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Morgenlage in Sachsen: Demos; AfD-Verbot; Kandidatenkür; Maaßen

Großer Zulauf zu Demos gegen Rechtsextremismus + CDU skeptisch wegen AfD-Verbot + CDU, SPD und FDP legen Landeslisten fest + Weg frei für Maaßen-Partei

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In Dresden kamen nach Angaben der Veranstalter 40.000 Menschen zu einer Demo gegen Rechtsextremismus.
In Dresden kamen nach Angaben der Veranstalter 40.000 Menschen zu einer Demo gegen Rechtsextremismus. © VH

Guten Morgen,

es sind eindrucksvolle Bilder, die am Wochenende aus deutschen Städten gesendet wurden. Hunderttausende sind auf die Straße gegangen, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren - aufgeschreckt durch das Potsdamer Geheimtreffen, das gezeigt hat, welche menschenverachtenden Gedanken in manchen politischen Kreisen offenbar laut formuliert werden können. Nicht nur in Sachsen, wo sich allein in Dresden rund 40.000 Menschen versammelten, war es deswegen auch eine Demonstration gegen die AfD.

Das muss die Partei zunächst nicht kümmern. Kann sein, dass sich vielleicht der ein oder andere potenzielle Wähler wegen den Berichten rund um das Geheimtreffen und der AfD-Verstrickung abwendet oder dass die gestrigen Massenproteste dem ein oder anderen zu denken geben. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass der AfD die Überschreitung vermeintlicher roter Linien nicht schadet - jedenfalls was die Stimmenanteile bei Wahlen und Wahlumfragen angeht.

Trotzdem ist das vergangene Wochenende eines, das im Nachgang betrachtet noch einmal bedeutend werden könnte für die Erfolgsbilanz der AfD. Denn in Erfurt hat die Werteunion - bezeichnenderweise auch vertreten bei dem Geheimtreffen - den Weg dafür frei gemacht, dass ihr Chef Hans-Georg Maaßen eine konservative Partei gründen kann. Gut möglich, dass da eine AfD-Konkurrenz heranwächst - auch schon für die sächsische Landtagswahl im September. Und nächstes Wochenende hat das von manchem AfDler gefürchtete Bündnis Sahra Wagenknecht seinen ersten Parteitag. Sie sehen: Es bleibt, wie immer, spannend.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die neue Woche.

Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur Sächsische.de

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Die wichtigsten News am Morgen:

100.000 Demonstranten allein in Dresden und Leipzig

Mehrere Tausend Menschen haben am Sonntag in Sachsen gegen Rechtsextremismus und die AfD demonstriert. Die Veranstalter der Demo in Dresden sprachen von 40.000 Teilnehmern, in Chemnitz waren es den Angaben zufolge 12.000. In Leipzig wurde von 60.000 Teilnehmern gesprochen. Bei der Demo in Görlitz bedankte sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bei den Menschen, die für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit demonstrieren "und die diesen Rechtsextremisten zeigen: Wir sind die Mehrheit in diesem Land". Sächsische.de fasst das Demogeschehen vom Sonntag hier zusammen. Für heute sind Demos in Zittau, Freiberg und Meißen angekündigt.

Gegenüber der Welt am Sonntag hatte Kretschmer zuvor gesagt: "Mit der AfD müssen wir es so machen wie einst mit NPD, DVU, Republikanern: Man muss diesen Extremisten den Nährboden entziehen." Die Politik müsse handeln. Die anderen ostdeutschen CDU-Parteichefs äußerten sich ähnlich. Die katholischen Bischöfe in Ostdeutschland warnen vor der unbedachten Wahl rechtsradikaler Parteien. Sie könnten vor dem Hintergrund ihres eigenen Gewissens "die Positionen extremer Parteien wie dem III. Weg, der Partei Heimat oder auch der AfD nicht akzeptieren".

AfD-Verbotsverfahren: Sachsen-CDU bleibt skeptisch

Die Diskussion über ein Verbot der AfD ist auch in Sachsen in vollem Gang. Während Linke, Grüne und SPD die Verbotsdebatte begrüßen, bleiben CDU-Politiker skeptisch gegenüber einem Verbotsantrag. Innenminister Armin Schuster (CDU) sagt gegenüber Sächsische.de, er sei skeptisch, dass die hohen verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot überwunden werden könnten. Bislang seien nur drei Landesverbände der AfD von den Verfassungsschutzämtern als "gesichert rechtsextrem" eingestuft worden. "Öffentlich ein Verbot der AfD zu diskutieren, bringt uns in der Sache nicht weiter." Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) äußerte sich am Sonntagabend in der ARD ebenfalls zurückhaltend und warnte davor, die AfD durch öffentliches Reden groß zu machen.

