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Sachsens Bauern stellen Minister Günther ein Ultimatum

Bauernpräsident Torsten Krawczyk stellt Sachsens Agrarminister Wolfram Günther vor die Wahl: Wenn es in den kommenden zwei Wochen kein EU-Geld gibt, soll er zurücktreten.

Von Georg Moeritz
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Torsten Krawczyk,  Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes, fordert am Ende der Protestwoche den Rücktritt von Minister Günther.
Torsten Krawczyk, Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes, fordert am Ende der Protestwoche den Rücktritt von Minister Günther. © Archivfoto: SZ/Dietmar Thomas

Limbach-Oberfroha. Die nächste Stufe des Protests: Sachsens Bauernpräsident Torsten Krawczyk hat am Freitag gefordert, Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) müsse zurücktreten, wenn die verzögerten Agrarsubventionen nicht bis Ende Januar auf den Konten der Bauern seien. Krawczyk sagte in Limbach-Oberfrohna, der Vorstand des Landesbauernverbands habe diese Forderung bei seiner Vorstandsklausur beschlossen.

Er sei menschlich enttäuscht von Minister Günther, sagte Krawcyzk. Der habe immer nur technisch begründet, weshalb die Verteilung der 241 Millionen Euro EU-Subventionen derzeit schwer zu berechnen und zu organisieren sei. Günther hatte auch auf Fachkräftemangel bei der Bewältigung der Softwareprogramme hingewiesen. Dagegen habe sich Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) öffentlich für die Verzögerung entschuldigt.

„Das rote Telefon schweigt jetzt“, sagte der Bauernpräsident. Bis voriges Jahr habe er intensive Kontakte zu Günther gepflegt. Die Protestbewegung „Land schafft Verbindung“ hatte bereits vor einigen Wochen Günthers Rücktritt gefordert. Damals schloss sich Krawczyk nicht an, forderte aber im Gespräch mit sächsische.de mehr „Demut“ vom Minister.

Günthers Sprecher teilte als Reaktion am Freitagnachmittag in Dresden mit: „Die Testläufe für die erforderliche Software laufen auf Hochtouren. Wir arbeiten intensiv an der Vorbereitung der Auszahlung.“

Bauernverbände wollen neuen Minister vorschlagen

Krawczyk sagte, er wolle gemeinsam mit anderen Landwirtschaftsverbänden dem sächsischen Ministerpräsidenten einen anderen Agrarminister vorschlagen. Namen nannte er nicht. Es werde angesichts der Koalition in Sachsen wieder jemand von den Grünen sein: „Wir wollen, dass die Regierungsfähigkeit erhalten bleibt.“ Einen Bruch der Koalition wolle er nicht. Am 1. September ist Landtagswahl in Sachsen.

Der Verband hat für den nächsten Bauerntag am 15. März in Döbeln wieder Kretschmer als Redner eingeladen, wie schon zum ersten Bauerntag vorigen November in Weinböhla. Krawczyk sagte auf die Frage, ob das Wahlkampfunterstützung für den CDU-Politiker sein solle, der Ministerpräsident sei als Verfassungsorgan geladen. Der Bauernverband spreche auch mit Gesundheitsministerin Petra Köpping von der SPD, etwa zum Thema Bekämpfung der Schweinepest.

An diesem Freitag endete eine Protestwoche der Landwirte in Sachsen mit Großdemonstration am Mittwoch in Dresden. Am Montag werden Landwirte aus ganz Deutschland in Berlin demonstrieren, Krawczyk rechnet dort mit rund 10.000 sächsischen Teilnehmern. Der Bauernpräsident erwartet auch von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) eine „demütige Geste“.

Die Proteste hatten sich am überraschenden Beschluss der Berliner Regierungskoalition entzündet, die Steuern auf Diesel für landwirtschaftliche Fahrzeuge zu erhöhen. Krawczyk sagte, eine Streichung von Subventionen werde „unweigerlich“ zu höheren Lebensmittelpreisen führen. Beim Protest gehe es aber nicht nur um den Agrardiesel, sondern auch darum, „gehört und beteiligt zu werden“.

Wegen hoher Zustimmung erst einmal kein Protest mehr

In den kommenden Wochen soll es nach dem Willen des Bauernpräsidenten in Sachsen erst einmal keine Proteste mehr geben. „Wir erreichen gerade Traumwerte bei der Zustimmung“, sagte Krawczyk. Daher solle vor allem die ländliche Bevölkerung nun in Ruhe gelassen werden.

Er distanzierte sich erneut von „Querdenkern“ und Demonstranten mit „Umsturzphantasien“, die sich an die Bauernproteste anhängen wollten. Insgesamt habe der Ablauf der Demonstrationen gezeigt, dass Sachsen demokratiefähig sei.

Der neue Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbands, Stefan Seyfarth, kündigte statt Protesten „Aufklärungsarbeit mit Flugblättern“ an, in der Nähe von Lebensmittelgeschäften. Die Kunden müssten erfahren, dass die heimische Landwirtschaft wichtig sei – und klimaschonender als mehr Importe von Nahrungsmitteln.

Bis 2. Februar bleibt Bauernverband "erst mal ruhig"

Die Bundesregierung hatte nach den ersten Bauernprotesten angekündigt, den bisher üblichen Rabatt von 21,48 Cent pro Liter Agrardiesel doch nicht sofort zu streichen, sondern schrittweise. In diesem Jahr 2024 soll es noch 60 Prozent der Entlastung geben, nächstes Jahr noch 30 Prozent. Krawczyk sagte, es dürfe gar keine Steuererhöhung auf den Diesel für die Landwirte geben. Bis zur Bundesratssitzung am 2. Februar könne der Bundeshaushalt noch abgelehnt und in den Vermittlungsausschuss gegeben werden. „Bis dahin wollen wir ruhig bleiben.“

In der Zwischenzeit beteilige sich der Bauernverband an Vorschlägen zur Gegenfinanzierung, es gebe auch schon Vorschläge aus den Ländern. Voraussichtlich werde an Förderprogrammen zur Verbesserung der Tierhaltung und an Umweltprogrammen gekürzt, die nicht vollständig genutzt würden. Krawczyk stellte zugleich Entwicklungshilfezahlungen für Staaten in Übersee infrage, die nach seinen Angaben beispielsweise „für Radwege in Peru“ gedacht seien.

Zur Einkommenssituation der Bauern sagte Krawczyk, zwar seien in den vergangenen Jahren zeitweise Spitzenpreise gezahlt worden. „Schweinepreis und Milchpreis passen“, sagte Krawczyk, der selbst Schweine hält. Doch die Kosten der Agrarbetriebe seien auch gestiegen. Es sei auch schwieriger geworden, Arbeitskräfte zu finden. Die Preise für Weizen und Gerste seien seit den Spitzenpreisen um 30 Prozent gefallen. Ein Grund dafür sei, dass Ware aus der Ukraine zunehmend auf den polnischen, dann den deutschen Markt komme.