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Happy End für das Schloss aus dem Mystery-Thriller

Als düstere Kulisse schaffte es das Jagdschloss Bielatal bis ins Fernsehen. Jetzt haben zwei Niederländer das Denkmal vor dem Verfall gerettet.

Von Jörg Stock
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"Wir wohnen, wo andere Urlaub machen." Hans und Cindy Lubbers mit Kater Gamble vor ihrem Jagdschloss Bielatal. Die beiden Niederländer haben in der alten Fabrikantenvilla ihr Zuhause gefunden.
"Wir wohnen, wo andere Urlaub machen." Hans und Cindy Lubbers mit Kater Gamble vor ihrem Jagdschloss Bielatal. Die beiden Niederländer haben in der alten Fabrikantenvilla ihr Zuhause gefunden. © Steffen Unger

Im trüben Weiher spiegelt sich das Haus: mannshohe Fensterhöhlen, Fachwerk, Uhrenturm. Eine Glocke schlägt. Hinter diesen Mauern lebt einsam die Witwe des örtlichen Glasfabrikbesitzers. Er kam beim Brand seiner Firma um. Auch der Sohn ist tot. Ein Fluch? Die alte Frau hütet ein schreckliches Geheimnis, so viel ist sicher. Doch nun taucht die Schwiegertochter auf, geflohen aus ihrem Verlies in der Psychiatrie, um alles aufzudecken.

Eine Filmkulisse wird zur Heimat

Die Stunde des Wolfes, so hieß der Mystery-Thriller mit Jürgen Vogel, Silke Bodenbender und anderen Größen des deutschen Fernsehfilms, der Rosenthal-Bielatal vor gut zehn Jahren zum unglückseligen Kaff Dippoldisberg im Erzgebirge umfunktionierte. Es war wohl kein so guter Film, meint Hans Lubbers, indem er aus den Fenstern des Uhrenturms hinab in den Park blickt. Aber die Kulisse, die war gut.

Das Jagdschloss um 1900. Damals hieß es nach ihren Besitzern schlicht Villa Krüger. Den Schlosstitel erfand ein Investor erst in den 1990ern.
Das Jagdschloss um 1900. Damals hieß es nach ihren Besitzern schlicht Villa Krüger. Den Schlosstitel erfand ein Investor erst in den 1990ern. © Repro: Steffen Unger

Heute ist das Jagdschloss Bielatal keine Filmkulisse mehr. Es ist Heimat geworden, für Hans Lubbers, seine Frau Cindy und ihre beiden Kinder Sophia und Helena. Die Landschaft ist schön, man kann von der Haustür aus los wandern, sagt Hans. Und die Leute sind anders hier, sagt Cindy, anders als da, wo sie vorher lebten, irgendwie relaxter, gemütlicher. Nein, sie würden das nicht eintauschen wollen. "Wir wohnen, wo andere Urlaub machen."

Freiherr träumt vom Vier-Sterne-Hotel

Mögen die Fernsehleute damals zu dick aufgetragen haben: In einem Punkt hatten sie irgendwie recht: Das Jagdschloss Bielatal schien verwünscht. Dabei ging es so gut los. Errichtet im 19. Jahrhundert als mondäner Sommersitz neben der florierenden Kaltwasserheilanstalt "Bad Schweizermühle", lange bewohnt von dem honorigen Schießpulverfabrikanten Krüger und dessen Nachkommen, war das Haus selbst zur DDR-Zeit begehrt, als Urlaubsort des Kraftverkehrskombinats, Betrieb Pirna.

Das Nebengebäude nennen die Besitzer scherzhaft Kapelle. Es beherbergt heute die Ferienwohnung "Sofia".
Das Nebengebäude nennen die Besitzer scherzhaft Kapelle. Es beherbergt heute die Ferienwohnung "Sofia". © Steffen Unger

Doch der Start in die Nachwende ging schief, trotz eines Investors mit klangvollem Titel, großen Plänen und sicher geglaubten Fördermillionen. Trondt von Arnim, Freiherr von Reitzenstein, Unternehmer in Schifffahrt und Logistik mit Geschäft in Lübeck, wollte aus dem Ferienheim der Busfahrer ein Vier-Sterne-Hotel mit beinahe achtzig Betten machen und dafür fast zehn Millionen Mark verbauen.

Zoff ums "Kempinski Bielatals"

Die Gemeinde freute sich auf Arbeitsplätze und Touristen, Naturschützer aber waren empört und verspotteten das Großvorhaben, bei dem die Altsubstanz nur noch Nebensache gewesen wäre, als "Kempinski Bielatals". Der Streit zwischen Investor, Widersachern und Behörden wogte über Jahre. Das Hotel aber, das 1997 öffnen sollte, wurde nie gebaut.

Die Ferienwohnung in der "Kapelle". Familie Lubbers will verstärkt Landsleute aus den Niederlanden zum Urlauben ins Bielatal locken.
Die Ferienwohnung in der "Kapelle". Familie Lubbers will verstärkt Landsleute aus den Niederlanden zum Urlauben ins Bielatal locken. © Steffen Unger

Umsonst war auch alles Planen des Transportbeton-Unternehmers, der nach dem Freiherrn kam. Er hatte einen repräsentativen Privatwohnsitz im Sinn, mit Pool, Tiefgarage, diversen Anbauten, darunter eine Kegelbahn. Alles war genehmigt und das Gebäude schon entkernt, da platzte auch diese Vision, soweit bekannt aus familiären Gründen. 2008 stand das Jagdschloss Bielatal wieder einmal im Internet, auf der Suche nach neuen Träumern.