Die AfD in Sachsen hat derweil Klage gegen die Einstufung als rechtsextremistische Bestrebung durch den Landesverfassungsschutz eingereicht. Zugleich will die Partei die Herausgabe eines entsprechenden Gutachtens der Verfassungsschützer erzwingen. Das Dokument sei "skurrilerweise" geheime Verschlusssache, sagte Parteichef Jörg Urban am Freitag. Man lebe in einer Situation, wo die AfD bildlich gesprochen als Räuber bezeichnet werde, ohne ihr zu sagen, wen sie wann und wo beraubt habe. Das gehe so nicht. Juristische Schritte gegen die Einstufung hatte die AfD bereits kurz vor Weihnachten angekündigt. Nun meldet sie Vollzug.

CDU, SPD und FDP legen Landeslisten fest

Ministerpräsident Michael Kretschmer wird die sächsische CDU zum zweiten Mal nach 2019 als Spitzenkandidat in eine Landtagswahl führen. Die aus knapp 200 Parteimitgliedern bestehende Landesvertreterversammlung wählte den 48-Jährigen am Sonnabend im Dresdner Congress Center einstimmig auf den ersten Platz der CDU-Landesliste. Insgesamt votierten 94,8 Prozent der Delegierten für Kretschmer. Bei seiner Wahl vor fünf Jahren kam er auf 96,3 Prozent Zustimmung. Scharfe Kritik übte Kretschmer erneut an der Bundesregierung. Einfach durchzuregieren, wie es die Ampel zurzeit macht, sei kein gutes Konzept. Aktuell verhalte sich die Bundesregierung wie "eine Monarchie auf vier Jahre", kritisierte er. Bei den Abstimmungen zu den einzelnen der insgesamt 78 Listenplätze kam es zu mehreren Gegenkandidaturen.

Sozialministerin Petra Köpping ist am Sonnabend auf einer Wahlkonferenz der SPD mit 96 Prozent der Stimmen offiziell auf Platz 1 der SPD-Landesliste gewählt worden. 76 Delegierte stimmten für sie, drei votierten mit Nein. Köpping, die sich selbst als "Kandidatin der stillen Mitte" bezeichnete, warf Kretschmer (CDU) vor, ein Bild des wirtschaftlichen Niedergangs vom Land zu zeichnen. Hier geht es zur kompletten SPD-Landesliste mit allen Abstimmungsergebnissen.

Klarheit über den Spitzenkandidaten herrscht auch bei Sachsens FDP. Die Liberalen wollen nach zehnjähriger Abstinenz im Landtag wieder in das Parlament einziehen und haben dafür den Dresdner Stadtrat Robert Malorny als Zugpferd nominiert. Der 44 Jahre alte Ingenieur wurde am Samstag auf einer Vertreterversammlung in Döbeln mit großer Mehrheit auf den ersten Platz der Landesliste gewählt. 206 von 222 Delegierten stimmten für ihn: 92,8 Prozent. Auf die weiteren Plätze kamen Landesvize Thomas Kunz, Juliane Steinmüller, Stephan Mielsch und Martin Bahrmann. Hier gibt es die ersten 15 Plätze der FDP-Landesliste.

Weg für Maaßen-Partei frei

Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, den die CDU ausschließen möchte, kann sein Projekt Parteigründung starten: Zumindest hat die Werteunion - eine konservative und nach eigenen Angaben bisher CDU-nahe Vereinigung - die Weichen dafür am Samstag in Erfurt gestellt. Die Neugründung soll im Gegensatz zur CDU keine Partei mit einer "Brandmauer" und damit "gesprächsbereit in alle politischen Richtungen" sein, wie die Werteunion mitteilte. Die AfD wird nicht explizit ausgeschlossen. Maaßen, der dem Thüringer CDU-Landesverband angehört und der 2021 in Südthüringen erfolglos für den Bundestag kandidiert hatte, liebäugelt mit einem Antritt seiner Partei bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September. Die Chancen einer konservativen Partei quasi zwischen CDU/CSU, Freien Wählern und AfD sind aber umstritten - einige Politikwissenschaftler halten sie nicht für sehr groß. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schließt eine Zusammenarbeit aus.

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