis als "Unwucht zugunsten von Dresden" infrage gestellt. Gut möglich, dass es am Sonnabend, wenn eine CDU-Vertreterversammlung in Dresden endgültig über jeden einzelnen Listenplatz abstimmt, frühzeitig zu Gegenkandidaturen kommt.

Geheimtreffen: Teilnehmer spricht von "Zeitungsente"

Eine Sitzung des Sozialausschusses im Landtag zum sächsischen Integrationsgesetz hat am Montag für außergewöhnlich großes Interesse gesorgt. Der Grund: Als Sachverständigen hatte die AfD den Rechtsanwalt Ulrich Vosgerau benannt. Er war Ende November Teilnehmer eines Geheimtreffens bei Potsdam, über das das Recherchezentrum Correctiv berichtet hat. In der Sitzung selbst war dies am Montag nicht Thema. Im Anschluss sprach aber CDU-Mitglied Vosgerau vor Journalisten über den Correctiv-Bericht als "Zeitungsente". In seiner Gegenwart habe niemand die Ausbürgerung von Deutschen gefordert. In seiner rechtlichen Einschätzung zum Integrationsgesetz ging Vosgerau vor allem auf die Vorgaben des noch nicht vom Parlament verabschiedeten Gesetzes zur Personalgewinnung ein. Vosgerau sieht einen Konflikt mit dem Prinzip der Bestenauslese, nach der die Fähigkeit entscheidend für den Zugang zu öffentlichen Ämtern ist.

Grundsteuer: Initiative schlägt Freistaat Ausweg vor

Im Streit um fehlerhafte Berechnungen der neuen Grundsteuer schlagen mehrere betroffene Eigentümer dem Freistaat einen Ausweg vor. Die Finanzämter sollen alle Grundstücke mit einer extremen Vervielfachung des Steuermessbetragsquotienten herausfiltern. Diese gefilterten Grundstücke müssten dann dem Oberen Gutachterausschuss übermittelt und einer individuellen Prüfung des Bodenrichtwertes unterzogen werden. Bei dieser erneuten Prüfung sollen dann wertmindernde Faktoren Berücksichtigung finden. Dies sei nach Auffassung der Initiative, die sich Interessengemeinschaft "Was ist der Grund für diese Steuer" nennen, auch rechtskonform darstellbar, ohne dass das existierende Grundsteuerbewertungsgesetz geändert werden muss. Zudem hat die Initiative einen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verfasst.

Der Newsletter "Politik in Sachsen"

© Screenshot

>> Noch mehr News, die Titelseiten-Übersicht aller sächsischen Zeitungen und die Terminvorschau gibt es in der Komplettversion der "Morgenlage" jeden Morgen 5 Uhr bequem als E-Mail-Newsletter. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen. <<