AfD-Abgeordneter äußert sich zu Demo bei Köpping

Dresden. Keine Distanzierung, nur ein schmallippiger Verweis: Sachsens AfD-Landtagsfraktion fügt den Worten ihres Abgeordneten Jörg Dornau nichts hinzu. Der wollte am Mittwoch spontan in dem Dorf demonstrieren, in dem Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) wohnt.
Die Polizei hat die Demo von Dornau und einem weiteren AfD-Mitglied vor dem Haus von Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) unterbunden. Das teilte das Sächsische Innenministerium am Mittwochabend mit. Der Objektschutz der Polizei konnte die Demo unterbinden, heißt es in der Mitteilung.
Nach Angaben des Innenministeriums sei am Nachmittag gegen 16 Uhr ein Auto vor Köppings Haus vorgefahren. Als die beiden Männer, darunter auch der 51-jährige Landtagsabgeordnete Dornau, vom Objektschutz für Köppings Haus befragt worden seien, hätten sie angegeben, eine Versammlung vor dem Haus anzeigen zu wollen. Sie sollen ein Plakat mit einem Anti-Impf-Slogan mitgführt haben.
Die Mitarbeiter des Objektschutzes, die seit dem von der rechtsextremen Gruppierung "Freie Sachsen" mobilisierten Fackelaufmarsch eingesetzt sind, hätten die beiden Männer daraufhin weggeschickt.
AfD-Abgeordneter widerspricht Darstellung
Am Donnerstagmittag widersprach Dornau der Darstellung des Innenministeriums. Er habe nicht vor dem Grundstück von Ministerin Köpping gestanden, "sondern außerhalb von Hör- und Sichtweite", teilte Dornau via Telegram mit. Er habe in der Ortschaft, "in der SPD-Sozialministerin Petra Köpping wohnen soll", so Dornau, eine "Spontankundgebung" anmelden wollen.
Da kurz nach 16 Uhr niemand mehr zu erreichen gewesen sei, sei er "mit zwei Polizisten vom örtlichen Revier ins Gespräch" gekommen. Dass es sich dabei um den Objektschutz von Köpping gehandelt habe, sei für ihn und seinen Begleiter "nicht erkennbar" gewesen. Die Polizei wies die Darstellung auf Nachfrage zurück. Dornau habe sich etwa 150 Meter entfernt vom Privathaus der Ministerin befunden.
Von der AfD-Landtagsfraktion gibt es bisher kein Wort der Entschuldigung für die neuerliche Attacke auf Köppings Privatsphäre. Erst im Dezember hatte ein von den rechtsextremen "Freien Sachsen" mobilisierter Fackel-Aufmarsch vor Köppings Haus eine bundesweite Welle der Empörung, aber auch Solidarität mit der Ministerin ausgelöst.
Es gebe "keine gesonderte Äußerung der Fraktion", hieß es am Donnerstag von der AfD. Man verweise "bis auf Weiteres" auf die schriftliche Erklärung von Dornau. Der Anschein, Dornau wisse nicht genau, ob Köpping wirklich in Höfgen wohnt, ist wenig glaubwürdig. Immerhin scheint eine gewisse Nähe zur Splitterpartei "Freie Sachsen" zu bestehen, die den Fackelzug begleitet hat. Kurz darauf postete Dornau auf Telegram: "Keine Solidarität mit Köpping!".
Die "Freien Sachsen" dankten ihm, er beziehe "erfreulich klar Position", zeige, dass es "Abgeordnete gibt, die beim Bürgerprotest stehen. (...) Sein Landesvorsitzender Jörg Urban wertet derweil die vor Köppings Haus protestierenden Bürger ab." Immer wieder fällt der Landwirtschaftsmeister Dornau, Jahrgang 1970, der selbst vom Leipziger Land kommt, mit besonders radikalen Formulierungen auf. Wie die "Freien Sachsen" beklagt er eine "Diktatur" oder gar eine "Impfdiktatur", nennt Polizisten "Kretschmers Staatssicherheit".
Mit Blick auf Belarus dagegen fordert er "keine Einmischung." Dabei sehen viele im dortigen Regierungschef den "letzten Diktator Europas". Auf Fotos oder Auftritten zeigt Dornau sich gerne mit den Radikalsten seiner Partei, von Thüringens Landesvorsitzendem Björn Höcke bis zu Andreas Kalbitz, der die Partei wegen seiner Neonazi-Vergangenheit verlassen soll.
Sachsens Innenminister reagiert empört
Innenminister Roland Wöller (CDU) reagierte empört auf den erneuten Vorfall. "Gerade nach den bedrohlichen Aufzügen vor Privathäusern von Amts- und Mandatsträgern sollte klar sein, dass hier rote Linien überschritten sind. Nach dem heutigen Demonstrationsversuch zeigt sich einmal mehr, dass die AfD nicht davor zurückschreckt, Politikerinnen und Politiker gezielt einzuschüchtern und zu bedrohen", teilte Innenminister Roland Wöller mit.
Wöller forderte die AfD auf, sich bei Petra Köpping zu entschuldigen und von ihrem Mitglied und Landtagsabgeordneten Jörg Dornau klar zu distanzieren. Auf schriftliche Nachfrage von Sächsische.de bei der AfD-Landtagsfraktion gab es bisher keine Antwort.
"Rote Linien sind längst überschritten"
Der stellvertretende Ministerpräsident Wolfram Günther (Grüne) nannte den Versuch, Köpping an ihrem Wohnhaus einzuschüchtern "absolut inakzeptabel". "In Zeiten, in denen Solidarität und Rücksicht mehr als je gefragt sind, zeigt diese Partei, was sie im Kern immer schon war: zersetzend und destruktiv", kritisierte der Grünen-Politiker.
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Alexander Dierks, bezeichnete die Aktion als "Grenzüberschreitung". Die AfD stelle sich Radikalisierungstendenzen nicht nur nicht entgegen, sie befördere sie.
Die Beteiligung eines AfD-Landtagsabgeordneten "macht uns fassungslos", teilte Kathleen Kuhfuß, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag am Donnerstag mit. "Der AfD geht es nicht um einen demokratischen Diskurs oder um das Wohl des Landes. Sie zündelt und hetzt Menschen gegen Politikerinnen und Politiker auf. Wir stellen uns als Demokratinnen und Demokraten klar gegen diese Politik des Hasses", so Kuhfuß.
Simone Lang, Gesundheitspolitikerin der SPD-Fraktion teilte mit: "Rote Linien sind schon längst überschritten. Die AfD bedient sich faschistischer Methoden und versucht, Demokrat:innen einzuschüchtern. Eine Entschuldigung ist das Mindeste, wird aber solche Aktionen nicht heilen können."
Bereits Anfang Dezember hatte es eine Demonstration vor dem Wohnhaus Köppings gegeben. Rund 30 Gegner der Corona-Politik hatten dort demonstriert und dabei Fackeln und Plakate getragen. Der Vorfall hatte bundesweit für Empörung und Entsetzen gesorgt sowie eine Welle der Solidarität mit Petra Köpping ausgelöst.
Für großes Entsetzen sorgte am Mittwochabend neben Dornaus Auftritt auch ein namentlicher Facebook-Kommentar auf der Seite der AfD-Landtagsfraktion. Unter einem Beitrag über die bevorstehende Ankunft von Asylbewerbern in einer sächsischen Kommune schrieb ein User offen und mit vollem Namen: „Wenn sie da sind, abfackeln fertig.“ Die Fraktion löschte den Beitrag am nächsten Morgen und wies darauf hin: „Derartige Kommentare löschen wir, sobald wir sie finden.“