Neue Träumer aus Amsterdam

Und dort fanden es Hans und Cindy Lubbers, geborene Niederländer, er Physiker, sie Mathematikerin, beide angestellt in der IT-Abteilung einer Großbank in Amsterdam. Eigentlich hatten sie ein Umgebindehaus im Zittauer Gebirge kaufen wollen, als Ferienunterkunft. Dann sahen sie die Bilder vom Jagdschloss, fuhren hin und verliebten sich umgehend in den alten Kasten.

Ausblick vom Kinderzimmerschreibtisch. Die röhrenförmigen Gauben zu gestalten, war eine Herausforderung für die Handwerker.
Ausblick vom Kinderzimmerschreibtisch. Die röhrenförmigen Gauben zu gestalten, war eine Herausforderung für die Handwerker. © Steffen Unger

Das Schloss - dieser Titel ist das Einzige, was vom Hotelprojekt des Freiherrn überdauert hat - war eigentlich viel zu groß. Aber das schreckte die beiden nicht. "Uns tat es leid, dass so viele alte Häuser vergammeln", sagt Hans. So habe man versuchen wollen, eins zu retten und etwas Schönes zu hinterlassen, für die nächste Generation. "Obwohl wir nicht wussten, ob das klappen würde."

Einheimische mit Taten überzeugt

Wieder gab es einen Traum. "Unser Traum war, das Jagdschloss komplett zu sanieren", sagt Hans Lubbers. Der Makler hatte den Aufwand dafür auf eine Million geschätzt. Das Paar dachte: Nein, bestimmt weniger. Am Ende ist es mehr geworden. Die Einheimischen, das wissen die Bauherrn, waren teils skeptisch. Ausländer kaufen das Jagdschloss: Wie soll das denn weitergehen? Aber Schritt für Schritt ging es weiter. "Das hat die Leute überzeugt."

Im zweiten Wohnzimmer: Hier wird gegessen und gespielt. Rechts zu sehen das Modell des holländischen Ostindien-Seglers Batavia.
Im zweiten Wohnzimmer: Hier wird gegessen und gespielt. Rechts zu sehen das Modell des holländischen Ostindien-Seglers Batavia. © Steffen Unger

Zuerst wurde das Gartenhaus hergerichtet, von den Lubbers' "die Kapelle" genannt. Man machte selbst hier Ferien, vermietete aber bald auch an Gäste. Das funktionierte so gut, dass eine zweite Ferienwohnung im Hauptgebäude folgte. Zwischenzeitlich kaufte das Paar den alten Gasthof Felsenkeller, gleich um die Ecke, und richtete dort mit Fördergeld sechs weitere Touristenunterkünfte ein. Die Einnahmen, so der Plan, sollten es den beiden ermöglichen, die Jobs bei der Bank sausen zu lassen und ganz Sächsische Schweizer zu werden.

Turmbesteiger dürfen die Glocke läuten

Und so kam es. Vor zweieinhalb Jahren zog Familie Lubbers ins Bielatal und wohnt mittlerweile auch, samt Schwiegereltern, im Jagdschloss. Drei Meter achtzig von Parkettboden bis Stuckdecke beeindrucken jeden, der in die Stube tritt. Endlich Platz für große Weihnachtsbäume, feixt der Hausherr. Im zweiten Wohnzimmer, wo die Kinder gern an Spielkonsolen zocken, segelt unter Glas das Schiffsmodell der Batavia, Ostindienfahrer aus Hollands Goldenem Zeitalter, gebaut vom Hans Lubbers' Opa.

Hans Lubbers kümmert sich als Wegewart auch um die Wanderrouten von Rosenthal-Bielatal. Links im Foto die Kinder der Neu-Bielataler, Sophia und Helena.
Hans Lubbers kümmert sich als Wegewart auch um die Wanderrouten von Rosenthal-Bielatal. Links im Foto die Kinder der Neu-Bielataler, Sophia und Helena. © Steffen Unger

Besonders liebe Gäste führt Hans Lubbers bis hier herauf, in die Turmstube. Das original Uhrwerk ist irgendwann weggekommen und musste ersetzt werden. Aber die Glocke hat überdauert. Sie war wohl zu massiv für Diebe. So tönt ihr Läuten nun wieder das Tal entlang, jede halbe und jede volle Stunde, und auch mal zwischendurch, wenn ein Gast den Schalter drückt.

Wie weit das Gelände um die Villa reicht, ist nicht einmal aus der Turmuhren-Perspektive zu überschauen. Fast vier Hektar sind es, mit uralten Bäumen, Höhlen, Brücken, Stiegen und sogar zwei Klettergipfeln. Hans Lubbers, der inzwischen Wanderwegewart im Ort ist, wandert auch gern durch den eigenen Besitz. "Ich entdecke immer wieder etwas Neues."

Flauschiger Wächter des Schlossparks: Mister Gamble, ein sieben Jahre alter Ragdoll-Kater, macht seine Runde.
Flauschiger Wächter des Schlossparks: Mister Gamble, ein sieben Jahre alter Ragdoll-Kater, macht seine Runde. © Steffen Unger

Isegrims mit feurigen Blicken, wie sie in "Stunde der Wölfe" vorkommen, hat Hans Lubbers aber noch nie hier gesehen. Nur Wildschweine. Fühlt man sich trotzdem fixiert von einem Paar glühender Augen, so ist es ganz bestimmt Gamble, der Schlosskater, der lautlos wie ein Geist durch die Rhododendren schleicht.